"Urteil zeigt, dass es einen Gott gibt"

SID
Jan Ullrich hat am Mittwoch unter Eid geschworen, von Januar bis März 2003 nicht gedopt zu haben
© Getty

Ex-Radprofi Jan Ullrich hat am Mittwoch unter Eid geschworen, von Anfang Januar bis Ende März 2003 nicht gedopt zu haben. Im Interview äußert sich der 34-Jährige zu seiner Vergangenheit und den Chancen des deutschen Radsports.

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Frage: In der Vergangenheit sind Sie nie selbst zu Prozessen um ihre Person erschienen. Nun erstmals doch. Und Sie haben einen Eid geschworen, in dem prozess-relevanten Zeitraum von Anfang Januar bis Ende März 2003 nicht gedopt zu haben.

Jan Ullrich: Ja, es war der erste Auftritt vor einem deutschen Gericht - und wohl auch der letzte. Die Antwort auf die Frage, warum ich einen Eid geschworen habe, in diesem Zeitraum nie gedopt zu haben, ist die: Ich wollte Klartext reden, endlich die Wahrheit sprechen.

Frage: Von den erhofften 7,68 Millionen, die Ihnen der Ende 2002 geschlossene Vertrag mit dem Team Coast von Anfang 2003 bis Ende 2005 gebracht hätte, erhielten Sie damals nur 300.000 Euro. Den Rest können sie wohl abschreiben, auch wenn die in Düsseldorf gerichtlich festgestellte Schuld ihres Prozessgegners 30 Jahre bestehen bleibt...

Ullrich: Dahms ist ein Betrüger. Sein schmutziges Geld will ich eh nicht. Dahms hat mir damals in die Augen gelogen, obwohl er wusste, dass er pleite war. Und wenn ich doch etwas erhalten sollte, werde ich das für Kinder spenden.

Frage: Sie haben alle Fragen, die mögliche Dopingeinnahme oder Dopingpraktiken in diesem Vierteljahres-Zeitraum betreffen, klar mit Nein beantwortet. Das Gericht hat dies zur Basis des Urteils gemacht. Aber die Öffentlichkeit scheint Ihnen nicht so sehr zu glauben. Wie kommt das bei Ihnen an?

Ullrich: Ich habe unter Eid ausgesagt, auf Gott geschworen, denn ich bin ein gläubiger Mensch. Was soll ich mehr tun? Wer mich kennt, weiß, dass ich zu 1000 Prozent die Wahrheit sage. Das Urteil zeigt, dass es einen Gott gibt.

Frage: Inzwischen gibt es nicht nur Dopingverdächtigungen gegen deutsche Fahrer, sondern auch positive Fälle. Was sagen Sie zu der jüngsten Entwicklung im deutschen Radsport?

Ullrich: Mir selbst sind seit zwei Jahren die Hände gebunden. Als ich nicht mehr fahren durfte, bin ich fast ausgerastet. Ich habe damals gesagt, wenn ich mal Anwälte brauche, höre ich auf. Und heute kümmere ich mich um nichts mehr, verfolge nicht, was alles passiert. Das würde mir das Herz brechen.

Frage: Sehen sie noch eine Chance für den deutschen Radsport?

Ullrich: Es ist die Frage, wie viele Jahre es ihn noch gibt. Er hätte noch so viele Fans, die hinter ihm stehen würden. Aber er hat nun viele Sponsoren verloren. Einige haben damals ihre Geschäfte auf Kosten des Sports gemacht, auch Teile der Medien. Wo es viel Geld gibt, gibt es immer auch Banditen. Wir brauchen jetzt einen Selbstreinigungsprozess. Aber ich werde weiter den Eltern sagen: Schickt eure Kinder zum Radsport.

Frage: Steigen sie selbst noch aufs Rad?

Ullrich: Selten. Aber es wird wieder mehr werden. Jetzt fahre ich erst mal zu meiner Familie in die Schweiz. Früher hatte sie mich selten. Heute kann ich das um so mehr genießen.