Harte Kritik an Anti-Doping-Meldesystem

SID
Das Anti-Doping-Meldesystem stößt auf harte Kritik
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Das Anti-Doping-Meldesystem für Spitzensportler gerät unter schweren Beschuss. Nach Meinung des Landesdatenschutzbeauftragten von Rheinland-Pfalz verletzt es die Privatsphäre.

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Der Anti-Doping-Kampf in Deutschland gerät unter schweren Beschuss der Datenschützer. Stefan Brink, der Landesdatenschutzbeauftragte von Rheinland-Pfalz, kritisiert das Meldesystem für Spitzensportler in einem 15-seitigen Bewertungsentwurf scharf und beklagt eine "unerträgliche Verletzung der Intim- und Privatsphäre" von Sportlern.

Die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) hat bereits ein Entgegenkommen signalisiert und verweist auf ein gemeinsames Treffen in der kommenden Woche in Düsseldorf.

Brink "praxisfern und bar jeder Kenntnis des Spitzensports"

Der Willen zur Kooperation dürfte sich allerdings in Grenzen halten. "Wenn man dieses Papier in letzter Konsequenz umsetzen würde, wäre das ganze Anti-Doping-System nicht mehr durchführbar", sagte Michael Vesper, Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).

Er griff Brink als "praxisfern und bar jeder Kenntnis des Spitzensports" an und verteidigte das gültige System. Es sei auch von den Athleten so gewollt, sagte Vesper, "weil es für einen dopingfreien Sport sorgen soll".

Brink, der die Datenverarbeitung des Systems sogar als rechtswidrig einstuft, lieferte seine Einschätzung auf Initiative "einer Reihe von Spitzensportlern", übermittelt durch die Basketball-Gewerkschaft Spin. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Süddeutsche Zeitung zitieren in ihren Samstagsausgaben aus dem Papier, das auch dem SID vorliegt.

Einblicke in die Privatsphäre

In dem ungewöhnlich emotional formulierten Entwurf heißt es unter anderem, dass die NADA durch ausforschende Überwachung Einblicke in die Privatsphäre erhalte, die selbst staatlichen Strafverfolgungsbehörden nicht gestattet seien.

Die Meldeauflagen zeugten "von einer geradezu grotesken Übersteigerung eines allenfalls im Grundsatz nachvollziehbaren Kontrollinteresses". Brink fordert, dass dem Athleten die Gelegenheit gegeben werden muss, "mit sofortiger Wirkung aus dem Anti-Doping-Kontrollsystem auszusteigen".

Die NADA sagt, sie nehme "die datenschutzrechtlichen Bedenken einiger Spitzensportler gegenüber dem Dopingkontrollsystem sehr ernst". Am 15. Dezember werde die NADA in Düsseldorf in einer Konferenz mit Datenschützern aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz an "notwendigen Anpassungen" arbeiten.

Spieler müssen Aufenthalt drei Monate im Voraus ankündigen

"Unsere Aufgabe ist es, einen effektiven Anti-Doping-Kampf zu betreiben. Wir tun dies in steter Abwägung der Verhältnismäßigkeit zu den Datenschutzbestimmungen und unter Mitsprache der Sportler", sagt die kommissarische NADA-Geschäftsführerin Anja Berninger.

In dem vor zwei Jahren eingeführten Meldesystem (Adams) müssen die Sportler unter anderem angeben, wo sie sich in den kommenden drei Monaten aufhalten werden. An einem bestimmten Aufenthaltsort müssen sie an jedem Tag für eine Stunde möglichen Dopingkontrollen zur Verfügung stehen. Die Urinabgabe erfolgt unter direkter Aufsicht des Kontrolleurs.

Lehner spricht von "Fußfesselsystem"

Der Heidelberger Sportrechtsexperte Michael Lehner pflichtete Brink bei und fordert Konsequenzen. "Das ist ein Fußfesselsystem, das eklatant gegen den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte verstößt und den gläsernen Athleten erschafft. Keine Frage, dass die Sportpolitik dagegen vorgehen muss", sagte Lehner.

Vesper widerspricht: "Mit der Politik sind wir uns einig, dass die Integrität des sportlichen Wettbewerbs das A und O ist - und dazu gehört ein funktionierendes Kontrollsystem."

DOSB-Aktivensprecher Christian Breuer äußerte sich zurückhaltend über den Schriftsatz und kritisiert auch Lösungsansätze. "Brink empfiehlt in seinem Werk, den Eingriff in die körperlichen Unversehrtheit, sprich die Blutabnahme, dem Eingriff in die Privatsphäre, der Urinabnahme, vorzuziehen. Da bin ich ganz anderer Meinung", sagte Breuer.

Mögliche Änderungen hält er für schwer umsetzbar: "Der Sport ist international, nicht auf Deutschland begrenzt. Wir sind eingebettet in ein weltweites System, nach dem wir uns zu richten haben."

Franke spricht NADA Kompetenz ab

Dopingjäger Werner Franke spricht genau deshalb der NADA die Kompetenz ab, in der kommenden Woche effektiv mit den Datenschützern verhandeln zu können. "Ich halte das für Schwachsinn. Die Dopingbekämpfung unterliegt der WADA, nicht der NADA. Die NADA ist nur ausführendes Organ", sagte der Molekularbiologe.

Er forderte: "Das Dopingsystem müsste sogar verschärft werden. Allein die Tatsache, dass zwischen 23 und 6 Uhr nicht kontrolliert werden darf, führt dazu, dass in dieser Zeit wie verrückt gedopt wird - tausendfach auf dem ganzen Globus."

Franke meint, dass Deutschland "zu den laschesten Anti-Doping-Ländern Mitteleuropas" gehöre: "Deutsche Sportler werden deshalb nicht in Deutschland, sondern im Ausland erwischt."

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