"Kill Bill" und Kölscher Karneval

Von Alexander Mey
Britta Heidemann hat im Fechten schon alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt
© Getty

Britta Heidemann ist Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin im Degenfechten. Sie hat alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. SPOX-Redakteur Alexander Mey hat sie vor Beginn der Fecht-WM in Paris im Selbstversuch zum Duell herausgefordert und eine hochinteressante Frau kennen gelernt.

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Da steht sie. Britta Heidemann, 1,80 Meter groß, wilde blonde Mähne. Sie trägt einen hautengen Lederdress, wirbelt ein Samurai-Schwert durch die Luft und ist von oben bis unten blutverschmiert.

SPOX in Action ist zurück. Selbstversuch Fechten. SPOX-Redakteur im Duell gegen die beste Fechterin der Welt. Eine Kriegerin, wenn man sie so sieht.

Zumindest im Video. Lederdress, Samurai-Schwert, blutverschmiert. So ist Heidemann nur im Making-of-Video eines Fotoshootings im "Kill Bill"-Style.

"Einer dieser Tage in meinem Leben, die unglaublich interessant waren. Ich hatte fünf verschiedene Kostüme an, alle maßgeschneidert. Ich glaube, viele Frauen wären total neidisch gewesen. Ich habe das volle Programm bekommen: Makeup, Fingernägel, Haare. Das waren zwei Tage komplettes Verwöhnprogramm mit ziemlich abgefahrenen Fotos."

VIDEO: "Kill Bill"-Fotoshooting mit Britta Heidemann

Olympiasiegerin, Weltmeisterin, Europameisterin

Heidemann lacht, als sie von dem Shooting erzählt. Diesmal allerdings nicht im Fotostudio vor einem blinkenden US-Muscle-Car. Diesmal in der Trainingshalle des Zentrums des Deutschen Fechterbundes in Bonn. Hier ist das Licht ganz und gar nicht geeignet für ein Fotoshooting. Es ist kalt, die ganze Halle ist kalt. Es sieht nach harter Arbeit aus.

Während einige ihrer Nationalmannschafts-Kolleginnen auf der Planche trainieren, sitzt Heidemann auf einer Turnbank, genau auf so einer, wie sie jeder aus dem heimischen Sportunterricht in der Schule kennt. Diese Bänke, auf denen immer die schlechten Sportler beim Wählen bis zum Schluss sitzen geblieben sind.

Das ist Heidemann bestimmt nie passiert. Sie war 2008 Deutschlands Heldin, als sie erst kompetent und charmant als Fremdenführerin aller TV-Sender durch die Olympiastadt Peking führte und dann auch noch die Goldmedaille im Degenfechten gewann, die alle von ihr erwartet hatten. 2007 war sie Weltmeisterin geworden, 2009 kam der EM-Titel dazu. Damit war sie die erste Fechterin aller Zeiten, die gleichzeitig alle drei Titel innehatte.

"Ich bin groß, meine Reichweite ist groß. Das passt perfekt zum Degenfechten", erklärt Heidemann ihren sportlichen Erfolg. Das allein kann es aber nicht sein. "Harte und disziplinierte Arbeit sind natürlich die Voraussetzung. Ich finde Strebsamkeit positiv, auch wenn es bei uns häufig im negativen Sinn verwendet wird."

Das komplette Interview mit Britta Heidemann im DVAG TeamBlog

"Fixierung auf eine Sache hat mich immer gelangweilt"

Heidemann mag es gar nicht, wenn man ihr ihre Strebsamkeit vorwirft. Typisch deutsch sei das. Und typisch deutsch denkt sie nicht, obwohl sie ist, was allgemein als typisch deutsch gilt: fleißig.

Genauer gesagt ein Multitalent. Heidemann ist neben dem Fechten studierte China-Expertin, freiberufliche Unternehmensberaterin, gern gesehener Gast in TV-Shows und auf Galas, Hobbymusikerin, Leseratte und auch noch leidenschaftlicher Familienmensch. Weltbeste Fechterin im Nebenjob, könnte man meinen, aber dem widerspricht Heidemann energisch.

"Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich in einzelnen Dingen besser bin, wenn ich noch andere Sachen nebenher mache. Ich könnte mit einer Fixierung auf nur eine Sache nicht glücklich sein. Das hat mich schon immer gelangweilt", sagt Heidemann.

Erster Fehler im Selbstversuch: Maske statt Helm

Jetzt muss sie sich aber doch für einen kurzen Moment auf eine Sache konzentrieren. Nämlich mir erklären, wie ich mich am besten in die Schutzweste der Fechter hineinzwänge, wie ich den Degen halten muss und dass der "Helm", wie ich ihn immer nenne, in Wahrheit eine Maske ist.

Ich sage es ein paar Mal falsch, sie verbessert mich ein paar Mal renitent. Eben hat sie noch locker über ihre Liebe zu Krimis und Historienromanen, zu Max Frisch und Albert Camus, aber auch zu den TV-Serien "Friends" und "Scrubs" gesprochen. Jetzt steht sie auf der Planche und ist plötzlich hochprofessionell. Fragt mich nach Posen und Einstellungen, die ich für die Fotos brauche. Dabei will ich doch einfach nur ein paar Minuten locker fechten.

Aber zuerst dann doch lieber ein paar Posen, um einige Fotos im Kasten zu haben. Man weiß ja nie bei dieser ganz und gar nicht "Kill Bill"-mäßigen Beleuchtung.

