"Ich bin ein Kamel"

Von Christian Bernhard
Wurden bei der WM zu guten Freunden: Maskottchen Berlino und Usain Bolt
© Getty

Die WM ist tot, es lebe die WM. SPOX lässt die Titelkämpfe in Berlin nochmal Revue passieren. Mit dabei: Die Liebesbeziehung der WM, ein Kamel, die Sache mit dem Stab und ein Dixi-Klo.

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Das muss Liebe sein: Jamaikanische Wundersprinter, afrikanische Ausdauer-Legenden oder deutsche Werfer? Nein, Maskottchen Berlino war der heimliche Star der WM. Er feierte ausgelassen mit Steffi Nerius, ließ sich von Robert Harting durch die Arena tragen - und fand ganz nebenbei einen prominenten Freund. Ein jamaikanischer Sprinter namens Usain Bolt lief nach ersten schüchternen Annäherungsversuchen schließlich mit der T-Shirt-Aufschrift "Ich bin ein Berlino" ins Stadion ein. Berlino konterte mit "Ich bin ein Bolt" auf seinem bärigen Bauch. Love was in the air...

Die Sache mit dem Stab: Mit den Staffeln ist das ja so eine Sache: Es gewinnt nicht immer unbedingt das schnellste Quartett, denn da gibt es ja so was wie die Stabübergabe. Das könnte man vorher üben, muss man aber nicht - am besten einfach mal beim US-Team nachfragen. Die 4x100m-Staffel der Herren ließ den Stab fallen und schied im Halbfinale aus, die Frauen setzten sogar noch einen drauf: Übergabe misslungen und ... verletzt. Wie es geht, machten die Kollegen und -innen der 4x400m-Staffeln vor: da holten die USA beide Goldmedaillen.

So nicht, IAAF! Keine(r) konnte Caster Semenya den Titel "Aufreger der WM" streitig machen - auch nicht Hartings "Doping-Brillen-Eskapade". Männlein oder Weiblein, so lautete die Frage bei der Südafrikanerin, die ihre Konkurrenz im 800m-Finale in Grund und Boden lief. Egal, wie die Geschichte endet: Die 18-Jährige kann einem leid tun. Die IAAF hätte das ganze Tohuwabohu verhindern können bzw. sollen - mit einem klärenden Test VOR der WM.

1, 2, 3, Hooker: Hätte es einen WM-Steckbrief zu jedem Teilnehmer gegeben, wäre bei Steven Hooker unter Lebensmotto wohl "weniger ist oft mehr" gestanden. Der australische Stabhochspringer holte sich im Finale mit nur einem gelungenen Sprung den Titel - das war selbst Legende Sergej Bubka nicht gelungen. Insgesamt absolvierte er ganze drei Sprünge bei der WM, der Mann hat eben gute Nerven. Eine Überdosis Coolness war aber nicht der wirkliche Grund seines Tuns: eine Oberschenkelverletzung machte dem Olympiasieger zu schaffen, deshalb die riskante Variante. Der Plan ging auf, Hooker jubelte. Starkes Ding!

Große und kleine Helden: Bei Großereignissen werden ja gerne Helden geboren. Jennifer Oeser verdiente sich diesen Titel auf beeindruckende Art und Weise. Beim abschließenden 800m-Lauf der Siebenkämpferinnen stürzte sie und schien Edelmetall bereits verloren zu haben. Jenny zündete aber den Turbo und lief noch zu Silber. Hut ab, die 21.000-Dollar-Prämie hatte sie sich alleine dafür mehr als nur verdient. Und dann gibt es noch die kleinen, unscheinbaren Helden. So wie die Schweizerin Linda Züblin. Die Siebenkämpferin feierte ihren weitesten Kugelstoß ausgelassen wie einen WM-Sieg - dabei war er "nur" bei 13,16m gelandet. Das bedeutete persönlichen Rekord. Es sind eben die kleinen Freuden, die das Leben so besonders machen.

