Chinas Patrioten kämpfen mit West-Boykott

SID
China, Olympia 2008, Boykott
© Getty

Peking - Chinas Patrioten mobilisieren die Massen: Tausendfach fordern sie derzeit via Internet und SMS den Boykott westlicher Firmen und wettern gegen die "voreingenommene" ausländische Presse.

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Hauptziel der Attacken sind der US-Nachrichtensender CNN und die französische Supermarktkette Carrefour. "Die chinesische Nation war sich niemals so einig. Lassen wir am 1. Mai alle Carrefours in China links liegen", gab das Parteiorgan "Renmin Ribao" (Volkszeitung) einen Interneteintrag wieder.

Boykott westlicher Firmen

Geschockt von der Tibet-Berichterstattung und den weltweiten Protesten beim olympischen Fackellauf blasen nun vor allem junge Chinesen zum Gegenangriff. Sie fühlen sich in ihrem Stolz auf das eigene Wirtschaftswunder verletzt. "Kauft von jetzt an keine Peugeots mehr, tragt kein französisches Parfüm und esst kein französisches Essen mehr", zitierte die "Renmin Ribao" eine Internetnutzerin.

Grund für die Wut: Ein Anteilseigner von Carrefour wird beschuldigt, den Dalai Lama, das religiöse Oberhaupt der Tibeter, finanziell unterstützt zu haben. Bekannte Marken wie L'Oréal, Louis Vuitton oder Christian Dior gerieten wegen der Proteste beim olympischen Fackellauf durch Paris auf die Liste der Kaufverweigerer. Die aufgebrachten Konsumenten werfen Frankreichs Sicherheitskräften Versagen beim Schutz der "heiligen" Flamme vor.

"Weltführer der Lügner"

Gegen den US-Nachrichtensender CNN wird verstärkt gewettert, weil er Tatsachen aus Tibet verdreht haben soll. Auf einer Homepage wird der Sender als "Weltführer der Lügner" gebrandmarkt. Patrioten dichteten ein Poplied zum Anti-CNN-Song um. Eine Sängerin säuselt nun gefühlvoll gegen den Sender an: "Sei nicht so wie CNN..."

Einen neuen Aufschrei provozierte der US-Sender, als ein Sprecher die Chinesen mit den Worten diffamierte, sie seien "im Grunde derselbe Haufen Rowdys und Strolche wie seit 50 Jahren". Eine von US-amerikanischen Chinesen eingebrachte Online-Petition forderte eine Entschuldigung für die "Hassrede" und wurde mehr als 60 000 Mal unterzeichnet.

CNN führte zu seiner Verteidigung an, dass mit der Bemerkung die Regierung gemeint gewesen sei und keineswegs das ganze Volk. Viel half das nicht, denn viele Chinesen machen da keinen so großen Unterschied.

Wer die Regierung beleidigt, beleidigt alle Chinesen gleich mit, meinen sie. "Ihr Stolz und ihr Patriotismus finden oft Ausdruck in einer bedingungslosen Unterstützung ihrer Regierung, vor allem in Bezug auf Tibet", schrieb der Journalist Matthew Forney über "Chinas loyale Jugend" in der "New York Times".

Fackelträgerin wurde angegriffen

Der Chinakenner Forney stellt zunehmenden Nationalismus unter Chinas Jugendlichen fest. Der äußert sich gelegentlich in einem bedrohlich wirkenden Aktionismus. Ausländische Korrespondenten berichten von Schmähanrufen und Drohungen am Telefon.

Belästigt wurde auch ein in den USA lebender Tibeter, weil er in Paris versucht haben soll, der Rollstuhlfahrerin und Fackelträgerin Jin Jing das olympische Feuer zu entreißen. Die junge Verteidigerin der Fackel wird in ihrer Heimat als "lächelnder Engel" und Heldin gefeiert.

Pekings Machthaber haben sich von dem patriotischen Übereifer bisher nicht distanziert. "Sie sollten auf die Stimme des chinesischen Volkes hören", forderte Außenministeriumssprecherin Jiang Yu, als sie auf den Carrefour-Boykott angesprochen wurde. Der Regierung kommt die Aufregung offenbar nicht ganz ungelegen.

Chinesen stehen hinter Staatsführung

Während der Westen im olympischen Fackellauf bereits ein PR-Desaster für China ausmachte, schlachten Chinas Medien die Bilder für ihre Propaganda aus. Die Kritik soll das Volk einen. 

Anders als im Westen oft angenommen, scheinen junge Chinesen keinen heimlichen Groll gegen ihre ungewählte Staatsführung zu hegen, sagen China-Experten. Weltweit mehren sich deshalb Stimmen, die radikale anti-chinesische Proteste im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008 in Peking als kontraproduktiv ansehen.

Die Chinesen würden sich als Volk gedemütigt fühlen, egal "welche Absichten die Demonstranten auch verfolgen mögen", erklärte jüngst Singapurs Premierminister Lee Hsien Loong.