Proteste gehen weiter - Kürzerer Fackellauf möglich

SID

San Francisco - Mit einer spektakulären Aktion auf der Golden Gate Brücke haben pro-tibetische Demonstranten noch vor der Ankunft der Olympischen Fackel in San Francisco gegen Chinas Menschenrechtspolitik protestiert.

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Mitglieder der Gruppe "Studenten für ein freies Tibet" erklommen das Wahrzeichen der US-Küstenstadt und hängten zwischen den Stahlseilen ein Transparent mit der Aufschrift "Eine Welt, ein Traum, Freies Tibet" auf.

Mehrere Stunden war das Banner am Montagabend (Ortszeit) zu sehen, bevor es von Brückenarbeitern wieder abgenommen wurde. Sieben Menschen wurden festgenommen. 

Mehr als 500 Sicherheitskräfte

Nach den Protesten am Montag in Paris sollen die Sicherheitsvorkehrungen in San Francisco verschärft werden. Dies kündigte Bürgermeister Gavin Newsom an, ohne aber konkrete Maßnahmen bekanntzugeben. Newsom stellte in Aussicht, dass die geplante zehn Kilometer lange Route für den Lauf am Mittwoch entlang einer Hafenpromenade verkürzt werden könnte.

Nach Angaben der Polizei werden Beamte zum Schutz der 80 Fackelträger an deren Seite mitlaufen. Mehr als 500 Sicherheitskräfte sollten am Dienstag beim Eintreffen der Flamme aus Paris am Flughafen von San Francisco zugegen sein. Beim einzigen Stopp der Flamme in den USA haben Tibet-Unterstützer und mehrere Menschenrechtsgruppen Kundgebungen und Proteste geplant.

"Vieles macht uns Sorge", räumte Polizeisprecher Neville Gittens ein. Entlang der Fackellauf-Route gäbe es "sehr viele Möglichkeiten, um Ärger zu machen". Schon vor den Ausschreitungen in London und Paris hatte San Francisco Pläne für einen längeren Lauf über die engeren, hügeligen Straßen der Stadt gestrichen. Auch Chinatown und die Golden Gate Brücke wurden aus Sicherheitsgründen verworfen. Eine zunächst länger geplante Zeremonie am Ende des Laufs wurde auf 20 Minuten gekürzt.

Bedenken bei den Fackelträgern

Bis zum Montagabend (Ortszeit) war keiner der 80 Fackelträger von der Veranstaltung abgesprungen. Viele äußerten aber ihre Bedenken. "Ich bete und hoffe, dass wir uns gegenseitig respektieren und friedfertig miteinander umgehen", sagte die Nonne Patricia Rayburn dem "San Francisco Chronicle".

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Demonstranten meine Fackel wegnehmen werden", meinte der Verkäufer David Drabkin, der nach einem Beinbruch auf Krücken mitlaufen will. "Ich hoffe, dass es zivilisierter zugehen wird".

Krisentelefonat mit George W. Bush

Der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees der USA (USOC), Peter Ueberroth, hat die olympischen Meetings in Peking aus Angst vor Protesten in San Francisco vorzeitig verlassen. Ueberroth reiste bereits am Dienstag statt wie geplant am Freitag zurück in die USA. Nach dpa-Informationen soll der Chef-Organisator der Spiele 1984 in Los Angeles sogar ein Krisentelefonat mit US-Präsident George W. Bush geführt haben.

Derweil droht dem Olymischen Fackellauf eine drastische Veränderung. Die "internationale Route" müsse überdacht werden, erklärte das australische IOC-Mitglied Kevan Gosper in Peking. Gosper, Chef der Medien-Kommission des IOC kündigte an, nach den Spielen im August in der chinesischen Hauptstadt gebe es die übliche Manöverkritik.

Dabei soll auch über die Zukunft des Fackellaufs diskutiert werden. Der Fackellauf vor den Peking-Spielen führt über 137.000 Kilometer und ist damit der längste in der Olympia-Geschichte.

Von der Politik missbraucht

Nach den Vorkommnissen in Paris hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) gefordert, "das Recht der Fackel" zu respektieren", "friedlich herumgereicht zu werden". Wie es in einer verteilten Pressemiteilung am Rande der olympischen Woche in Peking weiter hieß, wird das IOC auch das "Recht einer friedlichen Demonstration" respektieren.

Stabhochsprung-Weltrekordler Sergej Bubka, Mitglied der IOC-Exekutive, ist "völlig geschockt" über die Vorfälle. Der sagte, er sei "schockiert und enttäuscht, wie die Politiker den Sport und die Athleten benutzen". "Ich verurteile es, wie die Olympische Flamme missbraucht wird. Sie ist ein Symbol des Friedens", erklärte Bubka.

Massive Propagandakampagne in China

China hat nun eine massive Propagandakampagne gegen die antichinesischen Proteste beim olympischen Fackellauf um die Welt gestartet. Das wichtigste Angriffsziel sind ausländische Medien, denen "verfälschte" Berichterstattung über die Proteste der Tibeter gegen die chinesische Fremdherrschaft in dem größten Hochland der Erde vorgeworfen werden.

Das Ausmaß und die Schärfe der chinesischen Gegenkritik sind ein Zeichen für die Sorge der kommunistischen Führer in Peking, dass nach dem Spießrutenlauf des Olympischen Feuers auch der reibungslose Ablauf der Sommerspiele in Peking in Gefahr geraten könnte.

Mit ihren Angriffen auf ausländische Journalisten diskreditiert der Propagandaapparat in China durchaus erfolgreich die Glaubwürdigkeit der Nachrichten aus dem Ausland, schürt den Nationalismus und sichert sich somit die Meinungshoheit.