Keiner mag den "Salto nullo": In nicht so guten Erinnerungen wird das Olympiastadion bei Jelena Isinbajewa und Irving Saladino bleiben. Beide waren als Mitfavoriten angetreten, beide hatten drei ungültige Versuche im Finale. "Salto nullo" nennt man das in der Fachsprache - die Stabhochspringerin und der Weitspringer hätten nur allzu gerne darauf verzichtet, dass diese durchaus blumig klingende Wortkombination gerade bei einer WM mit ihnen in Zusammenhang gebracht wird.

Entscheidung im Dixi-Klo: Menschliche Grundbedürfnisse machen auch nicht vor Hochleistungssportlern halt - auch nicht während der Arbeit. Denis Nischegorodow lag beim 50km-Gehen der Männer in Führung, wollte bzw. musste dann aber ein Dixi-Klo von innen studieren. Als er seine Sitzung beendet hatte, lag er 25 Sekunden hinter der Spitze. Später gab er das Rennen dann auf. Merke: Auf dem Sch...-Haus ist noch keiner Weltmeister geworden.

Dem Kamel entkommt keiner: Tiere sind ja bekannterweise bei Weltmeisterschaften nicht zugelassen. Da messen sich nur die besten "homo sapiens" unseres Planeten. Über 1500m gewann aber trotzdem ein Kamel den Titel. Wie ging das? Und was würde wohl Charles Darwin dazu sagen? Na gut, das Kamel hört auf den Vornamen Yusuf Saad und ist in Bahrain beheimatet. Geboren wurde es in Kenia - der Name kommt also nicht ganz von ungefähr. Wieso ist Berlino eigentlich nicht mit "Ich bin ein Kamel" auf der Brust rumgelaufen? PS: Wen's interessiert: Kamels vollständiger Name wird im Arabischen übrigens so geschrieben: يوسف سعد كامل

Bolts Berliner Mauer: Klar, Usain Bolt war der größte Stern am Berliner Leichtathletik-Firmament. Dreimal Gold und zweimal Weltrekord - vereint mit den Qualitäten eines Showmasters: Der Jamaikaner rockte das Olympiastadion, wie es selbst Marcelinho in seinen besten Hertha-Zeiten nicht zustande brachte. Wissenschaftler fanden heraus, dass er bei seinem 200m-Weltrekord die zweiten 100m in 9,27s absolvierte. Nicht ganz schlecht... 333.000 Dollar Preisgeld nimmt der 23-Jährige aus Berlin mit - und ein drei Tonnen schweres Mauerstück, das ein Künstler für ihn bemalt hatte. Geliefert wird das gute Stück mit dem Schiff - Berlins OB Klaus Wowereit setzte sich persönlich dafür ein. Aber mal ganz ehrlich: Was soll der Bolt mit dem Stück Mauer?

Den Werfern sei ein Trullala: Was haben uns die deutschen Werfer für eine Freude bereitet: Nerius und Harting warfen ihre Arbeitsgeräte zu Gold, Betty Heidler absolvierte einen Wettkampf, der mit "Konstanz auf höchstem Niveau" immer noch nicht zur Genüge gewürdigt ist. Nur weil die Polin Anita Wlodarczyk einen Weltrekordwurf auspackte, blieb Heidler Gold verwehrt. Ebenfalls eine große Show bot die Hochsprung-Abteilung mit Ariane Friedrich und Raul Spank. Friedrichs "Welt-Rakete" zündete zwar nicht ganz, die Freude über die Medaille war aber wie bei Spank grenzenlos. So muss eine Weltmeisterschaft sein.

What's next, Usain? Ganz zum Schluss nochmal zurück zu Bolt und zur Frage, was der Jamaikaner so mit seiner Zukunft anstellt. Bleibt er bei den Sprintstrecken oder will er sich den 400m-Weltrekord von Michael Johnson holen? Vielleicht gibt es da aber noch eine Möglichkeit. Bolt kündigte nämlich an, dass er sich gern im Weitsprung ausprobieren würde! Carl Lewis und Jesse Owens sind ja auch gesprungen. Wie weit kann ein Marsmensch wohl springen? 9 Meter? 9,58 Meter?

Berlin hat alle begeistert