Hamburg sagt Nein zu Olympia

SID
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Aus der Traum für Olympia in Hamburg, Schock für den deutschen Sport: Die Bürger der Hansestadt haben sich in ihrem Referendum nach einem Kopf-an-Kopf-Entscheid gegen Olympische und Paralympische Spiele 2024 vor ihrer Haustür ausgesprochen - und damit der Bewerbung den Todesstoß versetzt.

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51,6 Prozent der Wahlberechtigten stmmten gegen eine Fortsetzung der Kampagne um die Austragung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2024. Dieses vorläufige Endergebnis gab das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein bekannt. Demnach lag die Wahlbeteiligung bei 50,1 Prozent. Insgesamt wurden 651.589 Stimmen abgegeben.

Dass Sportfans in den kommenden Jahrzehnten vierte Olympische Spiele in Deutschland nach 1936 (Berlin und Garmisch) und 1972 (München) erleben dürfen, ist damit unwahrscheinlicher denn je. Den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) stürzt das Votum in die wohl schwerste Krise seiner Geschichte.

Hamburger konnten nicht überzeugt werden

1,2 Milliarden Euro wollte sich Hamburg das Spektakel in der Stadt kosten lassen, 6,2 Milliarden sollte der Bund beisteuern. Doch selbst die Aussicht auf einen riesigen Zuschuss vom Steuerzahler, auch zu einem gewaltigen Stadtentwicklungsprogramm, konnte die Hamburger nicht überzeugen.

Die horrenden Kosten, noch fehlende Garantien des Bundes, Misstrauen gegenüber dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), Angst vor Terror und Flüchtlingskrise, Enttäuschung über die dunklen Schatten auf dem "Sommermärchen" - was letztlich hauptverantwortlich für das Nein war, ist unklar.

Fakt ist im grauen deutschen Sport-Herbst 2015: Die Mehrheit der Hamburger will die Spiele nicht, obwohl Wirtschaft, Politik (mit Ausnahme der Linken) und die versammelte Sportprominenz doch "Feuer und Flamme" waren.

Im Rathaus wurde die Stimmung im Laufe des Abends entsprechend des Wahlverlaufs immer gedrückter, ebenso auf der Promi-Veranstaltung in der Barclaycard-Arena. Dort versuchte DOSB-Vorstandsboss Michael Vesper um kurz nach 19.00 Uhr, als das Ja-Lager nur noch bei knapp 48 Prozent lag, Gelassenheit auszustrahlen: "Die Zahlen sind noch nicht aussagekräftig. Es ist zu früh, schon ein Urteil abzugeben." Wenig später hatten die Ja-Sager niederschmetternde Gewissheit.

L.A, Rom, Paris und Budapest im Rennen

Damit verliert das Internationale Olympische Komitee (IOC) mal wieder einen Bewerber aus einem demokratischen Land, trotz der Reformagenda 2020 des deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach. Die IOC-Mitglieder haben im September 2017 in Lima nur noch die Wahl zwischen Los Angeles, Paris, Rom und Budapest.

Hamburg, in diesem Kreis ohnehin ein Außenseiter, hatte sich zwar auch eine Bewerbung um die Spiele 2028 offen gehalten (das Referendum behandelte ausdrücklich nur das Jahr 2024), doch nach dem Debakel im frühestmöglichen Stadium scheint ein weiterer Olympia-Vorstoß an der Elbe politisch nur schwer vorstellbar.

Die Hamburger sorgten am Sonntag für die siebte gescheiterte deutsche Bewerbung seit der Garmisch-Kampagne für 1960. Erst Ende 2013 hatten die betreffenden Gemeinden den Winterspielen "München 2022" einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht.

Genau wie damals die bayerische Landeshauptstadt verzeichnete auch Hamburg einen dramatischen Absturz in den letzten Wochen vor dem Referendum. Noch im September hatten sich an der Elbe 64 Prozent für die Spiele ausgesprochen.

Super-GAU für Dachverband

"Einen entscheidenden Schub für den deutschen Sport auf allen Ebenen" hatte sich DOSB-Präsident Alfons Hörmann erhofft. Stattdessen erlebt der Dachverband nun seinen Super-GAU. Die 12. Mitgliederversammlung am kommenden Samstag in Hannover dürfte einer Trauerveranstaltung gleichkommen, Selbstmitleid inklusive. Denn auch "höhere Gewalt" wie die Terror-Anschläge von Paris, das abgesagte Länderspiel in Hannover oder die Flüchtlingskrise könnten zum Sieg der Nein-Sager beigetragen haben.

Die Niederlage im Referendum von München, die vor zwei Jahren auch durch reichlich arrogantes Auftreten der Pro-Akteure zustande gekommen war, schmerzt nun mehr denn je. Ein Wahlsieg Münchens beim IOC galt im Nachhinein angesichts der schwachen Konkurrenz aus Peking und Almaty als so gut wie sicher. Nun ist auch Hamburg gescheitert, und die tiefgreifendste Dürreperiode des wiedervereinigten deutschen Sports scheint vorgezeichnet.

"Ich mache keinen Hehl daraus, dass es dann an vielen Stellen viel schwieriger wird, die notwendige Unterstützung zu erhalten", hatte Hörmann wenige Tage vor dem Referendum gesagt, als er sich doch mal zu einem "Was-wäre-wenn-nicht"-Statement durchrang: "Damit würde die mehr und mehr wahrnehmbare Zwei-Klassen-Gesellschaft des deutschen Sports - auf der einen Seite der so erfolgreiche Fußball, auf der anderen Seite alle anderen Sportarten - tendenziell leider noch mehr zu- als abnehmen."

Einschnitte in die Spitzensportförderung, weiter bröckelnde Sport-Vielfalt im TV, das Ende großer Sponsoren-Kooperationen oder auch personelle Konsequenzen - dem deutschen Sport stehen nach dem Nein aus Hamburg harte Zeiten bevor.

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