Grabsch landet Coup: Weltmeister im Zeitfahren

SID

Bert Grabsch hat mit seinem Zeitfahr-Gold alle überrascht. Im reifen Rennfahrer-Alter von 33 Jahren ist er in die Fußstapfen von Jan Ullrich getreten und hat dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) im italienischen Varese einen unverhofften WM-Titel beschert.

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Auf der 43,7 Kilometer langen Elite-Strecke schwang sich der deutsche Meister aus der Lutherstadt Wittenberg, eher aus einer Außenseiter-Position gestartet, zum schnellsten Zeitfahrer der Welt auf und holte sich den Titel als zweiter deutscher Radprofi nach dem zweifachen Weltmeister Ullrich (1999 und 2001).

"Ich wusste, dass ich stark bin, aber keiner hat's mir zugetraut", freute sich Grabsch, der seiner Frau die Goldmedaille als unverhofftes Geburtstagsgeschenk präsentieren konnte.

Cancellara nicht am Start

Der Olympia-14. von Peking, der wie der Astana-Profi Andreas Klöden in Kreuzlingen in der Schweiz wohnt, stellte bei seiner Triumphfahrt Silbermedaillengewinner Svein Tuft aus Kanada (+42,79) und den Drittplatzierten David Zabriskie aus den USA (+52,27) in den Schatten.

Der Titelverteidiger und Olympiasieger Fabian Cancellara aus der Schweiz war nicht am Start. Im Vorjahr in Stuttgart hatte Grabsch mit dem undankbaren vierten Platz vorlieb nehmen müssen.

"Perfekter Tag"

"Durch die Absage von Cancellara war es heute ein offenes Rennen. Ich war sicher nicht in der Favoritenrolle, hatte mich aber gut vorbereitet und fühlte mich stark", sagte Grabsch, der die WM-Ausbeute des BDR auf drei Medaillen erhöhte.

"Der schnelle Kurs mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 Kilometern lag mir. Das war heute mein perfekter Tag", sagte Grabsch, der von seinem Columbia-Team in diesem Jahr nicht mit zur Tour de France genommen wurde, obwohl er vorher deutscher Zeitfahr-Meister geworden war.

Dabei hatte er Stefan Schumacher hinter sich gelassen, der 14 Tage später in Frankreich beide Tour-Zeitfahren gewann. Stattdessen fuhr Grabsch im Juli die Österreich-Rundfahrt.

Vergangenheit bei Phonak

Die ersten sechs Jahre seiner Profi-Laufbahn verbrachte der 33-Jährige beim Schweizer Skandalteam Phonak, in dem der des Dopings überführte Amerikaner Floyd Landis - unter Mithilfe des Wahlschweizers - zum Toursieg 2006 gefahren war.

"Ich habe damals von seinen Siegprämien, die er kassiert hat, keinen Pfennig gesehen", sagte Grabsch. Von Phonak ("Das waren gute und schlechte Zeiten") war er zum T-Mobile-Team gewechselt.

Die große deutsche Nachwuchs-Hoffnung Tony Martin verpasste auf dem von U23-Vizeweltmeister Patrick Gretsch geliehenen Rad in 53:17,8 Minuten knapp die Medaillen.

Der 23-jährige in Eschborn lebende Cottbuser, der am Vortag im Training von einem Auto angefahren wurde und seine Rennmaschine zu Schrott fuhr, belegte den 7. Platz.

"Mich hatte zwar motiviert, dass ich immer die Bestzeit hatte, aber am Schluss habe ich doch die Deutschland-Tour in den Beinen gemerkt. Das Superding von Bert gibt mir Auftrieb für das nächste Jahr", sagte Martin.

Gontschar auf Rang 15

Sergej Gontschar, 2006 Sieger beider Zeitfahren bei der Tour de France und im Jahr darauf von T-Mobile wegen auffälliger Blutwerte entlassen, feierte seine Rückkehr auf die internationale Bühne. Der 38 Jahre alte Ex-Weltmeister aus der Ukraine belegte in 53:39,6 Minuten den 15. Platz.

In Wladimir Gusew erschien ein weiterer des Dopings verdächtigter Profi wieder auf der Bildfläche. Der vom Astana-Team in diesem Jahr ebenfalls wegen irregulärer Werte geschasste Russe fuhr auf Platz elf.

Dem Topfavoriten von Varese, dem Olympia- Dritten und zukünftigen Armstrong-Team-Kollege Levi Leipheimer (USA), blieb nur der undankbare vierte Platz.

Nach seinen schwachen Leistungen im olympischen Zeitfahren von Peking war der Nürtinger Stefan Schumacher nicht für den Kampf gegen die Uhr in Varese aufgeboten worden. Der WM-Dritte von Stuttgart greift erst zum WM-Finale beim Straßenrennen ins Geschehen ein.

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