Krasniqi: "Es könnte meine letzte Chance sein"

Von Interview: Carolin Blüchel
Alexander Dimitrenko (l.) und Luan Krasniqi (r.) haben früher oft zusammen trainiert
© Getty

Schwergewichtler Luan Krasniqi steigt 16 Monate nach seiner K.o.-Niederlage gegen Tony Thompson wieder in den Ring. Gegen den Stallgefährten Alexander Dimitrenko kämpft der Löwe in Düsseldorf nicht nur um den WBO-Interconti-Gürtel, sondern womöglich auch um seine letzte Chance auf einen WM-Kampf.

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Ein großer Boxer zeichnet sich dadurch aus, dass er sich nach einer demütigenden Niederlage wieder zurückmeldet. Luan Krasniqi musste sich lange 16 Monate seit seiner letzten K.o.-Niederlage gegen Tony Thompson gedulden, ehe er am Samstag in Düsseldorf die Chance auf Rehabilitation bekommen wird.

Nach einem verlorenen WM-Kampf gegen Lamon Brewster (2005) und dem Technischen K.o. im Ausscheidungskampf gegen Thompson vielleicht seine letzte Chance. Mit dem WBO-Interconti-Meister Alexander Dimitrenko, der wie Krasniqi beim Hamburger Universum-Boxstall unter Vertrag steht, wartet jedoch ein denkbar harter Brocken auf den 38-Jährigen.

Dimitrenko gilt bei Universum als der kommende Schwergewichts-Weltmeister und will sich mit einem Sieg über Krasniqi für einen WM-Kampf gegen Wladimir Klitschko empfehlen.

Bei SPOX spricht Krasniqi über die größte Herausforderung seiner Karriere, einen rabenschwarzen Tag und ein mögliches Wiedersehen mit einem der Klitschkos.

SPOX: Herr, Krasniqi, Sie haben einmal gesagt, Sie würden gerne als Löwe wiedergeboren werden. Auch Ihr Kampfname ist "der Löwe". Woher kommt diese Affinität?

Luan Krasniqi: Den Kampfnamen hab ich mir ja selbst gar nicht zugelegt. Der wurde mir von der Öffentlichkeit verpasst. Ich halte davon eigentlich gar nichts. Aber wenn ich mir ein Tier aussuchen dürfte, dann würde ich schon den Löwen wählen. Er ist stark und hat keine Angst. Wenn man dagegen als Fliege zur Welt kommt, kann es sein, dass man schon den ersten Tag nicht überlebt.

SPOX: Am Samstag steigen Sie erstmals seit Ihrer Niederlage gegen Tony Thompson wieder in den Ring. Ist Ihnen bewusst, dass auch für einen Löwen einmal das letzte Stündlein schlägt und dass der Kampf gegen Alexander Dimitrenko Ihre letzte Chance sein könnte?

Krasniqi: Ich verspüre eigentlich nicht, dass es meine letzte Chance ist. Ich bin gut drauf und fühle mich nicht so, dass man mich schon in Rente schicken könnte. Aber ich stimme Ihnen zu. Natürlich könnte es auch meine letzte Chance sein.

SPOX: Der Druck, der auf Ihnen lastet, muss demnach enorm sein.

Krasniqi: Ich kenne mich. Ich weiß, dass ich nur 70, 80 Prozent von meinem Können abrufen muss, dann werde ich den Kampf auch gewinnen. Und ich bin überzeugt, dass ich das schaffe.

SPOX: Sie haben den Kampf gegen Dimitrenko als größte Herausforderung Ihrer Karriere bezeichnet. Warum nicht Ihren bislang einzigen WM-Kampf gegen Lamon Brewster?

Krasniqi: Weil ich mich jetzt aus einem sportlichen Schlamassel herausboxen und mich wieder etablieren muss. Mit einem Sieg stehen mir die Türen wieder offen. Deshalb ist der Kampf ein Scheideweg für mich.

SPOX: Das sportliche Schlamassel, von dem Sie sprechen, war die K.o.-Niederlage gegen Thompson. Haben Sie danach nie daran gedacht, Ihre Boxhandschuhe an den Nagel zu hängen?

