"Ein besonderer Moment"

SID
Goerges, Wimbledon
© DPA

London - Es hat nicht viel gefehlt und Julia Görges wäre bei ihrem Debüt auf dem Heiligen Rasen direkt in die Geschichtsbücher von Wimbledon gestürmt.

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Fünf Minuten fehlten der 19-Jährigen aus dem schleswig-holsteinischen Bad Oldesloe zum längsten Spiel bei den seit 1877 ausgespielten All-England-Championships.

Doch das war der hübschen deutschen Tennis-Hoffnung nach dem drei Stunden und vierzig Minuten langen Dauerbrenner gegen die favorisierte Slowenin Katarina Srebotnik völlig egal. "Ich bin fix und fertig. Für heute reicht's", sagte sie und spielte verlegen an ihren langen Fingernägeln.

"Jetzt hilft nur noch kämpfen"

Das Unbehagen vor dem Ehrfurcht einflößenden "edelsten Turnier überhaupt" hatte sie auf dem kleinen Nebenplatz an der Church Road im Tiebreak des zweiten Satzes endgültig abgelegt.

Da blitzte auf, weshalb die 1,80 Meter große Newcomerin nach dem Erstrunden-Aus in New York ihr erstes Grand-Slam-Match gewann und als einzige aus dem Damen-Quartett von Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner den Einzug in die zweite Runde schaffte. "Ich wusste, jetzt hilft nur noch kämpfen", habe sie gedacht und prompt zwei Matchbälle abgewehrt.

Danach entwickelte sich ein Marathon-Match, in dem die Führung bis zum Schluss beharrlich wechselte. Am Ende war die Partie fünf Minuten kürzer als die von Chanda Rubin in der zweiten Runde 1995 gegen die Kanadierin Patricia Hy-Boulais.

Damals siegte die Amerikanerin 17:15 im dritten Satz - nach 3:45 Stunden Spielzeit. Julia Görges gewann mit 4:6, 7:6 (8:6), 16:14 und wunderte sich: "Sechsmal habe ich zum Match serviert. Ich weiß nicht, was da bei mir im Kopf vorging."

Hölle auf der Tribüne

Auf der Tribüne durchlebten Trainer Björn Jacob und die Eltern Höllenqualen. Der Schwester daheim am Computer ging es nicht anders. Als es endlich geschafft war, hüpfte Julia Görges laut jubelnd und rannte heulend zu ihren Fans. "Das war ein ganz besonderer Moment; der schönste, den ich bisher hatte", sagte sie später und lehnte sich erschöpft zurück.

"Ich wollte unbedingt gewinnen. Als ich dann immer müder wurde, habe ich mir gesagt: Jetzt geht es nur noch über Glaube und Wille." Mit dieser Einstellung will sie auch die nächste Herausforderung am Donnerstag gegen die Neuseeländerin Marina Erakovic angehen, die in der Weltrangliste 49 Plätze besser steht.

Im Schatten der bekannten Beautys will die attraktive Julia Görges noch unbeachtet vom Boulevard "so weit wie möglich kommen". Während den Scharapowas dieser Welt ihr sexy Outfit fast wichtiger scheint als der sportliche Erfolg, genießt sie das besondere Flair Wimbledons. "Ich liebe es, auf Rasen zu spielen. Dies ist das Turnier, das Tennis definiert; das schönste, weil es auch so edel ist."