"Boxen ist nun mal kein Ballett"

Von Interview: Carolin Blüchel
Im 15. WM-Kampf greift Yuriorkis Gamboa schon nach der WM-Krone im Federgewicht
© Imago

EXKLUSIV Vor viereinhalb Jahren gewann Yuriorkis Gamboa olymisches Gold in Athen. Nach einer dramatischen Flucht aus Kuba unterschrieb der "Wirbelsturm aus Guantanamo" beim Hamburger Boxstall ARENA Box Promotion. Heute Nacht soll sich die Flucht bezahlt machen. Gamboa greift in Primm/Nevada gegen den Weltranglisten-Ersten Jose Rojas erstmals nach dem WM-Gürtel.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Als Yuriorkis Gamboa 2007 seinem Heimatland in einer dramatischen Flucht den Rücken kehrte, hatte er nur ein Ziel: Weltmeister zu werden und mit dem Geld Ehefrau Dunia und Tochter Brenda die Sterne vom Himmel zu holen. Nur vierzehn Profi-Kämpfe später ist der Traum zum Greifen nah. Der WBA-Gürtel im Federgewicht liegt für "El Ciclon" bereit.

Vergessen ist die Zeit, in der Gamboa seine olympische Goldmedaille versetzen musste, um eine Geburtstagsfeier für sein Töchterchen ausrichten zu können. Die Umstände haben sich verändert, die Familienbande bleibt die gleiche. Dunia wird die Walk-In-Musik für ihren Gatten singen, der Name der Tochter prangt auf der Kampfhose Gamboas. 

In den USA gilt der 28-Jährige längst als kommender Superstar, der TV-Sender "SHOBOX: The Next Generation" überträgt live zur besten Sendezeit. Bei uns ist der Fight sowie der zweite Hauptkampf zwischen Selcuk Aydin und Said Ouali live bei Premiere zu sehen.

Kurz vor der Chance seines Lebens spricht Gamboa im Interview mit SPOX über seine beeindruckende K.o.-Quote, den Hang zur Arroganz und die Sache mit dem Gewicht.

SPOX: Ich bin bei Facebook zufällig auf Ihr Profil gestoßen. Dort geben Sie als Interesse unter anderem "Menschen K.o. schlagen" an. Das macht mir ein bisschen Angst.

Yuriorkis Gamboa (lacht): Na ja, das ist eben mein Beruf, und ich mag meinen Job. Es klingt vielleicht etwas derb, aber Boxen ist nun mal kein Ballett. Wir steigen in den Ring, um den anderen zu vermöbeln. Würde ich es nicht gerne tun, würde ich es sein lassen.

SPOX: Weiter steht da unter Interessen "Arroganz". Wie muss man das verstehen?

Gamboa: Um in dieser Welt ein großer Star zu werden, braucht man ein Markenzeichen. Viele Leute bezeichnen meinen Box-Stil als arrogant. Ich sehe das eigentlich nicht so. Weil es aber überhaupt nichts bringt, andere vom Gegenteil überzeugen zu wollen, mach ich mir einfach einen Spaß daraus. Auf der anderen Seite ist es auch so: Um ein großer Boxer zu werden, muss man an sich glauben. Früher galt Muhammad Ali als arrogant, und bis heute bezweifelt keiner, dass er der Größte aller Zeiten war. Er hat es den Leuten immer wieder erzählt, bis sie es schließlich geglaubt haben. Arroganz ist beim Boxen nicht unbedingt etwas Negatives.

SPOX: Sie sagten einmal, Ihr Ziel sei es, der aufregendste Boxer der Welt werden. Was macht denn den aufregendsten Boxer für Sie aus?

Gamboa: Da gibt es genau zwei Merkmale. Das eine ist, der Beste in der Sportart zu sein. Das bedeutet, dass man sich den Besten der Besten stellen und sie besiegen muss. Das andere ist, dass man den Leuten das gibt, was sie wollen. Ich sehe mich selbst nicht nur als Berufsboxer sondern auch als Entertainer. Ich will, dass mich die Fans gerne kämpfen sehen. Ich will ihnen die bestmögliche Show zeigen.

SPOX: Wie sieht die aus?

Gamboa: Nur indem ich meine boxerischen Fähigkeiten und meine Power unter Beweis stelle, nicht etwa, indem ich mit meinen Gegnern spiele. Ich denke, um als der aufregendste Boxer zu gelten, muss ich der schnellste, technisch beste und schlagkräftigste Boxer werden und all das zusammen in den großen Kämpfen gegen die stärksten Gegner immer wieder abrufen.

