Hopkins' Auftrag gegen seinen Teufel

Von Bärbel Mees
Bernard Hopkins war in vier verschiedenen Gewichtsklassen Box-Weltmeister im Mittelgewicht
© Getty

1993 verlor Bernard Hopkins gegen Roy Jones Jr.. Beide starten nach dem Kampf in außergewöhnliche Karrieren, werden zu Legenden. Doch die Niederlage gegen Jones lässt Hopkins nicht los. Er will die Revanche. Jetzt, 17 Jahre später, kommt es erneut zum Duell.

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Es ist der 22. Mai 1993. Ein regnerischer Tag in Washington D.C., der wohl keinem im Gedächtnis geblieben wäre, wenn nicht zwei spätere Legenden aufeinander getroffen wären: Roy Jones Jr. gegen Bernard Hopkins. Junge, talentierte Boxer, aber noch relativ unbekannt. Nicht sie sind die Sensation an diesem Abend im RFK Stadion, sondern der Hauptkampf mit Riddick Bowe.

Beide wollen ganz nach oben. Und an diesem Abend geht es um den vakanten IBF-Gürtel im Mittelgewicht. Der Kampf ist taktisch geprägt, geht über alle zwölf Runden. Am Ende hat Jones die besseren Nerven und gewinnt einstimmig nach Punkten.

Danach trennen sich die Wege der beiden Boxer. Jahrelang wird von den Fans ein Refight gefordert, und doch gibt es lange keine Einigung. Jetzt, 17 Jahre später sind alle Hürden genommen: Es gibt die Revanche (So., 3 Uhr auf Sky). Endlich.

Beide haben lange darauf gewartet, beide haben eine beachtliche Karriere hingelegt, gehörten in den 90er Jahren neben Oscar de la Hoya, Lennox Lewis und Floyd Mayweather zu den besten Boxern der Welt, beide sind zu Legenden geworden. Und doch könnten sie unterschiedlicher nicht sein.

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Fünf Jahre im Knast

Bernard Hopkins wächst als eines von acht Kindern in Philadelphia auf. Die Stadt des Boxens, aber auch eine Stadt voller Kriminalität. Als er 13 Jahre alt ist wird er in der U-Bahn überfallen und kassiert einen Messerstich.

Haarscharf geht die Waffe an seinem Herz vorbei und punktiert die Lunge. Sechs Monate liegt Hopkins im Krankenhaus. Nicht sein erster und letzter Kontakt mit der kriminellen Szene.

"Entweder bist du ein Wolf oder ein Lamm", sagt er später über seine Jugend. Als Heranwachsender rutscht er selbst ab, klaut Halsketten und Geld. Mit 17 landet er im Knast - für knapp fünf Jahre.

"Ich sah viele Dinge im Knast, die nicht für nette Unterhaltungen geeignet sind." Unter anderem den Mord an einem Mithäftling - und in seinem Kopf legt sich ein Schalter um.

Lebenswandel setzt ein

1988 wird er entlassen, nach 56 Monaten hinter Gittern. Inzwischen ist er 23 - und zum ersten Mal in seinem Leben weiß er, was er will.

Er konvertiert zum Islam, verdient sich seinen Lebensunterhalt als Koch und fängt an zu boxen. Noch im selben Jahr bestreitet er im Leichtgewicht seinen ersten Profikampf - und verliert.

18 Monate dauert es anschließend, bis er wieder motiviert genug ist, um es erneut zu probieren. Diesmal ist er besser vorbereitet. Er besiegt Greg Paige und gewinnt danach noch 21 weitere Male.

15 Kämpfe enden durch K.o., elf davon in der ersten Runde. Dann kommt der Kampf gegen Roy Jones an jenem regnerischen Tag im Mai 1993.

Er bleibt ein Provokateur

Er verliert und muss sich erneut hochboxen. Seinen USBA-Gürtel verteidigt er dreimal und erhält 1994 erneut die Chance, um den vakanten Mittelgewichtsgürtel der IBF zu kämpfen.

Diesmal geht es gegen Segundo Mercado. Er erreicht ein Unentschieden, gewinnt den Rückkampf und verteidigt den Gürtel anschließend zwölf weitere Male. 2001 vereinigt er ihn nach einem Sieg über Keith Holmes mit dem WBC-Gürtel.

Doch trotz des sportlichen Erfolges und dem Wandel im Knast - er bleibt ein Provokateur. Beim Kampf gegen Felix Trinidad, den er überrascht gewinnt, trampelt er auf der Flagge Costa Ricas rum, nennt seinen Gegner einen Terroristen. Bei den gebeutelten Amerikanern, die kurz zuvor den Terroranschlag verkraften mussten, kommt das nicht gut an.

Karriere wie Achterbahnfahrt

So wie die Sympathien für ihn auf- und abschwellen ist auch seine Karriere eine Achterbahnfahrt. Zwar gewinnt er gegen Oscar de la Hoya und holt sich den WBO-Gürtel, doch verliert er anschließend zweimal gegen Jermain Taylor. Das reicht ihm. 2005 tritt er zurück und steht ein Jahr später doch wieder im Ring: Er unterliegt Joe Calzaghe, gewinnt gegen Kelly Pavlik.

Doch eins lässt ihn nicht los: Er will die Revanche gegen Jones. Millionenmal hat er sich seine Niederlage von 1993 auf Video angesehen, immer und immer wieder. "Der Fight ist mir sehr wichtig, denn er ist sehr persönlich. Für mich ist es eine Erlösung. Ich habe viele Jahre darauf gewartet und habe viel auf mich genommen, um das nun abzuschließen", sagt Hopkins.

