Biedermann - nur Augen für die Oma

SID
Paul Biedermann und seine Goldmedaille - das gute Stück scheint echt zu sein
© Getty

Deutschlands neuer Schwimm-Supermann Paul Biedermann dachte nicht an Ian Thorpe oder Michael Phelps, sondern hatte nur Augen für Oma Annemarie.

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"Das Rennen ist mein Geschenk zu ihrem 73. Geburtstag. WM-Gold und Weltrekord widme ich meiner Großmutter", sagte Biedermann, und der Blick wanderte hoch auf die Tribüne des Foro Italico von Rom, wo die alte Dame ihrem Enkel die Daumen drückte.

Als Biedermann den Rekord über 400 Meter Freistil von Ian Thorpe ausgelöscht und sich in der Ewigen Stadt selbst unsterblich gemacht hatte, bedankte er sich bei seiner Familie. "Meine Freundin, meine Eltern, meine Großeltern - sie bedeuten mir alles. Sie haben mich unterstützt. Nicht nur hier. Immer. Und es war nicht immer einfach", sagte Biedermann.

Embacher - der beste Trainer der Welt

Dann schob der 23-Jährige aus Halle/Saale noch ein Sonderlob an seinen Heimtrainer Frank Embacher nach: "Er ist der beste Trainer der Welt", sagte Biedermann: "Er hat mich immer motiviert. Auch an kalten Wintertagen, wenn es kein Vergnügen ist, in ein lauwarmes Becken zu springen. Er ist ein Motivationskünstler."

Als Biedermann im Februar unter dem Epstein-Barr-Virus litt und die Erkrankung zunächst nicht erkannt worden war, hatte es auch mal Zoff gegeben. "Mein Trainer hat erst geglaubt, dass ich mich nach Olympia hängen lassen würde. Dabei war ich einfach platt", sagte Biedermann.

Zwangspause nach Viruserkrankung

Er legte eine Zwangspause ein, verpasste Tausende Trainingskilometer und kam schneller zurück als je zuvor. Die Erfolgsgeschichte von Biedermann ist ohnehin wie ein Märchen. Als Kind rasselte er durch die "Seepferdchen-Prüfung".

In seiner Heimat ist die Trainingsstätte aus DDR-Zeiten im Gegensatz zu den hochmodernen Stützpunkten veraltet. Bislang gibt es dort nicht mal die neuen Katapult-Startblöcke, die denen in der Leichtathletik ähneln und ab 2010 zum Einsatz kommen.

Platz fünf in Peking

Doch mit Fleiß arbeitete sich der Praktikant der Stadtwerke Halle bis an die Spitze der Schwimmwelt. Bei Olympia war er mit Platz fünf über 200 Meter Freistil neben Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen der einzige Athlet des Deutschen Schwimm-Verbandes, der in Peking überzeugen konnte.

In Rom stellte er sogar Steffen in den Schatten, die als Startschwimmerin der Silber-Staffel ihren eigenen Weltrekord über 100 Meter Freistil auf 52,22 Sekunden schraubte. Steffen freute sich für Biedermann mit. "Das war eine herausragende Leistung", sagte die Berlinerin, und Bundestrainer Dirk Lange jubelte: "Wir sind wieder da."

Biedermann: "Ich bin absolut sauber"

Ein Kompliment bekam Biedermann von Franziska van Almsick als ARD-Expertin: "Er ist so kontrolliert geschwommen. Hut ab!" Dass sein persönlicher Quantensprung auch kritisch beäugt wird, kann Biedermann durchaus verstehen.

Doping-Verdächtigungen wies er aber zurück: "Ich bin absolut sauber. Ich bin allein in diesem Jahr mehr als 20-mal kontrolliert worden." Beim Weltrekord in 3:40,07 Minuten war er 6,6 Sekunden schneller als bei seiner nationalen Bestmarke Ende Juni bei den deutschen Meisterschaften in Berlin. Dort hatte er die WM-Norm eigentlich verpasst, sich aber später über seine Paradestrecke 200 Meter Freistil für Rom qualifiziert.

Das Duell mit Phelps

"Knapp zwei Sekunden macht auch der neue Anzug aus", sagte Biedermann, für den der Auftakt ursprünglich nur ein Warm-Up sein sollte. Das nächste prominente Opfer nach dem gelöschten Rekord von Thorpe soll über 200 Meter im Finale am Dienstag folgen: kein Geringerer als Rekord-Olympiasieger Michael Phelps.

Nur 15 Stunden nach seinem Triumph warf Biedermann Phelps den Fehdehandschuh hin. In 1:45,30 Minuten zog er drei Zehntel vor Phelps als Schnellster ins Halbfinale am Abend ein. "Ich war schon müde. Dopingkontrolle, Interviews - ich wusste gar nicht, dass es als Weltmeister so anstrengend ist", sagte Biedermann.

Dass er großen Eindruck auf Phelps gemacht hat, glaubt Biedermann aber nicht: "Wenn ich ich so viele Titel wie Phelps hätte, würde ich mich vor niemandem fürchten." Der zweite könnte am Dienstag für Biedermann schneller hinzukommen als gedacht - dann wird auch wieder Oma Annemarie die Daumen drücken.

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