Brussig-Twins holen Silber und Bronze

SID
Paralympics, Peking, brussig
© DPA

Sie essen beide gerne Kekse, haben den gleichen Haarschnitt, die gleiche Ausbildung und wenn sich eine verletzt hat, dann weint die andere gleich mit. Zwischen Carmen und Ramona Brussig besteht eine Bindung, die es so wohl nur unter eineiigen Zwillingen gibt.

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"Manchmal treffen wir uns, haben nicht abgesprochen, was wir anziehen und haben doch die gleiche Hose an. Erklären kann man das nicht", sagt Ramona, die bei den Paralympics in Peking Silber im Judo gewann.

Im Finale der Klasse bis 57 kg verlor sie gegen die Chinesin Lijing Wang. Schwester Carmen hatte 24 Stunden vorher Bronze in der Kategorie bis 48 kg erkämpft. Damit erfüllten sich beide ihren paralympischen Traum von einer gemeinsamen, erfolgreichen Teilnahme - auch wenn es mit dem geplanten Gold nicht geklappt hat.

Weltspitze im Judo

"Ein kurzer Blackout machte mir einen Strich durch die Rechnung. Doch insgesamt sind wir beide glücklich über unsere Medaillen", betont Carmen, die aus beruflichen Gründen im schweizerischen Lachen wohnt, aber täglich mit Ramona telefoniert. Auch Ramona ärgert sich nach dem Finale über sich selbst: "Ich bin nicht richtig in den Kampf reingekommen und war nicht ganz frei im Kopf. Doch die Medaille ist der Lohn für die harte Arbeit in den letzten Jahren."

Die Zwillingsschwestern schlüpfen seit etwa 25 Jahren in den Judogi. Neben vielen Gemeinsamkeiten - zum Beispiel sind beide gelernte Konditorinnen - teilen sie auch das gleiche Leid: Sie sind extrem kurzsichtig. Als sie vor 31 Jahren in Leipzig geboren wurden, fehlten ihnen 90 Prozent der Sehkraft.

Vom Kampfsport konnte sie das aber nie fernhalten. Inzwischen gehört das Duo, das für den PSV Schwerin startet, zur Weltspitze.

Zu hoher Erwartungsdruck

Die in Schwerin lebende Ramona war bisher unter den deutschen Judokas der Goldgarant. Drei WM-Titel verbuchte sie bereits. Fast acht Jahre lang blieb sie ohne Niederlage, bezwang im Finale vor vier Jahren in Athen ihre Gegnerin nach nur elf Sekunden.

"Trainer, Familie und Freunde erwarteten von mir, dass ich in Peking Gold gewinne. Die dachten alle: Die Ramona macht das schon. Das stresste mich und kostete Nerven", meint sie.

Carmen, 15 Minuten älter, hatte etwas weniger Druck. Am Sonntag im kleinen Finale gegen die Kubanerin Maria Gonzales war auch sie blitzschnell: Sie siegte - wie kann es anders sein - auch nach nur elf Sekunden per Ippon.

Sightseeing in Peking

Noch vor vier Jahren hatte sie die Qualifikation für Athen verpasst. Am Mattenrand kämpft Carmen jedes Mal imaginär mit. "Es gibt Phasen, da schau ich zu. Da hab ich das Gefühl, das klappt. Und manchmal gibt es Situationen, da geh ich lieber woanders hin", meint die Ältere, die auch Montag in Peking mitten im Finalkampf in die Katakomben verschwand und den Kampf am Bildschirm verfolgte.

Nach ihren Wettkämpfen werden beide Schwestern die Zeit nutzen, um sich die Verbotene Stadt in Peking anzuschauen. Wegen ihrer Sehschwäche haben sie immer ein Okular dabei, um Ausschnitte des verschwommenen Bildes in der Ferne scharf zu stellen.

"Das funktioniert super. Aber um die chinesischen Schriftzeichen verstehen zu können, wird es wohl nicht reichen", scherzt Ramona.

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