In der Kindheit verprügelt

Anders sein Erzrivale Roy Jones. Zwar brennt auch er auf einen Refight, doch geht es für ihn darum, zu demonstrieren, dass sein Sieg von damals auch heute noch Bestand hat. Und auch er ist einen langen Weg gegangen, um dort zu stehen, wo er jetzt ist.

In Pensacola geboren, steht er schon früh unter der Fuchtel seines cholerischen Vaters. Roy Sr. brüllt ihn an, macht ihn zur Schnecke und schlägt zu. Manchmal 20 Minuten lang.

"Nach einer Weile war es mir egal, ob ich verletzt werde oder sogar sterbe. Mir hat immer alles wehgetan. Ich hatte sehr viel Angst vor meinem Vater. Es gab keine Flucht, keine Entschuldigung, keinen Ausweg. Zu sterben wäre vielleicht besser gewesen, als so ein Leben zu führen, wie ich es damals hatte. Ich habe oft daran gedacht, mich umzubringen." Und er fügt an: "Wegen meinem Vater kümmert mich nichts mehr. Nichts kann härter oder schlimmer sein, als das, was ich schon erlebt habe."

Eklat bei Olympia

Auch beim Boxen hat sein Vater ein wachsames Auge auf ihn. Aber im Ring ist Jones auf sich allein gestellt und blüht auf. 1986 gewinnt er die Golden Gloves im Halbweltergewicht, ein Jahr später im Weltergewicht.

1988 fährt er mit 19 Jahren als Mitglied der amerikanischen Mannschaft zu den Olympischen Spielen nach Seoul.

Ohne eine Runde zu verlieren schafft er es bis ins Finale - und trifft auf den Lokalmatador Si-Hun Park. Jones dominiert den Fight, zweimal wird der Südkoreaner angezählt, und doch entscheiden die Kampfrichter am Ende 3:2 für Park. Bis heute eines der krassesten Fehlurteile im Amateur-Boxen. Wie sich später herausstellt, war Bestechung im Spiel.

Nach den Olympischen Spielen wechselt Jones ins Profiboxen und gewinnt 17 Kämpfe in Folge, alle durch K.o. 1993 besiegt er Hopkins, doch sein Durchbruch kommt erst ein Jahr später. Im Supermittelgewicht holt er sich gegen James Toney den Weltmeistergürtel. Ab da geht es rasant.

Boxen, Filme und Musik

Doch trotz aufstrebender Karriere hat er noch Zeit für einen Kurzauftritt im Film "Im Auftrag des Teufels". Nicht sein einziger Ausflug in die Filmwelt. Einige Jahre später spielt er die Rolle des Captain Ballard in der Matrix-Trilogie, gründet zudem seine eigene Band und veröffentlicht ein Album mit Rapsongs.

Mehrgleisig fahren? Für ihn kein Problem. Mitte der 90er ist er im Ring dermaßen dominant, dass er ein paar Stunden vor dem Kampf gegen Eric Lucas noch bei einem semiprofessionellen Basketballspiel mit auf dem Feld steht.

Erst nach 34 Kämpfen muss er seine erste Niederlage einstecken - und das auf kuriose Weise: Gegen Montell Griffin will er seinen WBC-Gürtel zum ersten Mal verteidigen. Und alles läuft nach Plan: Griffin geht k.o., aber Jones wird disqualifiziert, weil er dem zu Boden gehenden Gegner noch einen Punch hinterherschickt.

Die Niederlage wurmt ihn. Er will die Revanche und bekommt sie. Den Rückkampf ein paar Monate später gewinnt er deutlich. Damit sind die Verhältnisse wieder gerade gerückt. 2003 besiegt er John Ruiz im Schwergewicht, gewinnt damit in der vierten Gewichtsklasse einen WM-Gürtel und besiegt anschließend Antonio Tarver im Halbschwergewicht. Doch dieses Mal war seine Performance schwach. Er will zeigen, dass er es noch besser kann, lässt sich auf einen weiteren Fight ein - und verliert.

Teil zwei des Duells

Der Mythos der Unbesiegbarkeit ist zerstört, die Niederlagen häufen sich, es geht abwärts. Ein zweites Duell mit Bernard Hopkins kommt ins Gespräch. Doch zuvor wartet Danny Green.

Im Dezember 2009 reist er nach Australien, steigt gegen Green in den Ring - und wird erneut geschlagen. Und wie. Nach 122 Sekunden und einem Niederschlag wird er aus dem Kampf genommen. Die Deklassierung einer Legende tut selbst seinem Gegner leid.

"Ich fühle mich fast schlecht dabei, dass ich jemandem, den ich bewundere, so wehgetan habe. Er ist einer der größten Kämpfer aller Zeiten, eine verdammte Legende!" Und Jones? "Ich suche nicht nach Entschuldigungen. Es war einfach eine großartige Vorstellung von Danny", gibt er zu.

Jetzt also der Kampf gegen Hopkins. Teil zwei des Duells zwischen den ewigen Rivalen, inzwischen ist Hopkins 45, Jones 41 Jahre alt. Ein Alter, indem die meisten Boxer längst zurückgetreten sind. Nicht die beiden. Es geht ihnen nicht nur um das Geld und auch nicht nur um das Begleichen einer offenen Rechnung. Es geht auch darum, sich selbst etwas zu beweisen. 17 Jahre nach dem regnerischen Tag in Washington.

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