Harting im Goldrausch!

Von SPOX
Robert Harting wurde in Berlin zum ersten Mal Diskus-Weltmeister
© Getty

Nach dem Gold für Steffi Nerius ließ Robert Harting im Berliner Olympiastadion beinahe das Dach wegfliegen. Im letzten Versuch holte sich der Lokalmatador nach einem dramatischen Wettbewerb die Goldmedaille. Im 800-Meter-Rennen der Frauen siegte Caster Semanya und heizte damit die Spekulationen um ihre Person weiter an. Die deutschen Zehnkämpfer schlugen sich am ersten Tag durchaus beachtlich. Vor allem Pascal Behrenbruch liegt noch gut im Rennen.

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Robert Harting ließ das Olympiastadion bei seinem Goldwurf im Diskusring Beben.

32.000 Zuschauer waren vor Begeisterung aus dem Häuschen, als der Lokalmatador am fünften WM-Tag im letzten Versuch mit zuvor von ihm nie erzielten 69,43 m am Tag nach Steffi Nerius das zweite deutsche Gold gewann.

"Ihr habt ordentlich abgerockt"

Danach zerriss er sein Trikot, schnappte sich die Deutschland-Fahne und drehte im Jubelbad der Menge seine Ehrenrunde. "Danke, ihr wart absolut toll. Ihr habt ordentlich abgerockt", rief er dem Publikum zu.

Dann meinte Harting: "Bis morgen Abend werde ich nicht schlafen, ein bisschen Geld investieren und die Sau rauslassen. Für die Nummer mit den Doping-Opfern entschuldige ich mich ausdrücklich", meinte Harting nach seinem großen Sieg und widmete das Gold einem Sponsor: "Der hatte mich unter Vertrag genommen und ist zwei Monate später gestorben."

Kreislaufprobleme bei Harting

Auf der Tribüne vollführte Trainer Werner Goldmann, der nach der Entlassung wegen seiner Doping-Vergangenheit wieder vor der Einstellung beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) steht und Harting in Berlin offiziell betreute seinen Freudentanz, konnte das Glück kaum fassen.

"Die Silbermedaille von Osaka ist nicht genug, ich will mehr", hatte Harting angekündigt, der 2008 im Olympiafinale von Peking als Vierter leer ausgegangen war.

Nach dem Coup meinte er: "Ich wollte unbedingt diesen Polen schlagen. Ich wäre aber am Ende fast zusammengefallen. Solche Kreislaufprobleme hatte ich schon lange nicht mehr."

Harting bleibt cool

Vor heimischer Kulisse siegte der 24-Jährige nach dem konträren Rezept von Steffi Nerius, die am Vortag die Konkurrenz im
ersten Versuch k.o. geworfen hatte. Dieses Nerius-Programm schien auch schon dem Polen Piotr Malachowski gelungen zu sein, dessen neue Bestleistung von 68,77 m alle außer Harting beeindruckte.

Doch obwohl der Olympiazweite im fünften Durchgang den Landesrekord auf 69,15 m steigerte, konterte Harting ganz cool.

Am Vortag hatte der 24-Jährige einmal mehr mit seiner Verbal-Attacke gegen den Verein der Doping-Opfer für Aufsehen gesorgt.

Dann ruderte er in einem Gespräch mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), der Harting nach der WM noch einmal zur Klärung einbestellt zurück.

Großer Verlierer des Diskus-Finals war Estlands Olympiasieger Gerd Kanter, dem mit 66,88 m nur Bronze blieb. Ganz leer ging Litauens zweimaliger Olympiasieger Virgilijus Alekna aus, der mit 66,36 m auf dem vierten Platz landete.

Semenyas Sieg mit Beigeschmack

Die anderen großen Sieger waren über 100 m Hürden Brigitte Foster-Hylton in 12,51 Sekunden mit Jamaikas drittem Gold, über 1500 m Yusuf Saad Kamel (3:35,93), dessen Vater Billy Konchellah1987 und 1991 für Kenia 800-m-Weltmeister war, mit dem ersten Berliner und insgesamt schon vierten WM-Gold für Bahrain sowie über 800 m der Frauen Caster Semenya (Südafrika) in der Jahres-Weltbestzeit von 1:55,45 Minuten.

Stunden vor dem Finale war bekannt geworden, dass der südafrikanische Leichtathletik-Verband vier medizinische Experten eingesetzt hat, um das Geschlecht der 2009 in 1:56,72 kometenhaft in der Weltspitze des 800-m-Laufs der Frauen aufgetauchten Caster Semenya endgültig zu klären.

Vor dem Finale stand nicht fest, ob die 18-Jährige unwissentlich innere männliche Geschlechtsorgane hat und somit in Berlin nicht hätte starten dürfen.

Behrenbruch mit Chance auf Bronze

Am Tag vor dem Hochsprung-Finale mit Goldhoffnung Ariane Friedrich wahrte deren Klubkamerad Pascal Behrenbruch (LG Frankfurt) im Zehnkampf seine Chance auf Bronze und 8450 Punkte. Die Basis dazu legte der EM-Fünfte durch starke 2,02 m im Hochsprung.

Der Tag hatte wenig verheißungsvoll begonnen für das deutsche Team. Mit dem ersten Wurf der Diskus-Qualifikation wurde Franka Dietzsch um 11.49 Uhr beim zehnten WM-Start seit 1991 zusammen mit Portugals Geherin Susana Feitor zwar zur Rekordteilnehmerin.

Dietzsch scheidet früh aus

Mit ihrem letzten Wurf 36 Minuten später war um 12.25 Uhr das Ende einer grandiosen Karriere besiegelt: Nach drei WM-Titeln 1999, 2005 und 2007 scheiterte die 41-Jährige mit schwachen 58,44 m als 26. um 14 Plätze oder 1,65 m am Vorstoß ins Diskus-Finale am Freitag.

"Jetzt ist es vorbei. Eine Medaille war nicht in Reichweite, aber ich kann mehr, darum bin ich unendlich enttäuscht, aber irgendwie auch erleichtert", sagte die 41 Jahre alte Grande Dame der deutschen Leichtathletik, nachdem nur die 18 Jahre jüngere deutsche Meisterin Nadine Müller (Halle-Saale/61,63) das Finale erreicht hatte.

Nun bestreite sie noch zwei, drei kleine Wettkämpfe in Deutschland, "aber international starte ich nicht mehr."

Hering hatte Spaß

Ein Jahr nach seinem überraschenden fünften Rang bei Olympia erreichte der Dresdener Raul Spank mit 2,30 m das Hochsprung-Finale am Freitag (19.15 Uhr). Den 100-m-Hürden-Endlauf verpasste dagegen Carolin Nytra (Bremen) und war enttäuscht über Rang fünf und 12,94 Sekunden. "Ich war mir sicher, dass es zu mehr reichen würde."

Für die Jenaer Sprinthoffnung Robert Hering war mit Rang fünf in guten 20,52 Sekunden Endstation im 200-m-Halbfinale mit Jamaikas Dreifach-Weltrekordler Usain Bolt (20,08).

"Ich bin sehr zufrieden, gehe optimistisch ins nächste Jahr. Es war sehr interessant gegen Bolt zu laufen und zu sehen, wie er sich vorbereitet", meinte der 19-Jährige.