"Bayer ist ein cooler Typ"

Von Interview: Philipp Dornhegge
Wenn Dwight Phillips in Topform ist, führt der Weg zum WM-Gold nur über den Amerikaner
© Getty

Dwight Phillips ist der beste Weitspringer der Welt. Er war Weltmeister, Olympiasieger und hat mit 8,74 m die fünftbeste Weite aller Zeiten auf dem Konto. Doch etwas fehlt dem US-Amerikaner noch zum totalen Glück: Der Weltrekord.

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Den Weltrekord will Phillips am liebsten schon in Berlin brechen. Damit würde er nicht nur erneut Weltmeister werden, sondern auch allen Kritikern das Maul stopfen, die ihn schon abgeschrieben hatten.

Bei SPOX spricht der 31-Jährige über seinen Traum, das Karriereende und den deutschen Shootingstar Sebastian Bayer.

SPOX: Die Weltmeisterschaft in Berlin steht vor der Tür. Wie bereiten Sie sich in den Tagen unmittelbar vor dem Event vor?

Dwight Phillips: Ich trainiere derzeit nur jeden zweiten Tag. In dieser Phase geht es vor allem darum, Verletzungen zu vermeiden und die Feinheiten zu optimieren.

SPOX: Sie haben als Leichtathlet mit dem Sprint angefangen, sind dann zum Dreisprung gekommen und erst anschließend zum Weitsprung. Sagen Sie...

Phillips: ...Eigentlich habe ich mit Weitsprung lange vor dem Dreisprung angefangen!

SPOX: Oh, dann habe ich wohl falsche Informationen eingeholt.

Phillips: Ich weiß auch nicht, warum das bei allen Quellen durcheinander gebracht wurde und sich keiner darum kümmert, das zu korrigieren. Aber Fakt ist: Weitsprung mache ich schon sehr lange.

SPOX: Darf ich also annehmen, dass es Ihre Lieblingsdisziplin ist?

Phillips: Nein, eigentlich waren das immer die 400 Meter. Die bin ich in der High School und auch in den ersten Jahren im College gelaufen, bevor ich den Weitsprung für mich entdeckt habe.

SPOX: Haben Sie auch andere Sportarten ausprobiert?

Phillips: Basketball war meine erste große Liebe. Von allen Mannschaftssportarten ist das der beste Sport. Leider kann ich es mir heute nicht mehr leisten zu spielen - wegen der Verletzungsgefahr.

SPOX: Zurück zur WM: Wer ist Ihr härtester Gegner in Berlin: Godfrey Mokoena aus Südafrika, Irving Saladino aus Panama - oder vielleicht sogar Sebastian Bayer?

Phillips: Ich will eigentlich keine Namen nennen. Wenn man sich das Feld anschaut, dann muss man schon sagen, dass die Konkurrenz insgesamt in diesem Jahr gewaltig ist. Aber ich schaue nur auf mich, weil ich ein klares Ziel habe: Ich will weiter springen, als je ein Mensch zuvor gesprungen ist.

SPOX: In Eugene/USA sind Sie vor zwei Monaten schon 8,74 m gesprungen. Haben Sie keine Angst, dass Sie Ihren Höhepunkt zu früh erreicht haben?

Phillips: Wenn man sich meine Bilanz anschaut, dann sieht man, dass ich bei Weltmeisterschaften immer am besten gesprungen bin. Im Training laufe ich im Moment schneller, als ich vor zwei Monaten gelaufen bin. Ich bin mehr als gut vorbereitet.

SPOX: Vor den Olympischen Spielen in Peking waren Sie dagegen am Tiefpunkt, als Sie bei den Ausscheidungskämpfen gescheitert sind. Wie haben Sie sich nach diesem Erlebnis gefühlt?

Phillips: Im Mai war mir schon klar, dass es nicht mein Jahr ist. Ich habe mir eine schwere Bauchmuskelverletzung zugezogen. Das war richtig schlechtes Timing, weil ich wusste, dass ich nicht die Zeit haben würde, um mich rechtzeitig zu erholen. Das war in der Tat die schlimmste Zeit meiner Karriere. Jeder Olympiasieger will natürlich seinen Titel verteidigen, mir wurde die Chance dazu geraubt.

SPOX: Von Friedrich Nietzsche stammt das Zitat: "Was einen nicht umbringt, macht einen stärker." Eine adäquate Beschreibung Ihrer damaligen Situation?

Phillips: Sehr passend. Ich hatte viel Zeit, darüber nachzudenken, was mir der Sport bedeutet und was ich noch erreichen will. Außerdem habe ich in dieser Phase die Zeit mit meiner Familie sehr intensiv erlebt. Danach war ich absolut bereit für mein Comeback.

