"Fußball könnte vom Hockey profitieren"

Von Interview: Frank Schlageter
Markus Weise (l.) ist seit November 2006 Hockey-Bundestrainer der Herren
© Getty

Hockey-Bundestrainer Markus Weise (49) gewann als einziger Trainer weltweit mit einem Frauen- (2004 in Athen) und einem Männerteam (2008 in Peking) olympisches Gold. 2011 wurde der Mannheimer zum "Trainer des Jahres" gewählt. Zwar beobachtet er auch den Profi-Fußball ganz genau, ein gut bezahltes Engagement dort - wie für seinen Vorgänger Bernhard Peters bei 1899 Hoffenheim - kommt für Weise aber erstmal nicht in Frage, lieber würde er dieses Jahr mit den Deutschen Hockey-Herren in London sein Olympiagold verteidigen.

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SPOX: Herr Weise, Sie haben bei den Hallen-Meisterschaften in Berlin die besten deutschen Teams gesehen und dabei wahrscheinlich schon an die internationale Elite gedacht. Wer sind denn die ernsthaftesten Gegner auf dem Weg zu Olympiagold in London?

Markus Weise: Die Weltspitze ist breiter geworden, es sind aber seit Jahren immer die gleichen Verdächtigen, die für einen großen Titel in Frage kommen. Als Nummer eins sind auf jeden Fall die Australier zu nennen, die in den letzten Jahren relativ unangefochten alles gewinnen, danach muss man sofort Holland und Spanien aufzählen. Ich glaube aber, dass sich einige Nationen einen harten Kampf zumindest um die Halbfinalplätze liefern werden. Natürlich zählen auch wir zum Favoritenkreis und ich erwarte ein sehr spannendes Turnier. Für London ist es nicht einfach zu prognostizieren, wer da am Ende auf dem Treppchen ganz oben stehen wird.

SPOX: Sie siegten vergangenes Jahr mit Ihrem Team bei der Europameisterschaft. Wo liegen aktuell die Schwerpunkte bei der umfangreichen Vorbereitung? Mehr im athletischen Bereich, bei taktischen Dingen oder bei der Gegner-Analyse?

Weise: Die nächste Maßnahme wird ein sehr athletikorientierter Lehrgang sein mit zwei Dritteln Athletik und nur einem Drittel Hockey, beim zweiten großen Zentrallehrgang in Südafrika wird es dann umgekehrt sein. Wir haben jetzt also erst eine Phase, in der wir sehr viel in der Athletik machen, in den darauf folgenden Arbeitslehrgängen mit einigen Länderspielen verschieben sich die Schwerpunkte dann in Richtung Mannschaftsfindung, Technik und Taktik, da steigt dann auch der Nominierungsdruck.

SPOX: Welche Rolle spielt denn die Athletik bei so einer Mission? Man sagt ja auch immer, dass Hockeyspieler fitter sind als Fußballprofis.

Weise: Das will ich jetzt so nicht vergleichen, aber bei uns gilt ganz klar die Formel: Wer nicht absolut fit ist, spielt nicht mit! Die Bedeutung der Athletik für den Gesamterfolg konnte man sehr gut 2010 erkennen. Da lag der Höhepunkt bei der Weltmeisterschaft im März, die Champions Trophy fand im August statt. Bei der WM spielten wir stark und gewannen hinter Australien Silber. Danach haben wir die Jungs nicht mehr so gepusht, das Athletikniveau sank ab und bei der Champions Trophy reichte es dann nur noch zu Platz vier. Das war mir aber in diesem Falle auch ganz recht, weil die Spieler so am eigenen Leib mal erfahren haben, was ich ihnen immer erzähle (lacht).

SPOX: In deisem Jahr liegen Sie mit der Vorbereitung im Plan?

Weise: Aktuell stimmen die Werte der Leistungsdiagnostik, wir müssen aber im Ausdauerbereich noch etwas zulegen. Generell gilt: Wenn du im Mannschaftsschnitt nicht 4,1 Meter pro Sekunde an der Vier-Millimolgrenze laufen kannst, wird es auch sehr schwer, ein großes internationales Turnier zu gewinnen. Also ohne die Athletik-Hausaufgaben zu machen, gewinnst Du gar nix.

SPOX: Nehmen Sie sich eigentlich Anleihen beim Profi-Fußball? Oder würde das gar keinen Sinn machen?

Weise: Doch, doch, das macht schon Sinn. Speziell im Defensivspiel kann man aus dem Fußball mehr rausziehen als in der Offensive. Von der Raum orientierten Deckung oder dem Pressing kann man einiges abschauen, auch wenn das im Fußball natürlich von der Abseitsregel begünstigt wird, die es beim Hockey nicht gibt. Umgekehrt denke ich, dass im Angriffsverhalten der Fußball sehr vom Hockey profitieren könnte.

SPOX: Glauben Sie denn, dass der Fußball in dieser Beziehung bereits ein Auge auf Hockey wirft?

Weise: Ich glaube nicht, dass der Fußball überhaupt irgendwohin schaut. Fußball ist eine sehr abgeschlossene Welt. Da arbeiten ja auch genügend Experten, die sich mit den Themen auseinandersetzen, und es gibt zum Teil auch sehr gute Leute, die ich selbst schon in Vorträgen erlebt habe.

SPOX: Ein Experte, der den Weg vom Hockey in den Profi-Fußball wagte, ist ja Ihr Vorgänger Bernhard Peters, den Jürgen Klinsmann zunächst beim DFB haben wollte und der jetzt sehr gute Arbeit in Hoffenheim leistet. War dafür seine Hockey-Kompetenz ausschlaggebend?

Weise: Ich denke nicht, dass es dabei so sehr um Taktik oder Hockey ging, sondern mehr um Leistung und Systematik. Sein Job bei der TSG Hoffenheim besteht ja darin, den Unterbau der Lizenzabteilung zu optimieren, mit dem langfristigen Ziel, eigene Spieler auszubilden, damit man langfristig vielleicht ein, zwei Spieler pro Jahr aus den eigenen Reihen in den Profikader übernehmen kann und nicht immer in der Welt irgendwas zusammenkaufen muss. Man muss im Fußball wahrscheinlich immer extern einkaufen, aber es wäre ja toll und würde viel Geld sparen, wenn einer zum Beispiel aus der F-Jugend das System durchläuft, bis er später bei den Profis spielt. Genau für diese internen Strukturen ist Bernhard geholt worden und ich glaube, dass Hoffenheim mit dieser Personalie eine sehr gute Entscheidung getroffen hat.

SPOX: Wenn jetzt einer der Topklubs bei Ihnen anruft und Sie mit Geld bedroht, würden Sie das Lager gerne wechseln?

Weise: Ich denke nicht, dass da jemals einer anruft, das kann ich mir nicht vorstellen und ich habe darüber auch noch nicht nachgedacht. Aber wer weiß, was passiert? (lacht) Wir konzentrieren uns jetzt erst einmal zu einhundert Prozent auf die Olympischen Spiele in London.

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