"Ich profitiere von Nowitzkis Absage"

Von Interview: Haruka Gruber
Jan Jagla bei der EM: 12,3 Punkte, 30 Prozent Dreierquote und 7,7 Rebounds
© Getty

Er galt als unkonstanter Softie - doch plötzlich ist Jan Jagla Deutschlands neuer Basketball-Held. Der 28-jährige Power Forward über den Krimi gegen Lettland, seine Nervenstärke, eine Zukunft in der NBA, Supertalent Robin Benzing und das Griechenland-Spiel (Freitag, 18 Uhr im LIVE-TICKER).

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SPOX: Drei Tage, drei Partien, drei Krimis. Sind Sie emotional genauso erschöpft wie der deutsche Basketball-Fan?

Jan Jagla: Das waren wirklich super Spiele, die andererseits natürlich ermüdend waren. Aber den Ruhetag mit der Busüberfahrt nach Bromberg und einmal gut schlafen sollte reichen, um wieder fit gegen Griechenland (Freitag, 18 Uhr im LIVE-TICKER) in die Zwischenrunde zu starten...

SPOX: ... die Deutschland dank Ihnen erreicht hat. Waren die Spiele gegen Russland und Lettland die besten Ihrer Karriere?

Jagla: Auf so einer großen Bühne - und das auch noch im deutschen Trikot - habe ich tatsächlich noch nie so gut gespielt. Für Joventut waren letzte Saison auch schon Spiele dabei, in denen mir wichtige Körbe gelangen, aber das ist schon etwas anderes.

SPOX: Haben Sie nach dem Auftritt gegen Lettland, als Ihnen in der Schlussphase innerhalb von drei Sekunden ein Dreier, zwei Freiwürfe und ein Rebound gelangen, Ihren Ruf als unkonstanter Softie abgelegt?

Jagla: Dieses Schubladendenken hat mich noch nie interessiert. Für die einen bin ich ein guter Basketballer, für die anderen ein Anti-Basketballer. Mit so etwas habe ich mich aber nie beschäftigt. Und wer nach der EM nicht weiß, wie der echte Basketballer Jagla ist, dem kann ich auch nicht helfen.

SPOX: Aber es ist auffällig, dass Sie sich in diesem Jahr nicht so schnell verunsichern lassen und selbst nach mehreren erfolglosen Würfen in der Defensive entschlossen zum Rebound gehen.

Jagla: Ohne Frage, in den letzten beiden Jahren habe ich mich weiterentwickelt. Bei Joventut war ich nie die erste Option, daher musste ich lernen, wie man etwas zum Erfolg beiträgt, ohne zu punkten.

SPOX: Von Dirk Nowitzkis Absage waren Sie wohl am meisten betroffen. Sie stehen in der Starting Five und sind plötzlich die erste Option. Profitieren Sie auch am meistern durch Nowitzkis Fehlen?

Jagla: Ganz sicher profitiere ich davon. Es ist ein Riesenunterschied, wenn Dirk nicht dabei ist - vor allem für mich. Das ist das erste Mal ohne ihn und wohl wie kein anderer im Team war ich dazu gezwungen, mein Spiel umzustellen. Als Leistungsträger muss man anders auftreten als wie ein Backup.

SPOX: Was sich darin zeigt, dass Sie häufig sehr früh Würfe nehmen, obwohl die Angriffssysteme noch gar nicht gelaufen wurden. Gab Ihnen Bundestrainer Bauermann ähnlich wie Nowitzki die Lizenz zum Schießen?

Jagla: Nein, es gehört nicht zum Plan des Coaches. Aber es war schon immer mein Spielstil, manchmal einen Tick zu früh abzuschließen. Das lässt mich nicht los. Es heißt ja: Wer trifft, hat Recht. Leider hatte ich schon häufiger Unrecht (lacht).

SPOX: Gegen Griechenland treffen Sie mit Ex-NBA-Spieler Antonis Fotsis ebenfalls auf einen wurffreudigen Gegenspieler. Kommt das Ihnen gelegen?

Jagla: Für mich ist das Matchup von Vorteil. Ich bevorzuge es, auf weniger physische und etwas langsamere Spieler wie Fotsis zu treffen. Er müsste mir liegen. Die Letten waren doch vom anderen Schlag.

SPOX: Womit vor allem Patrick Femerling Probleme hatte.

Jagla: Für ihn war es kein einfaches Spiel. Er hat sich früh im Gesicht verletzt und die Letten haben danach weiter daran festgehalten, mit ihrer überharten Gangart Patrick zu verunsichern.

SPOX: Was auch gelang.

