Keine Kompromisse mit Madsen

SID

Berlin - Örjan Madsen ist nicht zu Zugeständnissen bereit. Unbeirrt will der Sportdirektor des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) die Wahl treffen, wer das Peking-Ticket bekommen soll und wer nicht.

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Harte Zeitnormen plus Platz eins oder zwei - jedem Olympia-Kandidaten ist vor den deutschen Meisterschaften klar, dass es nur eine Chance gibt und schon 1/100 Sekunde zu viel Endstation Berlin bedeutet.

"Es wird schonungslos zeigen, wo wir stehen", sagte Madsen der "Deutschen Presse-Agentur" . Die Normen liegen hoch, über 100 Meter Freistil und 100 Meter Brust der Männer sogar unterhalb der aktuellen deutschen Rekorde.

Sonst lullen wir uns ein

Madsen wich 2006 von seinen Prinzipien ab: Anne Poleska und Mark Warnecke durften ohne Norm mit zur WM 2007 nach Melbourne.

Resultat: Der als Weltmeister angetretene Warnecke schied als 17. im Vorlauf über 50 m Brust aus, die WM-Zweite Poleska endete als 20. (200 m Brust).

Bevor er sich damals erweichen ließ, gab Madsen einen Satz von sich, den er heute doppelt unterstreicht: "Wir können die Messlatte nicht nach unten legen, wenn wir bei Olympia in Peking vorn mitmischen wollen. Sonst lullen wir uns wieder ein."

Druck muss sein

Doch genau das droht: An der Entwicklung des Olympia-Jahres mit 39 Weltrekorden (Kurz- und Langbahn) war der DSV nicht beteiligt - bis zu seinem Vertragsende nach Peking will Madsen dies ändern, fürchtet aber, "dass die Post abgeht und wir auf dem Abstellgleis stehen".

In Berlin sieht er seine gesamte Systematik auf dem Prüfstand. Zwei Jahre nach dem Amtsantritt mit der Vorgabe Weltklasse auf allen Gebieten gibt es Zweifel: Sind die Forderungen zu ultimativ? Sind die Limits zu hart? Sollte es mehr Chancen zur Qualifikation geben?

"Klares Nein", meint Madsen. "Alles, was den Druck von den Schwimmern nimmt, ist der falsche Weg." Die scharfen Limits seien "offen, klar und fair".

Allerdings gebe es zu viele, die zu viel Angst hätten, die sich nicht stellen wollten. Schon vor der EM im März gab Madsen dies zu bedenken, als sich das Gros seiner Besten aus unterschiedlichsten Gründen nicht in der Lage sah, etwas für Wettkampfhärte und Leistungs-Ego zu tun.

"International ist der Druck unheimlich groß. Und international hast du auch nur eine Chance. Du musst deine Leistung dann abrufen können, wenn es drauf ankommt", sagt Madsen, der zu wenig Verhaltens-Professionalität ausmacht.

Steffen und Biedermann als Hoffnungsträger

Britta Steffen und Paul Biedermann sind Ausnahme-Erscheinungen. Die Berlinerin verlor zwar ihren 100-m-Freistil-Weltrekord an Australiens Weltmeisterin Lisbeth Trickett, doch mit deutschem Rekord von 24,53 Sekunden (50 m Freistil) absolvierte sie einen erfolgreichen Test. Sie ist nervös wie ein Rennpferd.

Biedermann, der 21-Jährige aus Halle/Saale, schwamm bei der EM die Konkurrenz in Grund und Boden und gilt nach seiner nationalen Bestmarke von 1:46,59 Minuten als Peking-Geheimtipp über 200 m Freistil.

Die jüngsten Trainingserkenntnisse stärken Madsens Zuversicht: "Wir sind gut." Doch das müsse auch in die Köpfe der Athleten, ohne daran zu denken, ob man den neuen Wunderanzug (LZR Racer) trage oder nicht.

Der Sportdirektor sieht "einen gewaltigen psychologischen Effekt", der sich leistungshemmend auswirken könnte: "Wenn ich den nicht habe, kann ich nicht schnell sein."

Britta Steffen, die ihre Weltbestmarke 2006 im Produkt eines anderen Herstellers erzielte, bringt es auf den Punkt: "Ein Anzug schwimmt nicht von allein, in jedem stecken Menschen."