Sensationeller WM-Auftakt in Katar

SID
Vanessa Low stellte gleich zwei Weltrekorde auf
© getty

Sebastian Dietz kämpfte sich mit dem Papst in der Tasche zu Gold, Vanessa Low mit neuen "Ferrari"-Stelzen sogar von Weltrekord zu Weltrekord: Die deutschen Behindertensportler haben bei der Leichtathletik-WM in Katar einen sensationellen Start hingelegt.

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Vor den beiden Goldmedaillen von Kugelstoßer Dietz (Bünde/14,87 m), der Anfang September als "Botschafter für Inklusion" eine Sonderaudienz bei Papst Franziskus erhalten hatte, und Weitspringerin Low (Bayer Leverkusen/4,79 m) hatte es in der allerersten Entscheidung der WM schon eine Bronzemedaille mit deutschem Rekord durch Frank Tinnemeier (Hillentrup/14,33) im Kugelstoßen gegeben. Jana Schmidt (Cottbus/3,73) sprang bei Lows Sieg ebenfalls auf Rang drei. Rennrollstuhlfahrer Marc Schuh (Herkenrath/25,67) verpasste als Vierter über 200 m eine Medaille trotz der der besten Vorlaufzeit knapp.

Die absolut überragende Athletin des ersten Tages war aber Low. Die 25-Jährige, die mit dem australischen Athleten Scott Reardon liiert ist und Oklahoma City in den USA lebt und trainiert, setzte mit dem Weltrekord von 4,72 im zweiten Versuch ein riesiges Ausrufezeichen - und legte im dritten mit 4,79 m gleich noch einen Weltrekord nach. Die starke Konkurrenz um die bis auf einen Zentimeter an ihre bisherige Weltbestmarke herangesprungene Italienerin Martina Caironi war geschlagen.

15.000-Euro-Prothesen

"Mein Freund hat mir versprochen, dass es ein Stückchen Schokolade gibt", sagte die neue Weltmeisterin nachher strahlend: "Das gönne ich mir, aber danach fokussiere ich mich wieder und will noch eine weitere Weltklasseleistung zeigen." Sie startet am 30. Oktober noch über 100 m. In Katar startet Low, der nach einem Unfall an einem Bahnübergang 2006 beide Beine oberhalb der Knie amputiert werden mussten, erstmals mit neuen, 15.000 Euro teuren Prothesen, bestehen aus drei Teilen: Einem Schaft, in dem die Oberschenkel eingepasst werden, dem Knie, einer Art Pendel, und den Federn.

Dies sei aber nur ein Teil ihres Erfolgs, beteuerte die gebürtige Schwerinerin: "Man kann ja auch nicht jeden Menschen in einen Ferrari setzen, und der fährt dann so schnell wie Sebastian Vettel." Der Einsatz der neuen Prothesen zur WM sei "ein Risiko, aber langfristig war es die richtige Entscheidung. Mein Körper fühlt sich besser an, das Laufbild sieht besser aus. Trotzdem behaupte ich, dass ich auch mit den alten Prothesen meine Leistung verbessert hätte. Meine Leistung ist meinem Training zu verdanken und nicht meinen Prothesen."

Dietz' Sieg war derweil komplett überraschend, da der Diskuswurf seiner Klasse nach seinem Paralympics-Sieg in London für Rio 2016 gestrichen wurde. Der 30-Jährige sattelte "mit Wut im Bauch" um und überbot mit WM-Rekord den klar favorisierte Titelverteidiger Wladimir Swiridow aus Russland um acht Zentimeter.

"Das ist mega-geil"

"Das ist mega-geil", sagte Dietz danach ausgelassen: "Der Russe ist bärenstark. Ich wollte ihn einfach ein wenig ärgern. Den Angriff auf ihn hatte ich eigentlich erst für Rio geplant. Aber nun habe ich Gold geholt." Der Sieg gebe "natürlich einen riesigen Motivationsschub für Rio 2016. Ich weiß, dass dort mit dieser Weite kein Gold und vielleicht nicht einmal eine Medaille zu holen ist. Aber bis dahin ist noch viel Zeit und ich werde hart an mir arbeiten. Dann rocken wir Rio".

Für Dietz, der bei einem Autounfall 2004 eine schwere Halswirbelverletzung erlitten hatte, war es der dritte internationale Titel. Mit dem Diskus hatte er 2012 bei den Paralympics und bei der WM vor zwei Jahren Gold gewonnen.

Tinnemeier, dem nach einem schweren Motorradunfall 1999 der linke Unterschenkel mit Knie entfernt werden musste, war dagegen hin- und hergerissen. "Persönliche Bestleistung, deutscher Rekord - da hätte es vielleicht auch noch eine andere Farbe der Medaille sein können", sagte er: "Doch auch Bronze ist prima, ich bin sehr zufrieden."

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