Krasniqi: Unmittelbar nach dem Kampf war ich natürlich maßlos enttäuscht, aber an einen Rücktritt habe ich dennoch nie gedacht. Mir war schon an diesem Abend klar, dass ich meine Karriere nicht auf diese Art und Weise abschließen werde.

SPOX: Sie konnten es sich damals selbst nicht erklären, wie es zu dieser Niederlage kommen konnte. Haben Sie mittlerweile eine Erklärung gefunden?

Krasniqi: Ich möchte eigentlich nicht mehr zurückblicken. Ich hatte an diesem Abend einen pechschwarzen Tag und ich hoffe, dass ich eines Tages eine Erklärung dafür finden werde. Heute weiß ich es nicht und will auch gar nicht darüber nachdenken.

SPOX: In Ihrer Karriere ging es ja eigentlich immer auf und ab. Demnach müsste nach dem Tief nun wieder ein Sieg folgen.

Krasniqi: Na ja, so schlimm war es nun nicht. Natürlich gab es immer wieder mal eine Niederlage. Aber ich bin auch immer wieder zurückgekommen. Und genau das zeichnet mich aus. Ich hoffe einfach, dass ich auch diesmal an meine alten Stärken anknüpfen kann und mich wieder zurückmelden werde.

SPOX: Dimitrenko führt die WBO-Rangliste an. Sollte er den Kampf gewinnen, würde er sich für eine WM gegen Wladimir Klitschko empfehlen. Sollten Sie gewinnen, sieht die Sache ganz anders aus. Ist dann ein WM-Kampf auch für Sie plötzlich wieder zum Greifen nah?

Krasniqi: Das nehme ich an. Wenn er bei einem Sieg das Recht hat, gegen Wladimir zu boxen, warum soll ich es nicht auch haben, wenn ich gewinne.

SPOX: Ein solcher Kampf wäre ja schon deshalb sehr interessant, weil Sie Wladimir schon aus Ihrer gemeinsamen Amateurzeit gut kennen.

Krasniqi: Das stimmt. Wir haben oft zusammen trainiert oder Sparringsrunden absolviert. Wir mögen und respektieren uns auch.

SPOX: Und Sie haben ihn bei der Amateur-WM schon einmal geschlagen.

Krasniqi: Das darf man nicht so hoch bewerten. Damals waren wir Amateure, da wird ganz anders geboxt. Aber dennoch weiß ich schon, was ich kann.

SPOX: Die Klitschkos gelten derzeit als das Maß der Dinge im Schwergewicht. Glauben Sie, dass die beiden unschlagbar sind?

Krasniqi: Nein. Aber ich beschäftige mich derzeit auch nicht mit den Klitschkos. Ich bekomme selbst einen "jungen Klitschko" vor die Fäuste, und das hat für mich derzeit höchste Priorität.

SPOX: Ist es denn tatsächlich so einfach, immer nur von Kampf zu Kampf zu denken?

Krasniqi: Das ist ein ganz wichtiger Grundstein. Denn wenn man verliert, muss man sich wieder ganz hinten anstellen, und auf eine neue Chance hoffen. Boxen ist nicht wie Fußball, wo man an einem Wochenende 0:6  verliert und am nächsten Wochenende wieder obenauf ist. Jeder Kampf kann einen ganz weit zurückwerfen oder ebenso weit nach vorn bringen.

SPOX: Sie kennen Dimitrenko schon sehr lange und kämpfen auch beide für denselben Boxstall. Ist es eigentlich schwieriger, gegen einen Freund zu kämpfen, als gegen einen Unbekannten?

Krasniqi: Freunde gibt es nur wenige beim Boxen. Er ist ein Teamkollege, wir schätzen uns und gehen respektvoll miteinander um. Aber Freunde sind wir sicherlich nicht. Insofern habe ich kein Problem damit.

SPOX: Der Kampf ist eine Duell der Generationen. Ihr großer Vorteil wird die Erfahrung sein. Welchen Vorteil hat ihr Gegner?

Krasniqi: Hm, welchen Vorteil hat er? Er ist ein junger, aufstrebender Athlet.

SPOX: Und was erwarten Sie von ihm?

Krasniqi: Na ja, er wird sicher nicht Mike Tyson oder Muhammad Ali spielen können.