"Köln wird Meister - und gewinnt die CL"

Von Liane Killmann
Marc Zwiebler hat mit den Canada Open 2011 sein erstes Grand-Prix-Turnier gewonnen
© Getty

Deutschlands bester Badminton-Spieler hat im Vorfeld der WM in London seinen größten Erfolg errungen. Marc Zwiebler gewann in Vancouver seinen ersten Grand-Prix-Titel. Dabei spielt der 27-Jährige seine zweite Karriere, ein Bandscheibenvorfall legte ihn 2005 für fast zwei Jahre komplett lahm. Am Montag begann in der nagelneuen Olympiahalle die WM - und der Deutsche stapelt trotz Topform tief. Im Interview mit SPOX blickt er zurück auf seine schwerste Zeit, erzählt von Polizei-Eskorten in Asien und verteidigt seine Vorliebe für den 1. FC Köln.

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SPOX: Herr Zwiebler, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem ersten Grand-Prix-Sieg bei den Canada Open. Ein Meilenstein in Ihrer Karriere?

Marc Zwiebler: Ja, das ist ein Superding! Und das im vorolympischen Jahr. Alle Turniere sind wegen der Olympia-Quali enorm stark besetzt. Die ganze Nordamerika-Tour war der Wahnsinn für mich. Bei den US Open, einem Grand Prix Gold in Los Angeles, habe ich im Halbfinale nur knapp verloren. Und dann bin ich mit sehr großem Selbstbewusstsein nach Vancouver geflogen.

SPOX: Ihr Zeitplan mit all der Fliegerei nach Asien und Amerika klingt extrem stressig, blieb wenigstens Zeit zum Feiern?

Zwiebler: Nee, gefeiert habe ich ehrlich gesagt noch nicht. Aber immerhin habe ich es gerade so zum 60. Geburtstag meines Vaters geschafft, weil ich in Kanada ungeduscht ins Flugzeug gesprungen bin. Gleich nach dem Finale ging es ab zum Flughafen.

SPOX: Nur gut, dass Sie das Endspiel in zwei Sätzen gewinnen konnten, einen dritten hätten Sie sich ja gar nicht leisten können...

Zwiebler: Stimmt (lacht), das wäre echt eng geworden.

SPOX: In diesem Spiel schlugen Sie Taufik Hidayat, den Athen-Olympiasieger aus Indonesien, und das zum zweiten Mal innerhalb von 10 Tagen. Stimmt es, dass Hidayat ihr großes Idol ist?

Zwiebler: Na ja, es ist nicht so, dass ich nur ihn bewundere. Aber er ist in Badmintonkreisen eine aktive Legende. Er war sehr jung enorm erfolgreich und spielt sehr spektakulär. Seine Spielweise hat ihn zu einem der bekanntesten Spieler weltweit gemacht. Insofern ist er eine Art Vorbild, aber nicht das einzige.

SPOX: Können Sie sich von Ihm und anderen Konkurrenten etwas für Ihr eigenes Spiel abschauen?

Zwiebler: Es ist tatsächlich so, das bringt mir immer noch sehr viel. Man kann natürlich keinen Spieler kopieren, jeder hat andere körperliche Voraussetzungen, eine andere Technik. Aber Spielmuster, Taktiken und ab und zu ein paar Schläge kann man sich schon abgucken. Ich bin ein großer Fan davon, mir von allen Spielern das, was zu meinem Spiel passt, abzuschauen. Gerade auf der mentalen Ebene kann man viel lernen.

SPOX: Wie viel entscheidet der Kopf im Spitzen-Badminton, verglichen mit Technik und Kondition?

Zwiebler: Der mentale Aspekt macht 70 bis 80 Prozent aus. Ich hätte das ja früher nicht für möglich gehalten, aber in den Top 30 ist es tatsächlich so. Dort hängt viel von der Tagesform ab, über die neben körperlichem Wohlbefinden hauptsächlich der Kopf entscheidet. Mit der Erfahrung wird man mental stärker und lernt sich selbst besser kennen. Dabei helfen Niederlagen genauso wie Siege.

SPOX: 2005 hatten Sie einen schweren Bandscheibenvorfall, normaler Alltag war unmöglich. Im August 2006 folgte die OP. Denken Sie bei all den Erfolgen manchmal daran, wie unglaublich es ist, dass Sie überhaupt noch Sport machen?

Zwiebler: Daran denke ich sehr, sehr oft. Diese Zeit hat viel Kraft gekostet. Sport hatte sich komplett erledigt, ich war ans Bett gefesselt und konnte mir nicht mehr allein die Schuhe zubinden. Heute ziehe ich Demut und Dankbarkeit daraus. Ich versuche, Erfolge und alles, was mir gerade zuteil wird, nicht mehr als selbstverständlich zu betrachten. Und ich weiß, dass ich mich, wenn es hart auf hart kommt, wirklich nur auf Freunde und Familie verlassen kann. Alles kann schnell vorbei sein und dann ruft keiner mehr an. Zum Glück ist mit dem Rücken wieder alles in Ordnung. Ich mache mir heute nicht mehr allzu großen Stress. Vielleicht ist das ein Grund, warum es so gut läuft.