Jagla: Aber ich bin mir sicher, dass sich Patrick gegen Griechenland wieder von der besten Seite zeigen wird. Er ist nach dem schweren Jahr wieder topfit und hat zu Beginn des Turniers bewiesen, dass er für jeden europäischen Topverein eine Bereicherung wäre. Es war richtig, auch ohne Klub mit 34 Jahren weiterzumachen und ins DBB-Team zurückzukehren.

SPOX: Stimmt der Eindruck, dass Frontcourt-Kollege Tim Ohlbrecht ähnlich eingeschüchtert auftritt wie zuletzt Femerling?

Jagla: Für einen jungen Spieler wie Tim ist es sehr schwierig, sich auf die verschiedenen Einsatzzeiten einzustellen. Er lebt vom Selbstvertrauen, und wenn er mal zwei, drei gute Aktionen in Serie hat, kann sich eine Eigendynamik entwickeln.

SPOX: Debütant Heiko Schaffartzik überzeugt hingegen. Wegen seines spektakulären Stils entwickelt sich in Deutschland sogar ein kleiner Hype. Haben Sie erwartet, dass er so selbstbewusst auftritt?

Jagla: Ich kenne Heiko schon seit einigen Jahren. Mein kleiner Bruder hat mit ihm in der B- und A-Jugend gespielt. Schon damals war offensichtlich, wie talentiert er ist. Von daher habe ich nichts anderes von ihm erwartet. Er ist der Typ dafür, die wichtigen Würfe zu nehmen.

SPOX: Das DBB-Team hat mit dem Zwischenrunden-Einzug bewiesen, dass in Deutschland Hoffnungsträger heranreifen. Fühlen Sie sich im Nachhinein darin bestätigt, den BBL-Klubs vorzuwerfen, dass sie jungen deutschen Spielern zu wenige Chancen einräumen?

Jagla: Absolut. Schade ist nur, dass ich für meine Anmerkungen gleich wieder kritisiert wurde. Aber das passt zur BBL.

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SPOX: BBL-Präsident Thomas Braumann meinte, dass Sie gemessen an Ihrer Klasse zuviel Geld verlangen würden und sich daher die Klubs auch keinen deutschen Nationalspieler wie Sie leisten könnten.

Jagla: Dabei habe ich überhaupt nicht über mich gesprochen. Es ist ja nicht so, dass ich Tübingen anrufe und 500.000 Euro Gehalt verlange. Mir ging es darum, an die Liga zu appellieren, mehr Wert auf die Jugendförderung zu legen und das Geld nicht für billige Amerikaner rauszuschmeißen.

SPOX: Wenn die deutschen Spieler aber zu teuer oder zu unbegabt sind?

Jagla: Nehmen wir Robin Benzing. Er hat garantiert keine Wahnsinnssummen gefordert und mit Ulm glücklicherweise einen neuen Verein gefunden. Was aber vielen nicht klar ist: Es gibt Potenzial in Deutschland. Beispielsweise ist für mich Robin das größte Basketball-Talent Europas - von meinem Ex-Mitspieler Ricky Rubio mal abgesehen, den ich aber nicht dazuzähle, weil er nach vier Saisons in der ersten spanischen Liga schon zu den bewährten Profis gehört.

SPOX: Soll sich Deutschland an Spanien ein Vorbild nehmen?

Jagla: Definitiv. Die spanische Liga hat durchgesetzt, dass nur zwei US-Amerikaner pro Kader verpflichtet werden dürfen. Mehr noch: Ein Verein wie Joventut, der finanziell nur über begrenzte Mittel verfügt, hat einen offenen Platz sogar mit dem 20-jährigen Christian Eyenga aus der Demokratischen Republik Kongo besetzt, statt ihn einem Amerikaner zu geben, weil man junge Spieler fördern will. In Deutschland findet nicht einmal ein Dirk Mädrich, der zu den Besten hierzulande gehört, einen Klub. Das ist typisch.

SPOX: Sie hingegen werden nach der EM wohl kein Problem haben, einen neuen Klub zu finden.

Jagla: Es gingen Angebote ein. Aber das richtige war noch nicht dabei. Ich schaue nicht aufs Geld, vielmehr ist die Perspektive entscheidend. Das hat bisher nicht gepasst. Mir geht es darum, für das nächste Jahr bei einem Team zu unterschreiben, dass ambitioniert ist und auf einem hohen Niveau mithalten kann.

SPOX: Letztes Jahr wurden Sie von den Toronto Raptors zum Trainingscamp eingeladen. Ist die NBA eine Option?

Jagla: Ja, eine kleine, ich will es nicht ausschließen. Ich möchte eigentlich schon in Europa bleiben, wo ich einen gewissen Stellenwert habe. Aber mein Agent Mark Bartelstein hat auch in die NBA hervorragende Kontakte. Wenn aus Europa nichts Vernünftiges kommt, würde er sich womöglich nach offenen Plätzen in der NBA umsehen.

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