Olympische Fackel mit Jubel begrüßt

SID
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© DPA

Peking - China kann aufatmen, der weltweite Spießrutenlauf ist zu Ende.

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Endlich hat die olympische Flamme chinesischen Boden erreicht. Am Freitag wurde die Fackel durch die Hafenmetropole Hongkong getragen, begleitet von den wehenden Fahnen der begeisterten Olympia-Unterstützer und chinesischen Patrioten und nur von kleineren Protesten und Spannungen getrübt.

Doch die Bilanz fällt für China nach einem Monat Fackellauf denkbar düster aus: Auf ihrem Weg durch 19 Länder wurde das olympische Licht zum beweglichen Ziel für Protestler aller Couleur, die China wegen Tibet, Darfur und Menschenrechten kritisieren. Die erhoffte "Reise der Harmonie" wurde zur Farce und zum PR-Fiasko.

Eitles Schaulaufen der Fackel

Nun aber komme "Ruhe nach dem Sturm", sagen informierte Kreise voraus. Es könnte sich vielleicht sogar als gut für die Spiele herausstellen, dass die Proteste "jetzt passiert" sind. Bis zum Beginn der Wettbewerbe in weniger als 100 Tagen könnte sich "der Wind gelegt haben".

Auf seiner dreimonatigen Reise durch China werden wohl nur noch jubelnde Massen das Feuer begleiten. Dann wird sich die Pekinger Führung endlich im Schein der "heiligen Fackel" sonnen können, so wie sie sich das immer vorgestellt hatte.

Nach verbreiteter Einschätzung hat sich die Volksrepublik in ihrem Stolz aber blenden lassen. "Wir haben es zu wichtig genommen, und das Ausmaß war einfach zu groß", sagte ein chinesischer Professor der "South China Morning Post" über die ehrgeizige Tournee. Mit 137.000 Kilometern hatte Peking sich die längste Route der olympischen Geschichte vorgenommen. Ein eitles Schaulaufen, das Kritikern eine ideale Plattform präsentiert habe.

Ideologisches und physisches Schlachtfeld 

Die Berichte von der Niederschlagung der Unruhen in Tibet heizten die Stimmung an. In London und Paris wurde der Lauf wegen der massiven Proteste unterbrochen, anderswo musste die Route geändert oder verkürzt werden. Erst zum Ende des internationalen Teils des Fackellaufs schafften es chinesische Demonstranten, die Anti-China-Fraktion zu übertönen.

Der Lauf sei zum "ideologischen und physischen Schlachtfeld mutiert, auf dem China-Gegner ihre Wut und Frustration ausagieren", schreibt die Asien-Expertin der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik, Gudrun Wacker.

Der im olympischen Motto beschworene Traum ("Eine Welt, ein Traum") hat sich für die Führung in Peking damit zu einem "Albtraum" gewandelt. Olympia-Funktionäre erwägten schon eine Abschaffung der internationalen Fackelläufe für zukünftige Spiele. Der erste Fackellauf der Neuzeit führte 1936 nach Berlin. Schon damals überquerte das olympische Feuer mehrere Grenzen.

Zeit für Ruhe 

China ist vom Ausmaß der Demonstrationen überrascht und geschockt. Das Volk reagiert trotzig mit einer Welle des Nationalismus. Die chinesische Rollstuhlfahrerin Jin Jing, die in Paris die Fackel gegen Angreifer verteidigt hatte, wurde zur Nationalheldin, französische Unternehmen wie die Einzelhandelskette Carrefour zum Ziel von Boykottaufrufen.

Selbstkritische Stimmen sind hinter dem patriotischen Getöse bis auf wenige Ausnahmen leise geworden. Der Künstler Ai Weiwei nannte den Nationalismus in einer australischen Zeitung schlicht "blind". Die einflussreiche Journalistin Hu Shuli mahnte im Caijing-Magazin, es sei "Zeit für Ruhe".

Spektakuläre Protestaktionen 

Auf seinem Weg durchs Reich der Mitte soll das olympische Feuer nun die Wunden schließen. Einzig der kühne Plan, die Fackel auf den Gipfel des Mount Everests zu tragen, lässt Pekings Olympia-Organisatoren noch zittern. Gefürchtet wird nicht nur der gefährliche Aufstieg auf 8848 Meter Höhe, sondern auch, dass er Gelegenheit für besonders spektakuläre Protestkundgebungen bieten könnte.

Die hohen Sicherheitsvorkehrungen und die dünne Luft dürften diese aber im Keim ersticken. Eine für diesen Anlass entwickelte High-Tech-Fackel wird außerdem dafür sorgen, dass die Flamme auch auf dem höchsten Punkt der Erde nicht erlischt.