"Nur ein Ziel: den Krebs besiegen"

Von Interview: Viktoria Noll
Janine Pietsch gewann bei der Kurzbahn-WM 2006 zweimal Gold
© Imago

Brustkrebs mit 26 Jahren: Janine Pietschs Erkrankung hat den deutschen Schwimmsport geschockt. Bei SPOX spricht die zweifache Weltmeisterin über ihren Umgang mit der Horror-Diagnose. Sie erklärt, wie sie jungen Frauen helfen will, äußert sich zu Panikattacken und zu ihrer "Liebe" zu Franziska van Almsick.

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SPOX: Frau Pietsch, die Nachricht von Ihrer Erkrankung hat für sehr viel Betroffenheit gesorgt. Was zunächst alle interessiert: Wie geht es Ihnen jetzt?

Janine Pietsch: Soweit geht es mir ganz gut. Ich habe die Operation gut überstanden, aber damit ist natürlich noch nicht alles vorbei. Für mich geht es noch lange weiter und das ist eine sehr harte Erkenntnis. Als ich die Diagnose bekommen habe, dass es Brustkrebs und ein bösartiger Tumor ist, war ich anfangs sehr geschockt. Das hat sich bei mir aber relativ schnell gelegt und ich habe es akzeptiert. Dann habe ich versucht, wieder nach vorne zu schauen.

SPOX: Fällt das nicht manchmal schwer?

Pietsch: Ich habe immer wieder Phasen, in denen ich mir Gedanken mache, aber ich merke auch jedes Mal, dass es keinen Sinn hat. Eine Erklärung wird mir kein Arzt liefern können, denn Krebs ist nun mal einfach unberechenbar. Damit muss leider heutzutage jeder rechnen, man hat einfach keine Wahl. Da muss man durch und das halte ich mir immer vor Augen.

SPOX: Warum haben Sie sich so schnell nach der Diagnose entschlossen, mit Ihrer Krankheit an die Öffentlichkeit zu gehen?

Pietsch: Nachdem ich die Diagnose bekommen hatte, war mir sehr schnell klar, dass ich an die Öffentlichkeit gehen will. Vor allem, um anderen jungen Frauen klar zu machen, wie wichtig es ist, zur Vorsorge zu gehen, auf sich selbst zu schauen und sich auch nicht nur auf die Ärzte zu verlassen. Ich habe selbst schlechte Erfahrungen gemacht. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, da am Ball zu bleiben und auch keine Angst zu haben. Denn wenn man den Krebs früh erkennt, kann man zum Glück noch sehr viel machen.

SPOX: Wie empfinden Sie allgemein den Umgang mit der Krankheit in Deutschland?

Pietsch: Wenn ich lese, dass man die erste Mammographie erst im Alter von 50 Jahren von der Krankenkasse bezahlt bekommt, dann dreht sich bei mir alles um. Die Prozentzahl der Erkrankungen in meinem Alter ist zwar noch gering, aber ich habe von vielen jungen Frauen Post bekommen, die auch betroffen sind. Das zeigt mir auf der einen Seite, dass ich nicht alleine bin, was mir auch gut tut, aber auf der anderen Seite merke ich auch, dass die Krankheit bereits in jungen Jahren immer öfter auftritt.

SPOX: Es gibt einige prominente Beispiele, wie die Popstars Anastacia und Kylie Minogue oder Moderatorin Miriam Pielhau, die ihre Brustkrebserkrankung öffentlich gemacht haben. Orientieren Sie sich ein wenig an diesen Frauen?

Pietsch: Nein, gar nicht. Es ist mir auch erst bewusst geworden, dass diese Frauen erkrankt sind, als ich meine Diagnose bekommen habe. Man bekommt es zwar mit, aber bezieht es nicht auf sich. Man rechnet ja nicht damit, dass es einen selbst treffen könnte. Ich hatte das Pech, dass meine Mutter vor zwei Jahren an Krebs erkrankt ist und ich dadurch alles schon einmal miterlebt habe. Deshalb schockiert es mich nicht mehr ganz so stark.

SPOX: Was ist Ihr Anliegen?

Pietsch: Wichtig ist, dass die Leute das Thema einfach ernster nehmen. Es tritt ja mittlerweile schon so häufig auf wie ein Virusinfekt. Man kann sich nur nicht davor schützen, deshalb muss man einfach vorsichtig damit umgehen. Daher glaube ich, dass es unwahrscheinlich wichtig ist, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Vor allem, wenn man prominent ist.

SPOX: Wie wollen Sie das Thema noch weiter an die Öffentlichkeit bringen?

Pietsch: Wie und in welcher Form ich mich in Zukunft dafür einsetzen werde, weiß ich noch nicht. Erst einmal gilt meine volle Konzentration der Therapie, aber danach könnte ich mir gut vorstellen, mit einem starken Partnerunternehmen eine Stiftung zu gründen. Eine Kampagne zu starten oder Botschafterin der Krebshilfe zu werden. Dazu kann ich mir aber im Moment noch nicht so viele Gedanken machen.

