EU fordert von China Dialog

SID
Olympia, Steinmeier
© Getty

Brdo - Die Außenminister der 27 EU-Staaten haben die Regierung Chinas zu einem "substanziellen und konstruktiven Dialog" mit dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter, dem Dalai Lama, aufgerufen.

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Sie äußerten sich nach Beratung im slowenischen Ort Brdo nicht über über einen Boykott der Olympischen Spiele in Peking und gaben auch keine Empfehlung zu einem möglichen Fernbleiben von Regierungsvertretern von der Eröffnungsfeier.

"Die Fragen Olympia und Boykott haben in der Diskussion keine Rolle gespielt", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vor Journalisten.

Die EU ist in der Pflicht 

"Viele haben zum Ausdruck gebracht, dass eine politische Instrumentalisierung des Sports, wie sie von manchen mit der Ankündigung von Boykott beabsichtigt worden ist, keine angemessene Reaktion wäre." Der derzeitige EU-Ratsvorsitzende, Sloweniens Außenminister Dimitrij Rupel, sagte: "Wir trennen die Fragen von Menschenrechten und Demokratie von Ereignissen wie beispielsweise den Olympischen Spielen."

Der britische Außenminister David Miliband sagte: "Wir haben uns nicht mit den Olympischen Spielen befasst, weil die EU sich in jedem Jahr für die Menschenrechte interessieren muss, nicht nur in einem Olympiajahr. Das ist 2009 ebenso ein Thema wie 2008. Und wir brauchten einen Dialog in China, auch wenn es gar keine Olympischen Spiele gäbe."

Forderung nach Ende der Gewalt 

In einer Erklärung zum Abschluss ihre Treffens zeigen sich die Minister "sehr besorgt über die Ereignisse in der Region Tibet." Sie forderten ein Ende der Gewalt und forderten, dass alle Gefangenen gemäß internationalen Standards behandelt werden. Auch müssten die Medien freien Zugang zu Tibet bekommen.

Die Minister verwiesen darauf, dass der Dalai Lama sich gegen die Gewalt gewendet habe und keine Unabhängigkeit, sondern Autonomie für Tibet fordere. Daher sei ein Dialog zwischen Peking und dem Dalai Lama möglich, in dem es um Fragen wie den Erhalt der tibetischen Sprache, Kultur, Religion und Tradition gehe.

Vesper gegen Proteste 

Die Außenminister behielten sich vor, in den kommenden Monaten vor den Spielen in Peking erneut über einen möglichen Boykott zu reden. Dies werde von der Entwicklung der Lage abhängen, sagten Diplomaten.

Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), hat sich gegen Protestaktionen deutscher Sportler bei den Olympischen Spielen in Peking wegen der chinesischen Tibet-Politik ausgesprochen.

Kein Maulkorb aus Rücksicht 

"An den olympischen Stätten sind politische Demonstrationen untersagt, und das aus gutem Grund", sagte Vesper in einem Interview der "Frankfurter Rundschau".

"Stellen Sie sich einmal vor, dass der serbische Sportler für den Kosovo als Teil Serbiens demonstriert und der Kosovare für das Gegenteil, dass Basken, Kurden und wer sonst während des 10.000-Meter-Laufs für ihre Anliegen eintreten", meinte er weiter. "Dann würde das Sportstadion zum globalen Marktplatz der Meinungen. Das kann nicht gutgehen."

Als Maulkorb wolle er die Rücksicht auf die Charta des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) aber nicht verstanden wissen.

Leitbild des mündigen Athleten 

Es gelte das "Leitbild des mündigen Athleten - wenn man so will also des mündigen Staatsbürgers im Sportdress. Der soll sich eine Meinung bilden, sie sagen und öffentlich vertreten wenn er es will." Außerhalb der olympischen Stätten könne und solle jeder Athlet seine Meinung zu diesen Fragen kundtun.

Vesper betonte in der "Frankfurter Rundschau", es sei nicht zuletzt den Olympischen Spielen in Peking zu verdanken, dass die Vorkommnisse in Tibet und den angrenzenden Provinzen im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen: "Die Zeitungen platzieren Tibet auf Seite eins, die Kollegen von Fernsehen und Radio machen Sondersendungen dazu, endlich. Und warum? Weil die Spiele für weltweite Öffentlichkeit sorgen."

Der DOSB hatte am 24. März einen Verzicht auf einen Boykott der Olympischen Spiele im August erklärt.

Berichterstattung in vollem Umfang 

Verper mahnte einen fairen Umgang mit dem Gastgeberland an. Es habe "in den vergangenen sieben Jahren enorme Entwicklungen in China gegeben". Das Land vollziehe in wenigen Jahren einen Prozess, "für den Mitteleuropa drei Jahrhunderte gebraucht hat".

Auch in Drohungen mit einem TV-Boykott sieht der ARD-Vorsitzende Fritz Raff zur Zeit keinen Sinn. "Das ist bislang nur ein Wettbewerb um die beste Schlagzeile", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Derzeit gehe er davon aus, dass ARD und ZDF wie geplant aus China berichten werden. "Wir werden jedoch genau beobachten, ob unsere Freiheit der Berichterstattung eingeschränkt wird." Sollte dies der Fall sein, sei neu zu prüfen, "ob wir unseren rechtlichen Verpflichtungen auf Berichterstattung in vollem Umfang nachkommen können".

ARD mit eigenen Kamera-Teams 

Ähnlich äußerte sich WDR-Intendantin Monika Piel in einem Interview mit dem "Focus". Die ARD will mit eigenen Kamera-Teams in China unterwegs sein. "Würde dies eingeschränkt, müssten wir neu über die Berichterstattung nachdenken", sagte sie.

Zuletzt hatte das öffentlich-rechtliche Fernsehen Frankreichs einen Boykott der Berichterstattung von den Olympischen Spielen nicht ausgeschlossen. Sollte die chinesische Regierung Berichte über Demonstrationen verändern oder zensieren, werde France Televisions "zweifellos entscheiden, nicht über die Olympischen Spiele zu berichten", war Sportchef Daniel Bilalian in französischen Medien zitiert worden.