SPOX: Heute beginnt die WM in London in der brandneuen Wembley-Halle, ein Vorgeschmack auf Olympia 2012. Sind Ihre Erwartungen nach den Erfolgen der letzten Wochen gestiegen?

Zwiebler: Nee (lacht). Natürlich hätte ich nichts dagegen, Weltmeister zu werden. Aber mein Ziel ist es, die zweite Runde zu überstehen. Das wäre das Achtelfinale. Vielleicht sage ich das, um ein bisschen Druck von den Schultern zu nehmen, aber ich bin da zu sehr Realist, vielleicht sogar Pessimist.

SPOX: Die Auslosung meinte es nicht gut mit Ihnen.

Zwiebler: Stimmt, im Achtelfinale würde mir wohl der zweitbeste Chinese drohen, im Viertelfinale die Nummer eins der Welt. Wirklich die denkbar schlechteste Auslosung, wenn man bedenkt, dass ich mir einen Setzplatz erarbeitet habe. Aber nach dem Programm, was ich in den letzten Wochen gespielt habe, wäre ich mit Runde drei hochzufrieden. Danach können gegen die Asiaten die Überraschungen kommen.

SPOX: Wie begegnen Sie der Übermacht aus dem Fernen Osten?

Zwiebler: Das ist schwierig für uns Europäer. Badminton ist in vielen asiatischen Ländern, abgesehen davon, dass die das Zehn- oder Zwanzigfache an Bevölkerung haben, eine Volkssportart. Die Kinder fangen nicht an, Fußball oder Basketball zu spielen, sondern Badminton. Es gibt eine ganz andere Jugendförderung und ein Netz von exzellenten Trainern. Dazu ist das für diese Jugendlichen die einzige Möglichkeit, aus einfachsten Verhältnissen herauszukommen. Damit wollen wir in Deutschland sicher nicht tauschen.

SPOX: Würden Sie stattdessen mit einem Bastian Schweinsteiger oder Dirk Nowitzki tauschen wollen, was die Aufmerksamkeit für Ihre Erfolge angeht?

Zwiebler: Oje (lacht), das gibt ein klares Nein! In Asien wird uns regelmäßig das Hotel eingerannt. Ohne Polizeieskorte können wir in Malaysia oder Indonesien nicht aus der Halle oder dem Hotel. Überall wird man erkannt und irgendwelche Leute wollen was von einem. Das ist die Kehrseite. Und die deutschen Fußballer erleben das jeden Tag. Am Anfang ist es spannend, aber auf die Dauer nicht erstrebenswert. Ich finde es immer super, nach so einem Trip in Frankfurt zu landen, weil da eben nicht die Hölle los ist.

SPOX: Juliane Schenk ist in diesem Jahr Vize-Europameisterin geworden, neben Ihnen haben Birgit Michels und Michael Fuchs in Vancouver den Mixed-Titel geholt. Haben Sie eine Erklärung für die Steigerung der Deutschen?

Zwiebler: Nicht wirklich, vielleicht ist es Talent oder Zufall. Unsere Jahrgänge 1980 bis 1985 waren schon immer stark. Wir wurden fast alle Jugendeuropameister. Fast alle kamen aus Nordrhein-Westfalen, das hat das Training erleichtert. Leider ist sportlicher Erfolg in Deutschland immer eine Frage des Geldes. Man wird erst gefördert, wenn man etwas gewonnen hat. Das ist in so einer finanziell intensiven Sportart ein Problem. Man muss eben nach Asien reisen, weil Badminton dort passiert. Jeder unserer Erfolge ist ein Schritt in die richtige Richtung.

SPOX: Wem drücken Sie denn in der neuen Bundesliga-Saison die Daumen?

Zwiebler: Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich ziemlich sportuninteressiert bin. Die Zeit, die neben Badminton bleibt, nutze ich fürs Studium, lese sehr viel und höre Musik. Meine Schallplattensammlung kann sich sehen lassen (lacht), leider bin ich zu untalentiert zum Auflegen.

SPOX: Also gibt's keinen Fußball im Hause Zwiebler?

Zwiebler: Wenn ich einen Klub nennen muss, dann den 1. FC Köln. Dafür werde ich sehr oft ausgelacht, aber als Rheinländer ist das für mich Prinzip. Ich sage auch immer: "Die werden deutscher Meister und gewinnen die Champions League", obwohl die da gar nicht spielen. So eine FC-Pleite wie am Wochenende kann mich davon nicht abbringen.

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