SPOX: Auf Ihrer Homepage sind zahlreiche Gästebucheinträge zu finden, in denen Ihre Fans Ihnen viel Kraft wünschen. Hilft Ihnen dieser Zuspruch?

Pietsch: Ja, auf jeden Fall. Wenn man sieht, wie viele Menschen an mich denken, die ich überhaupt nicht kenne, dann freut mich das schon. Das ist ein schönes Gefühl. Was ich allerdings nicht mag, sind Vorschläge, in denen mir neue Behandlungsmethoden nahegelegt werden. Da sollte jeder entscheiden, was für ihn am besten ist.

SPOX: Sie hatten vor einiger Zeit eine schwere Schilddrüsenerkrankung und jetzt haben Sie diese Diagnose erhalten.

Pietsch: Ich glaube nicht, dass Krebs nur körperlich bedingt ist, sondern auch eine psychische Ursache haben kann. Inwieweit weiß ich nicht, aber die Krebserkrankung meiner Mutter hatte bei mir bestimmt auch eine Auswirkung. Durch die Schilddrüsenerkrankung leide ich bis heute noch unter schlimmen Panikattacken, die mir das Leben nicht leicht machen. Und dann kommen noch der Leistungssport und der damit verbundene Druck hinzu. Das spielt sicher alles eine Rolle. Daher muss man neben der Chemotherapie auch sehen, dass man sein Leben umkrempelt und die Psyche wieder ins Gleichgewicht bringt.

SPOX: In nächster Zeit gilt Ihre volle Konzentration natürlich Ihrer Therapie. Können Sie überhaupt noch an Ihre Schwimmkarriere denken?

Pietsch: Im Moment kann mir keiner genau sagen, ob ich meine Karriere irgendwann fortsetzen kann, da wir abwarten müssen, wie die Therapie bei mir wirkt. Das fällt ja immer sehr unterschiedlich aus. Ich muss erstmal sehen, wie ich mich überhaupt fit halten kann. Darum geht es ja in erster Linie und nicht um Leistungssport.

SPOX: Aber grundsätzlich würden Sie gerne weitermachen, oder?

Pietsch: Ich sage nicht, meine Karriere ist definitiv beendet, aber ich kann auch nicht versprechen, dass ich auf jeden Fall weitermache. Ich habe im Moment nur das eine Ziel vor Augen, nämlich den Krebs zu besiegen. Da rückt alles andere in den Hintergrund.

SPOX: Inwieweit hat Sie die Krankheit verändert?

Pietsch: Ich bin seitdem komplett auf mich fixiert. Das war früher anders. Da habe ich mehr für andere als für mich gemacht. Das ist zwar immer noch so, aber ich merke, dass ich es langsam einschränke. Es gibt eben wichtigere Dinge. Früher habe ich mich aufgeregt, wenn dreckiges Geschirr herumstand oder jemand vor mir sein Auto nicht schnell genug anbekam. Aber das sind Lappalien, die jetzt so unwichtig geworden sind. Die Krankheit hat meine Sichtweise zurechtgerückt. Das ist der einzig positive Aspekt, den ich daraus gewinnen kann.

SPOX: Sie beobachten die Ereignisse im Schwimmsport ja ganz genau. Wie schätzen Sie die Entwicklung in der letzten Zeit ein?

Pietsch: Schwimmen hat in Deutschland einfach nicht den Stellenwert wie Fußball, Tennis oder andere Sportarten. Es ist hier eben so, dass die Fördermittel nicht vorhanden sind, um den Talenten einen gewissen Rahmen zu schaffen, den sie bräuchten, um an ihre Leistungen anzuknüpfen. In Amerika und Australien sind alle Schwimmer Profisportler, bei uns kann es sich niemand leisten, Profi zu sein. Dazu verdient man einfach zu wenig Geld. Ich habe immer zumindest halbtags gearbeitet, weil es nicht anders ging. Das ist in Deutschland unwahrscheinlich schwierig.

SPOX: Franziska van Almsick gehört zu Ihren besten Freundinnen. Sie kennen sich schon aus Kindertagen.

Pietsch: Wir waren früher in Berlin in einem Schwimmverein, aber dann bin ich 1991 mit meinen Eltern nach Ingolstadt gezogen. Richtig kennengelernt haben wir uns erst 2002 bei den Europameisterschaften in Berlin. Da haben wir uns dann angefreundet.

SPOX: Auch wenn Sie in Ihren Disziplinen keine direkten Konkurrentinnen waren, ist eine Freundschaft unter dem Erfolgsdruck doch sicherlich schwierig.

Pietsch: Es kommt eigentlich immer auf die Charaktere an. Bei uns war es sozusagen Liebe auf den ersten Blick, was unsere Freundschaft betrifft. Wir mussten nicht viel reden und wussten immer, was die andere denkt. Das war vor allem in der aktiven Zeit unglaublich wichtig, weil wir uns gegenseitig stützen konnten. Bei uns ist das heute noch so, auch wenn wir uns nicht mehr so häufig sehen können.

Brustkrebs bei Janine Pietsch diagnostiziert