Fackellauf in Vietnam ohne Zwischenfälle

SID

Peking - Aufatmen vor Olympia: 100 Tage vor Beginn der Sommerspiele am 8. August hat das unerwartete Dialogangebot von Chinas Führung an das religiöse Oberhaupt der Tibeter, den Dalai Lama, zumindest vorübergehend für Entspannung gesorgt.

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Auch der heftig kritisierte internationale Teil des olympischen Fackellaufes, bei dem der Westen plötzlich die sonst so ferne Auseinandersetzung um Freiheit und Unterdrückung in China vor der eigenen Haustür erlebte, endet diese Woche und wird im Reich der Mitte fortgesetzt.

Allerdings wird die umstrittene Besteigung des Mount Everest mit der Fackel in den ersten Maitagen noch einmal Öl ins Feuer gießen und die Gemüter erhitzen, da Exiltibeter darin die Manifestation des chinesischen Machtanspruches über das größte Hochland der Erde sehen.

Alle Sportstätten fertig

Dabei könnten die Spiele trotz des vorolympischen Ärgers eigentlich morgen beginnen. Alle Sportstätten sind fertig, das futuristische Olympiastadion "Vogelnest" ist eingeweiht, die organisatorischen Vorbereitungen sind bis auf Kleinigkeiten weitgehend abgeschlossen, mehr als zwei Drittel aller Karten bereits verkauft, und selbst die schlechte Luft in der Millionenmetropole löst beim IOC kein Trauma mehr aus.

Alles werde gut, betont das Pekinger Organisations-Komitee BOCOG bei nahezu jeder Gelegenheit. Die internationale Polizeibehörde Interpol warnte allerdings vor möglichen Terroranschlägen während der Spiele durch El Kaida oder andere Extremisten.

Die Spiele werden "die besten der Olympia-Geschichte", hatte der ehemalige IOC-Präsident Juan-Antonio Samaranch vor knapp einem Jahr prophezeit.

Politischer Konflikt noch lange nicht gelöst 

Sein Nachfolger als Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge, ist nach seinem Krisen-Geständnis sicher, das Spektakel unter den olympischen Ringen wird "einen guten Einfluss auf die soziale Entwicklung in China" haben".

Der politische Konflikt durch die Unruhe der Tibeter ist noch lange nicht gelöst, aber zumindest entschärft. Die politische Krise und ihre Bewältigung scheinen nur der Vorgeschmack zu sein für neuerliche Zwischenfälle im Vorfeld oder während der Spiele.

Der Streit verdeutlichte die Polarisierung auf beiden Seiten, die nur Schwarz-Weiß-Bilder zulässt. Das freundlich lächelnde Gesicht des Dalai Lama steht im Westen für die Inkarnation des Guten, während sich das Böse problemlos in den kommunistischen Machthabern in Peking festmachen lässt.

Varaltete Propagandamethoden 

Umgekehrt wird in Peking selbst konstruktive Kritik als "feindlich" empfunden. Hinweise auf tiefer liegende Ursachen des Aufstandes der Tibeter wie gesellschaftliche und wirtschaftliche Diskriminierung werden als "voreingenommen und falsch" verteufelt.

Das System greift zu veralteten Propagandamethoden wie nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 und verdeutlicht nur einmal mehr, dass sich in China politisch eben doch wenig verändert hat.

Auch das IOC muss erkennen, dass die Macht der olympischen Bewegung bisher noch nicht ausgereicht hat, die chinesische Innenpolitik entscheidend zu beeinflussen.

Warnung vor "feindseligen Umfeld" 

Journalisten haben vor einem "feindseligen Umfeld" für ausländische Medien in China zu den Olympischen Spiele gewarnt. Anfeindungen gegen Korrespondenten häuften sich genauso wie "Verteufelungen" der westlichen Medien in offiziellen Äußerungen, wie der Klub der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) in Peking erklärte.

Von den Auswirkungen seien nicht nur in China stationierte Reporter betroffen, sondern künftig auch zehntausende Journalisten, die zusätzlich für die Zeit der Spiele nach China kommen wollen.

"Wenn sie weiter geduldet werden, könnten die Behinderungen bei der Berichterstattung und die Hass-Kampagnen gegen die internationalen Medien die vorolympische Atmosphäre für ausländische Journalisten vergiften", warnte FCCC-Präsidentin Melinda Liu.

Verstärkte Behinderungen für Auslandsjournalisten 

Mindestens zehn Korrespondenten hätten parallel zu der in den Staatsmedien und dem Internet laufenden Kampagne gegen angebliche "Voreingenommenheit" der westlichen Medien in ihrer Tibet-Berichterstattung sogar anonyme Todesdrohungen erhalten.

Derzeit komme es zudem verstärkt zu Behinderungen bei der Arbeit von Auslandsjournalisten in von Tibetern bewohnten Gebieten. Seit dem Ausbruch der Unruhen am 14. März in Lhasa seien dem Club mehr als 50 derartige Fälle bekanntgemacht worden.

Besorgt äußern sich auch Diplomaten in Peking über die Welle des Nationalismus, mit dem die Partei das Volk hinter sich schart. Der Hetze fallen selbst chinesische Stimmen der Vernunft zum Opfer.

Die Mehrheit schweigt 

Als die chinesische Rollstuhlfahrerin Jin Jing, die in Paris die Fackel gegen Angreifer verteidigt hatte und danach zur Nationalheldin aufgestiegen war, ihre Zweifel an dem Boykott französischer Waren äußerte, wurde sie prompt als "Verräterin" beschimpft.

Doch die Mehrheit der 1,3 Milliarden Chinesen schweigt. Die meisten freuen sich auf das größte Sportereignis der Welt. So mancher sieht mit Unbehagen, wie Olympia zur "nationalen Angelegenheit" hochstilisiert wird.

Erst damit entsteht auch die Plattform, die jetzt all jene nutzen, die Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung von Tibetern und Uiguren, den Mangel an Freiheiten, soziale Missstände oder Chinas Außenpolitik in Darfur oder Birma anprangern.

IOC muss sich wehren 

Das IOC muss sich zunehmend gegen Kritik wehren, wenig zur Moderation zwischen den Extremen beigetragen zu haben. Quälend lange vermied das höchste Sportgremium jede kritische Stellungnahme, wollte sich aus der Politik heraushalten, feiert dann aber das Dialogangebot an den Dalai Lama indirekt als Erfolg seiner "stillen Diplomatie".

Aber Forderungen, dass Olympia-Gastgeber künftig vielleicht doch besser zumindest einfachste Menschenrechtsstandards erfüllen sollten, fallen immer noch nicht auf fruchtbaren Boden.