SPOX: In der Nacht zum Samstag können Sie Ihre Fähigkeiten erstmals in einem WM-Kampf abrufen. Sind Sie nervöser als sonst?

Gamboa: Natürlich bin ich aufgeregt. Aber ich fühle mich auch geehrt, dass ich in meinem 15. Profi-Kampf schon um die WM boxen darf. Ich bin zu 100 Prozent bereit.

SPOX: Unter den Boxexperten werden Sie schon als der nächste Pound-for-Pound-Champion gehandelt. Haben Sie manchmal Bedenken, den hohen Erwartungen nicht gerecht zu werden?

Gamboa: Ich möchte einmal der beste Boxer der Welt werden. Ich erwarte also selbst eine Menge von mir. Auf die Erwartungen anderer Leute gebe ich hingegen nicht viel. Ich kenne meine Stärken und meine Schwächen. Aber ich bin sicher, dass ich ein großer Champion werden kann, wenn ich weiter Tag für Tag hart arbeite und meine Ziele weiter verfolge.

SPOX: Ihren Promoter, Ahmet Öner, erinnern Ihre Power und Aggressivität an den jungen Mike Tyson. Andere wiederum behaupten, Sie seien so schnell wie Roy Jones jr. in seiner besten Zeit. Welcher Vergleich gefällt Ihnen besser?

Gamboa: Im selben Atemzug mit den Größten aller Zeiten genannt zu werden, ist ohne Frage eine große Ehre. Trotzdem mag ich eigentlich keine Vergleiche. Ich möchte einfach nur Yuriorkis Gamboa sein und auch als der in Erinnerung bleiben.

SPOX: Sie boxen im Federgewicht, wo spektakuläre K.o.'s eigentlich nicht an der Tagesordnung liegen. Dennoch ist Ihre K.o.-Quote mit über 85 Prozent beeindruckend hoch. Wie erklären Sie sich das?

Gamboa: Ehrlich gesagt, bin ich eigentlich gar nicht darauf aus, meine Gegner auszuknocken. Es passiert einfach. Ich steige in den Ring und gebe mein Bestes. Aber scheinbar überwältigt mein Kampfstil die Gegner. Bislang bin ich zumindest erst auf wenige getroffen, die mit meinen Attacken zurechtkamen.

SPOX: Auffällig ist auch ihre niedrige Deckung. Sie gehen damit ein großes Risiko ein, getroffen zu werden. Ist die Verteidigung noch Ihre große Schwäche? Oder ist es einfach Ihr Stil zu boxen?

Gamboa: "Ja und ja. Auf der einen Seite ist es klar mein eigener Stil, aber ich muss mich natürlich auch noch verbessern. Gott sei Dank habe ich in Ismael Salas einen exzellenten Trainer, der mir dabei hilft. Ich glaube zwar nicht an Perfektion, aber an harte Arbeit.

SPOX: Aufgrund der niedrigen Deckung waren Sie in Ihrer kurzen Profi-Karriere schon dreimal am Boden. Zwar haben Sie bislang die Kämpfe am Ende immer gewonnen, doch Ihre Kritiker behaupten, Sie hätten ein schwaches Kinn und gegen einen starken Gegner könnte es Sie den Sieg kosten.

Gamboa: Wie gesagt, ich weiß, dass ich an meiner Defensivarbeit noch feilen muss. Ich wurde immer dann erwischt, wenn ich selbst angegriffen habe. Da habe ich das Gleichgewicht verloren. Aber ich bin auch immer wieder zurückgekommen. Deshalb glaube ich eigentlich nicht, dass ich künftig ein Problem damit haben werde. Ich werde einfach versuchen, nicht mehr niedergeschlagen zu werden.

SPOX: Sie sagten vor Kurzen, Sie könnten sich vorstellen in Zukunft auch in höheren Gewichtsklassen zu boxen. Wo liegt da die Schmerzgrenze?

Gamboa: Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Es gibt viele Boxer, die in höhere Gewichtsklassen aufgestiegen sind und auch dort sehr erfolgreich waren. Das aktuellste Beispiel ist Manny Pacquiao. Aber auch Oscar de la Hoya, Roy Jones jr. und viele andere haben es getan. Im Moment kämpfe ich in der Klasse bis 57,15 kg. Es dürfte kein Problem sein, in zwei, drei Jahren ins Super-Federgewicht (bis 58,97 kg) und Leichtgewicht (bis 61,24 kg) aufzusteigen. Auch das Junior-Welter- (bis 63,5 kg) und das Weltergewicht (bis 66,68 kg) könnten später möglich sein. Aber das muss man sehen.

1. Pressekonferenz: David Haye provoziert Wladimir Klitschko erneut