Anzug-Diskussion verunsichert Schwimmer

SID

Berlin - Gut 100 Tage vor Olympia sind Deutschlands Schwimmer verunsichert. Zum Auftakt der nationalen Titelkämpfe in Berlin brachte die Diskussion um den Weltrekord-Anzug des australischen Ausrüsters Speedo den beim deutschen Konkurrenten adidas unter Vertrag stehenden DSV unter Druck.

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35 der 39 Weltrekorde des Olympia-Jahres auf Kurz- und Langbahn sind im "LZR Racer" von Speedo geschwommen worden. Forderungen von Weltrekordler Thomas Rupprath auf freie Anzugwahl für Peking erteilte DSV-Generalsekretär Jürgen Fornoff mit Hinweis auf den mit insgesamt rund vier Millionen Euro dotierten adidas-Vertrag eine Absage.

"Wir werden nicht vertragsbrüchig", sagte Fornoff der dpa, "das ist auch eine Frage der Moral." Der Vierjahresvertrag läuft bis Ende 2009 und ist mit einer einseitigen zweijährigen Option für adidas ausgestattet.

Diskussion setzt sich in den Köpfen fest 

Doch unabhängig davon, welchen Anteil der neue Anzug wirklich an der vorolympischen Weltrekord-Inflation hat, ist ein Problem nicht mehr wegzudiskutieren. Die Angst, im falschen Anzug zu stecken, setzt sich langsam in den Köpfen fest. "Ich glaube nicht, dass man das mit den besten Psychologen der Welt hinkriegen kann", stellte DSV-Sportdirektor und Cheftrainer Örjan Madsen in Berlin fast resignierend fest.

"Wenn einer in Anzug X auf dem Startblock steht und daneben einer mit Speedo, dann hat er schon verloren. Dies ist ein fantastisches Beispiel dafür, was Glaube ausrichten kann", sagte der Norweger.

"Anzug schwimmt nocht von alleine"

Madsen ist dennoch fest überzeugt, dass die deutschen Schwimmer auch ohne diesen Anzug Spitzenzeiten erzielen werden und sich in der Welt behaupten können. Sie müssten nur an sich glauben. Olympia- Medaillenhoffnung Britta Steffen (Berlin) lebt es vor. "Ich schwimme in adidas und bin damit vor zwei Jahren meinen Weltrekord über 100 Meter Freistil geschwommen", sagte die 24-Jährige, "bei allen Diskussionen sollte man nicht vergessen, dass ein Anzug nicht von allein schwimmt, sondern in jedem Anzug Menschen stecken, die einen guten oder einen schlechten Tag haben, gut oder schlecht trainieren konnten."

Der neue "Wunderanzug" der Australier ist komplett verschweißt, hat keine Nähte und eine wasserabweisende Oberfläche. Für Madsen gibt es aber trotz der Weltrekorde "keine wissenschaftlich nachvollziehbare Untersuchung", die belege, dass der rund 500 Euro teure "LZR Racer" tatsächlich schneller macht.

Rupprath kritisiert DSV-Politik

Bei den deutschen Meisterschaften haben die Schwimmer freie Anzug-Wahl. Bei Olympia müssen aber alle Athleten, auch die vier, die wie Rupprath einen Privatvertrag mit Speedo haben, im Anzug von DSV- Ausrüster adidas antreten. Für Rupprath ein Problem: "Der DSV muss sich ernsthaft Gedanken machen, sonst rutschen wir gänzlich in die Mittelmäßigkeit ab."

Madsen: "Diese Diskussion hat eine Tendenz erhalten, von den wesentlichen Dingen abzulenken. Es wäre besser, wenn alles wieder auf die Schwimmer ausgerichtet wäre und nicht auf das Material." Aus Gründen der Chancengleichheit können man sich aber "nicht wünschen, dass alle nackt schwimmen".