Hingsen sieht Zehnkampf-Rekord nicht in Gefahr

SID
Leichtathletik, Hingsen
© DPA

Götzis - "Hollywood-Hingsen" vermisst die Show und die Typen - seinen deutschen Zehnkampf-Rekord sieht der frühere Star auch nach 24 Jahren nicht in Gefahr.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

"Der wird in absehbarer Zeit ganz bestimmt nicht gebrochen. Ich sehe da keinen, der das in den nächsten Jahren schaffen könnte", sagt der längst abgedankte "König der Athleten" Jürgen Hingsen.

Der 9. Juni 1984 war der Tag im Sportlerleben des 2,03 Meter großen Hünen: Noch nicht einmal topfit, erkämpfte er in Mannheim 8.832 Punkte, damals Weltrekord - bis heute beißen sich seine Erben im deutschen Zehnkampf-Team die Zähne daran aus.

Typen gesucht

Hingsen hat nicht nur den deutschen Rekord schon fast ein Viertel-Jahrhundert konserviert - auch sein Selbstbewusstsein hat nach der Sport-Karriere keinen Schaden genommen. 

"Die Jungs, die jetzt Zehnkampf machen, haben alle Potenzial. Aber die sind mir alle zu glatt, da sind zu wenig Typen. Wenn sie Glück haben, können sie mal 8.500 Punkte machen - die hatte ich nach neun Disziplinen schon", tönte der immer zu Späßen und Sprüchen aufgelegte Rheinländer, der gerade aus der Kiste lebt.

Der 50-Jährige zieht bald von Düsseldorf nach München um, heuerte dort als Vertriebs-Manager bei einer der weltweit größten Versicherungsgesellschaften an.

Hingsen feiert mit Dauerrivalen

Seinen 50. Geburtstag hat Hingsen mit seinem früheren Dauerrivalen Daley Thompson auf Mauritius gefeiert. Der Brite hatte seinen deutschen Freund einst "Hollywood-Hingsen" getauft.

Den Spott konnte sich der US-Star leisten, denn in allen wichtigen Wettkämpfen sammelte er mehr Punkte als der Modellathlet "Made in Germany": Hingsen lieferte die Show und wurde Zweiter, Thompson kassierte Gold. So wie 1984 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles.  

Trauma 1988

Den 28. September 1988 würde der Duisburger am liebsten aus dem Gedächtnis streichen: Nach drei Fehlstarts im 100-Meter-Lauf war der olympische Zehnkampf in Seoul für Hingsen beendet, ganz Deutschland lachte über den "Deppen der Nation". Noch heute verfolgen ihn diese Bilder.

"Das wird wohl immer im Unterbewusstsein bleiben. Aber Alpträume habe ich manchmal von einer anderen Szene: Dass ich nochmal zu einem Zehnkampf antreten muss", gesteht er.

Hingsen übt Kritik

Hingsen war Zehnkämpfer mit Haut und Haaren, für die Zukunft der Leichtathletik und ihrer "Könige" sind er heute eher schwarz. "Es sind immer mal ein paar Talente da wie Andre Niklaus oder jetzt in Götzis Pascal Behrenbruch, aber die sind nicht belastbar. Die halten nur ein paar Jahre durch und streichen dann die Segel", betont der deutsche Rekordmann.  

"Im Juniorenalter haben wir noch einige, die in der Welt mithalten können - dann kommt der Bruch." Von den Top Ten der deutschen Zehnkampf-Bestenliste ist heute kein Athlet mehr aktiv.

Sportart auf dem Abstellgleis

"Die Leichtathletik ist heute drittklassig geworden und findet nur noch auf Nebenkriegsschauplätzen statt. Es gibt kaum noch geeignete Stadien, vor allem der Schulterschluss mit den Schulen fehlt", beklagt Hingsen.

"Die Grundausbildung findet praktisch nicht mehr statt, der Sportlehrer schmeißt doch nur noch den Ball in die Mitte." Andere Sportarten wie Biathlon hätten die olympische Kernsportart mit modernen Konzepten längst überholt.