Eine Legende sägt am eigenen Denkmal

Von Carolin Blüchel
Roy Jones jr. will es noch mal wissen. "Ich will noch einmal Weltmeister werden."
© Getty

EXKLUSIVRoy Jones jr. war der größte Boxer der 90er Jahre - manch einer hält ihn gar für den besten aller Zeiten. Mit Weltmeistertiteln in vier unterschiedlichen Gewichtsklassen sucht er bis heute seinesgleichen. Doch leider geht auch die Ära eines Superhelden einmal zu Ende. Dies zu realisieren, ist für den Boxer selbst wohl am schwierigsten. Das ließ Roy Jones jr. im Gespräch mit SPOX durchblicken.

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Sein letzter großer Sieg, der WM-Titel im Schwergewicht gegen John Ruiz 2003 liegt bereits sechs Jahre zurück. Zuvor hatte Jones jr. in zehn Jahren von Mittel- bis Schwergewicht kaum eine Runde verloren.

Doch mit seinem größten Erfolg begann ironischerweise zugleich der sportliche Abstieg. Zwei Niederlagen gegen Antonio Tarver (2003/2004) und eine gegen Glen Johnson (2004) nach seiner Rückkehr ins Halbschwergewicht zerstörten zunächst Jones' Mythos der Unbesiegbarkeit und vielleicht sogar seine Karriere. Denn seither ist er angezählt und kommt nicht mehr wirklich auf die Beine.

Bereut hat er die großen Gewichtssprünge allerdings nicht: "Was soll ich bereuen? Ich habe Geschichte geschrieben. Noch nie zuvor hat ein Boxer vier WM-Titel in unterschiedlichen Gewichtsklassen errungen, und wahrscheinlich wird es auch keiner mehr schaffen", sagte Jones jr. gegenüber SPOX. Allerdings sei die Rückkehr ins Halbschwergewicht und damit der Verlust von knapp zehn Kilogramm binnen kürzester Zeit nicht die schlauste Entscheidung gewesen, gibt er zu. "Da habe ich sehr viel Substanz verloren."

Jones jr.: "Bin fast wieder so gut wie früher"

Spätestens bei der einstimmigen Punktniederlage im Dezember gegen Joe Calzaghe wurde es für jeden sichtbar, dass Jones' Zeit trotz unverändert großem Kämpferherz abgelaufen ist. Zumindest für fast jeden.

Die Wahrnehmung des Ex-Champions ist und bleibt eine andere: "Ich weiß, dass viele Leute denken, ich habe den richtigen Zeitpunkt, zurückzutreten, verpasst. Aber sie liegen falsch. Ich kann nur sagen: Ich habe noch nichts von meiner Schnelligkeit eingebüßt. Glaubt mir. Ich bin nahe dran, wieder so gut zu werden wie zu meiner besten Zeit. Daran arbeite ich", sagt er.

Es klingt beinahe wie eine Beschwörung, der verzweifelte Versuch, sich selbst stark zu reden. Ob er es wirklich glaubt, wenn er sagt: "Ich hätte den Kampf gegen Calzaghe gewonnen, hätte ich mir nicht diesen Cut in der siebten Runde zugezogen"? Klare Antwort: Ja.

Noch einmal ein WM-Kampf

Warum sonst sollte er sich nach 20 Jahren im Profigeschäft und einem millionenschweren Vermögen immer noch jeden Tag im Gym schinden und sein eigenes Denkmal beschmutzen, anstatt die Zeit gewinnbringender zu investieren. Es ist ja nicht so, als gäbe es keine Alternativen.

"Ich habe viele Anfragen aus dem Showbiz. Ich werde sicherlich irgendwann wieder wie bei 'Matrix Reloaded' vor der Kamera stehen oder eine CD aufnehmen. Aber im Moment steht das Boxen im Mittelpunkt. Ich will es noch einmal wissen, ich will noch einmal Weltmeister werden."

Ein WM-Kampf ist derzeit allerdings Lichtjahre entfernt. Nicht einmal das Re-Match gegen Calzaghe wird es geben, nachdem der Waliser im Januar seinen Abschied aus dem Ring verkündet hatte - mangels brauchbarer Gegner übrigens. Eine schallende Ohrfeige für Jones von prominenter Stelle, die dieser aber geflissentlich ignoriert.

"Heute mehr Spaß als früher"

Der 40-Jährige geht stur seinen Weg, lässt sich nicht entmutigen und holte sich nach jahrelangen Streitigkeiten sogar seinen Vater Roy Jones sr. wieder ins Boot. "Mir macht das Boxen erst jetzt so richtig Spaß. Früher habe ich es wegen des Geldes getan. Da war viel weniger Freude dabei", betont er.

Dieses Glücksgefühl konnte Jones jr. nun wieder verspüren, als er seinen Landsmann Omar Sheika am Samstag in seiner Heimatstadt Pensacola/Florida in der fünften Runde durch technischen K.o. besiegte und sich den vakanten Halbschwergewichts-Titel in der North American Boxing Organization holte.

Sein Gegner, der es in seiner Karriere nie zu einem WM-Titel gebracht hat, war aber allenfalls mittelmäßig. Mit einer Niederlage hätte sich selbst Jones schweren Herzens das Ende seiner Karriere eingestehen müssen.

So muss man abwarten. Wer weiß, was das junge Boxjahr 2009 dann noch für den Superhelden von einst in petto hat. Angesichts der Tatsache, dass selbst der knapp 50-jährige Evander Holyfield Ende letzten Jahres einen WM-Fight zugesprochen bekam, scheint alles möglich. Auch Fans und Verbände können sich offenbar von ihren früheren Helden nicht so leicht trennen.

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