SPOX: Sie erwähnten bereits Ihre Verletzungen. Wie stellen Sie sicher, dass Sie in diesem Jahr in besserer Form sind?

Phillips: Ich tue verschiedene Dinge, um meinen Körper besser zu schützen. Zum einen mache ich mehr Physiotherapie, zum anderen habe ich ein paar Kilos verloren. Außerdem habe ich mit Laurence Seagrave einen richtig guten Coach, der viele Dinge an meinem Bewegungsablauf korrigiert.

SPOX: Sie haben in diesem Jahr auch wieder an einigen 100-Meter-Läufen teilgenommen. Was bringt Ihnen das?

Phillips: Meine Kraft und Geschwindigkeit waren immer meine großen Stärken. Deshalb habe ich mir gesagt, dass ich nicht nur meine Fehler abstellen, sondern auch noch kräftiger werden muss. Die Saisons, in denen ich nebenbei auch gesprintet bin, waren immer meine besten.

SPOX: Mal ehrlich: Was glauben Sie, wie weit Sie springen können?

Phillips: Ich fühle, dass ich den Weltrekord brechen kann. Früher glaubte ich immer, dass mein Gesamtpaket nicht ausreichen würde, aber jetzt habe ich die Geschwindigkeit, die Technik und die mentale Stärke, um es zu schaffen. Welche Weite dabei herauskommt, weiß ich nicht, aber ich will in Berlin den Weltrekord brechen.

SPOX: Und welche Bedingungen brauchen Sie für Ihre besten Sprünge?

Phillips: Ich brauche gute Gegner und Temperaturen ab 20 Grad, dann fühle ich mich wohl (lacht). Ein tolles Publikum natürlich. Ich werde in Berlin wegen Sebastian Bayer zwar nicht der Liebling sein, aber wenn ein Mann aus dem Ausrichtungsland um eine Medaille springen kann, dann sorgt das immer für super Stimmung.

SPOX: Welche Chancen hat Sebastian Bayer in Berlin?

Phillips: Ich habe ihn in diesem Jahr ein paar Mal springen sehen, der scheint wirklich nicht schlecht zu sein. Aber der Druck ist natürlich gewaltig, wenn man zu Hause eine Medaille holen muss. Das Publikum erwartet viel von ihm. Man muss abwarten, wie er mit der Situation umgeht.

SPOX: Hatten Sie Gelegenheit, Bayer persönlich kennenzulernen?

Phillips: Ich habe ihn mal auf einer Pressekonferenz gesehen, das war es eigentlich. Viel gesprochen haben wir nicht, aber er scheint ein cooler Typ zu sein.

SPOX: Für viele ist Bayer einer, der unter Druck seine besten Sprünge macht. Sie können das von sich auch behaupten. Inwiefern kann Druck auch etwas Positives sein?

Phillips: Ich war immer schon ein Gewinner. Das fing schon in meiner Kindheit an, als ich gegen meine Mutter Karten gespielt habe. Für mich bedeutet Druck deshalb immer Herausforderung. Die Herausforderung, diesem Druck standzuhalten und ihn zu überwinden. Andere wiederum halten diese Situation nicht aus und fühlen sich wie gelähmt. Die Menschen gehen unterschiedlich damit um, aber mich beflügelt Druck.

SPOX: Die deutschen Fans wollen natürlich, dass Bayer gewinnt. Sie stehen, obwohl Sie der Favorit sind, deshalb etwas weniger im Rampenlicht. Ist das eine ungewohnte Situation für Sie?

Phillips: Bei der WM 2005 in Helsinki war mit Tommy Evilä auch ein Lokalmatador am Start, der wahnsinnig gehypt wurde. Das war ähnlich. Ich habe in dieser Situation einfach getan, was ich die ganze Saison über getan habe - ich bin weit gesprungen. Man muss die Lockerheit bewahren, deshalb rede ich mir immer ein, dass die WM ein ganzer normales Event ist, nur mit viel mehr Zuschauern (lacht).

SPOX: Sie sind jetzt 31 Jahre alt. Wie lange springen Sie noch?

Phillips: Grundsätzlich möchte ich bis 2012 weitermachen. Aber wenn ich eines Tages den Hallen- und den Freiluft-Weltrekord breche, dann hätte ich kein Problem damit, sofort aufzuhören. Dann hätte ich in meiner Karriere alles erreicht, was es zu erreichen gibt.

WM in Berlin: Der Wettkampfplan