"Playboy"-Fotos, Parabelflug, DTM-Probefahrt

Posiert hat Heidemann übrigens auch schon einmal für den "Playboy". 2004 war das, vor all ihren großen Erfolgen. Reue? Nein, auch wenn sie es heute nicht mehr machen würde. "Zum damaligen Zeitpunkt und auch heute finde ich das völlig in Ordnung", sagt Heidemann. "Einziger Wermutstropfen an der Sache ist, dass wir nicht gedacht hätten, dass sich das Internet so rasant entwickelt. Die Fotos waren für diesen einen Monat im Heft gedacht, aber im Internet wird man sie nicht wieder los. Das ist echt nervig."

Heidemann lässt sich auf nichts reduzieren. Nicht auf die Fechterin, schon gar nicht auf das "Playboy"-Bunny. Das wäre eine Beleidigung, denn in Wahrheit ist sie eine hochinteressante Frau mit einem hochinteressanten Leben.

"Mein Leben ist auf jeden Fall sehr spannend, war es zum Glück schon immer. Als Kind bin ich mit meiner Familie schon sehr viel gereist", erzählt Heidemann. "Durch die Erfolge im Sport ist das in den letzten Jahren noch einmal auf eine ganz andere Ebene gehoben worden. Ich bekomme wegen meines China-Hintergrunds viele Anfragen aus Politik und Wirtschaft zu diesem Thema. Dazu kommen natürlich auch Einladungen zu einmaligen Erlebnissen wie zuletzt einem Parabelflug oder demnächst einer Taxifahrt im DTM-Auto. Das würde ich sonst alles nicht erleben."

Fazit: "Ich tue viel, erlebe aber dafür auch eine Menge. Das finde ich cool. Es macht mir Spaß, zum Beispiel zu Musical-, oder Kinopremieren zu gehen."

SPOX-Redakteur als Gegner ein Witz

Offensichtlich macht es ihr auch Spaß, mich auf der Planche so richtig nass zu machen. Ich fuchtele vielleicht nicht elegant, aber für meinen Geschmack doch ganz schön schnell und verwirrend mit dem Degen vor ihr herum, treffe aber kein einziges Mal.

Stattdessen piekst mir immer wieder irgendetwas in die Weste, kurz nachdem mein Degen wie von Geisterhand abgelenkt wurde. Eigentlich ist es Heidemanns Hand, die meinen Degen immer wieder locker weg schlägt und danach ihre Waffe auf meine Weste stößt. "Dabei verteidige ich doch nur", scherzt sie. Die Professionalität ist wieder Lockerheit gewichen. Ich bin als Gegner einfach ein Witz.

Auswandern nach China kommt nicht in Frage

Heidemann lacht überhaupt gerne und viel. Sie ist eine rheinische Frohnatur. In Köln geboren und sie lebt auch dort, wenn sie nicht gerade auf einer ihrer zahlreichen Reisen nach China ist. Manchmal privat, meistens aber geschäftlich. Im vergangenen Jahr war sie sechsmal dort.

"China ist ein unglaublich facettenreiches Land, das mich von Anfang an gepackt hat", erklärt Heidemann ihre Faszination. "Vieles ist anders. Vieles aber auch nicht so anders, wie wir hier in Deutschland gerne denken. Bei der rasanten Entwicklung, die das Land in den letzten Jahren durchmacht, hört es nicht auf, interessant zu sein."

Nicht, dass Deutschlands Fecht-Juwel irgendwann ganz auswandert. "Ich kann mir nicht vorstellen, meine Heimatstadt Köln auf Dauer zu verlassen. Zumindest nicht, solange meine Eltern noch dort leben", beruhigt Heidemann. "Ich bin sehr familien- und heimatverbunden. Jeder, der viel reist, braucht so eine Homebase."

"Ich muss mir schöne Dinge nicht schlecht reden"

Zu ihrer Heimatverbundenheit gehört auch, an Karneval mit den Roten Funken durch die Straßen und Festhallen zu ziehen und mit den "Höhnern" kölsche Lieder zu trällern. Heidemann ist ein positiver Mensch, nicht nur im Karneval.

"Ich kann glücklich sein, ohne mir viele Gedanken darüber zu machen. Ich muss mir schöne Dinge nicht schlecht reden", sagt sie und erklärt: "Wenn ich abends auf eine Veranstaltung gehe, dann sitze ich nicht schon vorher zu Hause und denke mir: 'Oh Mist, den ganzen Abend nur oberflächliche Gespräche.' Ich denke mir: 'Ein paar nette Leute werden schon da sei. Und wenn nicht, gibt es immer noch gutes Essen.' Das ist alles eine Frage der Einstellung. Sich eine gesunde Neugier auf Neues bewahren, das finde ich wichtig."

SPOX-Redakteur: Karriere-Ende auf dem Höhepunkt

Klingt beinahe weise - und das von einer 27-jährigen Frau. Ganz perfekt ist sie aber doch nicht. Denn ich habe sie getroffen. Ganz am Ende unseres ungleichen Duells. Sie blickt schon zur Uhr, weil sie den nächsten Termin hat, und feuert mich an: "Los, einen Treffer schaffst du noch!"

Und dann gelingt es mir tatsächlich. Ich selbst merke es gar nicht richtig, aber Heidemann senkt die Waffe, nickt kurz und bestätigt: "Das war ein Treffer." Das war's für mich. Ich beende meine Fecht-Karriere auf dem Höhepunkt.

Heidemann: Erst Olympia 2012, dann Mutter

Und Heidemann? "Ich kann nicht zur WM nach Paris fahren und sagen, dass ich als Fünfte glücklich bin. Natürlich will ich eine Medaille. Das große Ziel ist aber Olympia 2012 in London."

Und danach? "Das ist genau die Frage für mich. Mache ich nach 2012 noch vier Jahre weiter oder nicht? Ich habe ja jetzt schon neben dem Sport so viele spannende Projekte", sagt Heidemann.

Nur in einem ist sie sich sicher: "Auf jeden Fall bin ich in zehn Jahren Mutter."

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