Tränen nach einem Drama in pink

Von SPOX
John Higgins gewann in Sheffield den vierten WM-Titel seiner illustren Karriere
© Getty

John Higgins ist zum vierten Mal in seiner Karriere Weltmeister im Snooker. In einem spannenden und teilweise hochklassigen Finale besiegte er Jungstar Judd Trump mit 18-15. Es folgte eine tränenreiche Siegerehrung.
 

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John Higgins hat ein unglaublich langes Jahr hinter sich. Das hat man die gesamte WM über seinem dürftigen Spiel angemerkt - bis zum letzten Tag. An dem war Higgins plötzlich wieder der Alte.

Er fand seine Sicherheit im Breakbuilding wieder, er behielt in den entscheidenden Phasen die Nerven - und er war unglaublich abgezockt. Zu abgezockt am Ende für den jungen Trump. So kam es zu einem 18-15-Sieg, der Higgins den vierten WM-Titel und eine tränenreiche Siegerehrung bescherte.

Der Wizard of Wilshire kehrte nach einem halben Jahr Sperre wegen der angeblichen Bereitschaft zur Spielmanipulation und dem Tod seines Vaters vor einigen Wochen auf den Snooker-Thron zurück. Zu viel für den Schotten. Er fand kaum Worte für seinen Triumph und fiel letztlich weinend in die Arme seiner Familie.

Ein hochemotionales Ende eines nicht weniger emotionalen Spiels. Schließlich war Trump, der zweitjüngste Finalist aller Zeiten, nach seinem beeindruckenden WM-Turnier der Liebling der Fans und wurde entsprechend lautstark angefeuert.

22. Frame markiert Wendepunkt

Und er legte am ersten Tag so furios los, wie er das ganze Halbfinale gegen Ding Junhui bestritten hatte. Sein Lochspiel war gewohnt überragend und er behielt auch stets die Ruhe. Higgins offenbarte dagegen ähnliche Schwächen wie in den Spielen zuvor gegen Ronnie O'Sullivan und Mark Williams.

10-7 führte Trump folgerichtig nach den ersten beiden Sessions. Diese Führung konnte er bis zum 12-9 halten, doch der 22. Frame, in dem Trump eine machbare Blaue verschoss, markierte für Higgins den Wendepunkt.

Er fand zu seiner bekannten und gefürchteten Sicherheit zurück und machte so gut wie keine Fehler mehr. Gleichzeitig nutzte er die wenigen, die Trump beging, gnadenlos mit hohen Breaks aus. Die Folge waren fünf Frame-Gewinne in Folge und die 14-12-Führung.

Wie schon im Halbfinale gegen Ding gab Trump aber nie auf, bis sich rein und glich dank einiger unglaublicher gelochter Bälle noch einmal zum 14-14 aus.

Trump kann nicht aus seiner Haut

Danach wurde das Finale zu einem Spiel der Nerven. Higgins machte wieder ein paar Fehler mehr, aber die Unzulänglichkeiten im Spiel von Trump wogen nun schwerer. Nach wie vor lochte er zwar unglaublich schwere Bälle, aber er scheiterte an seinem Stellungsspiel und an einigen Alles-Oder-Nichts-Entscheidungen.

Trump konnte in der Endphase der Partie nicht aus seiner Haut und versuchte, einige seiner viel zu häufigen Ungenauigkeiten beim Stellungsspiel mit spektakulären Potts auszugleichen. Das ging zu oft schief. Higgins ging 17-15 in Führung und brauchte nur noch einen Frame zum Sieg.

Den holte er sich auf dramatische Weise. Schicksal spielte die pinkfarbene Kugel. Auf dem besten Weg zum Framegewinn verschoss Trump zunächst eine einfache Pinke und überließ Higgins das Break.

Higgins: "Einfach unglaublich"

Der konnte dieses Angebot aber nicht nutzen und musste zulassen, dass Trump außer Reichweite enteilte. Higgins brauchte sechs Foulpunkte von Trump, um die Lücke zum Matchgewinn in diesem Frame noch zu schließen.

Anstatt auf zwei normale Fouls, die vier Punkte gebracht hätten, zu setzen, räumte er den Tisch bis auf die letzten beiden Kugeln ab und snookerte Trump fantastisch auf Pink. Der Youngster verpasste und Higgins strich die fehlenden sechs Foulpunkte ein.

Damit der Dramatik aber noch nicht genug, schließlich musste Higgins den Tisch ja auch noch komplett abräumen. Das tat er - unglaublich - mit einem Double auf Pink über Bande in die Mitteltasche.

Es folgte Schwarz und dann der große Jubel. "Das ist einfach unglaublich", sagte Higgins. Mehr brachte er nicht heraus. Außer einem riesigen Lob für seinen Gegner. "Beide Tage zusammen genommen, war er der bessere Spieler. Er ist der aufgehende Stern des Snookersports."

Nur noch Hendry und Davis vor Higgins

Trump gab sich bescheiden und gestand seinerseits ein, an diesem Tag gegen einen besseren Spieler verloren zu haben. Er konnte trotz der Niederlage lächeln - und erklärte auch warum: "Vor 17 Tagen war ich noch ein Niemand."

Jetzt nicht mehr. Er ist Top-Ten-Spieler und mit seinen erst 21 Jahren ein sicherer Kandidat für noch eine ganze Menge Finalteilnahmen in Sheffield.

Higgins ist auch erst 35 Jahre alt, mit seinen vier WM-Titeln nun aber der drittbeste Spieler im Crucible Theatre aller Zeiten. Nur Stephen Hendry mit sieben und Steve Davis mit sechs WM-Titeln liegen noch vor ihm.

Trumps famoser Halbfinalsieg gegen Junhui