Federer gegen das Monster

Von Florian Regelmann
Roger Federer (27) hat bislang 13 Grand-Slam-Titel gewonnen
© Getty

Roger Federer ist der beste Tennisspieler der Welt. Vielleicht nicht laut Weltrangliste, aber für viele Experten bleibt der Schweizer ungeachter schnöder Zahlen die wahre Nummer eins. So prognostiziert auch Trainer-Guru Nick Bollettieri bei SPOX, dass Federer im nächsten Jahr Rafael Nadal wieder an der Spitze ablösen wird.

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Jeder Tennis-Fanatiker kennt diesen Moment. Roger Federer spielt im Fernsehen und man sitzt gebannt auf der Couch, wenn plötzlich etwas Unvorstellbares passiert. Wenn Federer - obwohl es mit menschlichen Kräften gar nicht möglich scheint, aus dieser Position zu punkten - einen genialen Winner schlägt.

Plötzlich springt man auf und gibt komische Laute von sich, weil man nicht weiß, wo man mit seiner ganzen Begeisterung hin soll. Familie und Freunde stürzen ins Zimmer, weil sie sich Sorgen machen. Doch es geht einem gut. Man hat schließlich gerade einen "Federer-Moment" erlebt, wie es der amerikanische Autor David Foster Wallace ("Infinite Jest") einmal so treffend genannt hat.

Eine Umfrage auf der Homepage der ATP-Tour hat kürzlich ergeben, dass eine Mehrheit der Fans (44 Prozent) glaubt, dass es im nächsten Jahr wieder verstärkt Federer-Momente geben wird. Die Überzeugung ist da: Federer wird wieder die Nummer eins der Welt.

237 Wochen war der 27-Jährige an der Spitze gestanden, ehe ihn Rafael Nadal vom Thron stieß. Vorübergehend, meint auch Coaching-Legende Nick Bollettieri im Gespräch mit SPOX.

Bollettieri glaubt an Federer

"Es gibt nicht den leisesten Zweifel in meinem Kopf, dass Federer 2009 eine fantastische Saison spielen und sich die Nummer-1-Position zurückholen wird", so Bollettieri. Der Tennis-Guru sagt, dass jeder, der Federer ein schwaches Jahr 2008 attestiert, unter Realitätsverlust leidet und von Tennis nicht sonderlich viel Ahnung haben kann.

Nur nochmal zur Erinnerung: Federer erreichte das Halbfinale der Australian Open, stand bei den French Open und in Wimbledon im Endspiel, gewann an der Seite von Landsmann Stanislas Wawrinka Olympia-Gold, und er holte sich den Titel bei den US Open. Eine zweifellos bemitleidenswerte Statistik.

Dass er dies alles erreichte, obwohl er zu Beginn des Jahres an Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankte und während der ganzen Saison nie die absolute Fitness erlangen konnte, sollte auch nicht außer Acht gelassen werden.

Krankheit stoppte Federer

Wer das Pfeiffersche Drüsenfieber erwischt, fühlt sich häufig noch lange danach schlapp und hat müde Beine. Schlecht, wenn man dann auf Nadal trifft... Federer hätte es nie als Entschuldigung vorgebracht, aber man kann davon ausgehen, dass es ihn länger beeinträchtigte als nur zu Beginn des Jahres.

Positiv: Federer fühlt sich inzwischen wieder gut und er muss keine Angst haben, dass er erneut erkrankt. Ist der Virus einmal besiegt, so ist der Betroffene in der Regel für sein restliches Leben immun. 

"Wenn ich in Rogers Team wäre, würde ich ihm zu hundert Prozent positives Feedback geben nach diesem Jahr. Ich würde sicherstellen, dass er und jeder im Team wissen, dass er die Nummer eins und einer der besten Spieler aller Zeiten ist", erklärt Bollettieri.

Jahr der bitteren Niederlagen

Federer hat sich mit seinen Leistungen in den vergangenen Jahren einen Standard gesetzt, den er 2008 nicht erreicht hat, den man aber auch nicht in jedem Jahr erreichen kann. "Ich habe mir dieses Monster geschaffen, dass ich jedes Turnier gewinnen muss", sagt Federer selbst immer wieder.

Dass überhaupt bei manchen Leuten der Eindruck entstehen kann, die Zeit von Federer würde ablaufen, liegt nicht an ein paar häufigeren Niederlagen, die Federer einstecken musste. Es liegt an der Art und Weise.

In Roland Garros erreichte er das Endspiel, wurde dann aber von Nadal in drei Sätzen so übel vom Platz geschossen, wie es ihm zuletzt vielleicht bei den Bambinis passiert ist. Es war die erste ganz bittere Pille.

Er fuhr nach Wimbledon und kassierte die zweite, noch viel schlimmere Niederlage gegen den Spanier. Dort, wo er sich unbesiegbar fühlte, verlor er nun auch gegen Nadal. Zwar war es eines der besten Tennis-Matches aller Zeiten, aber das machte die Sache für Federer iim Endeffekt nur noch grausamer.

Sampras-Rekord in Reichweite

Auch bei anderen Turnieren schwächelte Federer. Er gewann in Estoril, Halle und zuletzt in Basel, aber bei allen Masters-Series-Turnieren blieb er erfolglos. In den Jahren zuvor hatte es angesichts der Ausgeglichenheit und Tiefe im Männer-Tennis noch fast an eine Unverfrorenheit gegrenzt, mit welcher Leichtigkeit und Eleganz er sich seiner Gegner entledigte.

Nun krampfte sich Federer mehr zu seinen Siegen. Eines seiner für seine Verhältnisse wenigen brillanten Spiele zeigte er im Endspiel der US Open gegen Andy Murray.

Leichter wird es für Federer im kommenden Jahr nicht. Die Aura der Unbesiegbarkeit hat er verloren. Nicht nur Nadal, auch Murray, Novak Djokovic und einige andere haben längst keine Furcht mehr, wenn sie gegen Federer antreten. Wer den Schweizer kennt, weiß aber, dass er diese Herausforderung annehmen wird.

"Ich würde liebend gerne den Grand-Slam-Rekord von Pete Sampras mit 14 Titeln brechen und wieder die Nummer eins der Weltrangliste werden. Aber einen weiteren Sieg in Wimbledon stelle ich über alles andere. Wimbledon ist etwas Besonderes. Dafür gibt es keinen Ersatz", erklärt Federer seine Ziele.

Karriereende nicht in Sicht

In Melbourne könnte es im Januar schon soweit sein, dass er den Rekord von Sampras einstellt. Außerdem steht der Davis Cup zum ersten Mal seit Jahren wieder als großes Ziel auf seinem Plan. Gemeinsam mit Wawrinka stehen die Chancen gut, den Cup in die Schweiz zu holen.

Die gute Nachricht für alle Fans: Federer hat bereits erklärt, dass er noch viele Jahre weiterspielen will und ein Rücktritt noch lange nicht in Sicht ist.

"Ich weiß eins: Der Tennissport braucht Roger Federer. Alles, was er auf dem Court und außerhalb tut, ist genau das, was wir uns von anderen Spielern wünschen würden", so Bollettieri. Recht hat er.

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