Historie bedeutet nicht Hysterie

SID
Boxen, Klitschko, Ibragimow
© DPA

New York - Die Box-Welt schaut gebannt nach New York. Der legendäre Madison Square Garden ist in der Nacht zum Sonntag Schauplatz der ersten Titelvereinigung im Schwergewicht dieses Jahrhunderts.

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Der Ukrainer Wladimir Klitschko setzt seine WM-Gürtel der International Boxing Federation (IBF) und der International Boxing Organisation (IBO) gegen den Russen Sultan Ibragimow, Weltmeister der World Boxing Organisation (WBO), aufs Spiel.

"Der Kampf ist für den Boxsport sehr wichtig, weil es derzeit keinen großen Star im Schwergewicht gibt. Die Fans wollen aber Leitfiguren, und wir müssen dafür sorgen, dass sie sie bekommen", sagte Klitschko vor dem Duell zweier Schwergewichts-Champions.

Ein solches hatte es zuletzt am 13. November 1999 in Las Vegas gegeben, als der Brite Lennox Lewis den Amerikaner Evander Holyfield nach Punkten bezwang.

Beide werden Samstagnacht wohl auch am Ring sitzen. Doch Begeisterung wie zu ihren Zeiten will vor dem Duell in den Staaten nicht so recht aufkommen. Klitschko spricht zwar von einem "geschichtsträchtigen Moment", doch Historie bedeutet nicht automatisch Hysterie.

Kaum Schlagzeilen 

Auch wenn die Managements beider Boxer Anfang Februar Journalisten für zwei Tage in die jeweiligen Trainingscamps nach Florida einluden, sorgt der Kampf in den USA kaum für Schlagzeilen.

Hier liegt das Schwergewichtsboxen am Boden, und die Fans leiden. Die großen Namen Ali, Frazier, Foreman, Tyson, Holyfield sind Vergangenheit, ihre legendären Fights nur noch Mythos.

In Amerikas heiligster Halle, dem Madison Square Garden, wo sich am 8. März 1971 Joe Frazier und Muhammad Ali im "Kampf des Jahrhunderts" gegenüberstanden und Millionen Landsleute vor den Fernsehgeräten begeisterten, boxen Samstagnacht zwei Osteuropäer um die Kronen.

Gegenseitiger Respekt 

Die WM-Gürtel der vier bedeutendsten Verbände (IBF, WBO, WBA, WBC) sind alle in osteuropäischer Hand. Die Boxer aus der ehemaligen Sowjetunion seien einfach hungriger, und für die Amerikaner gebe es mittlerweile andere Möglichkeiten, leichter ans Geld zu kommen, sagt Box-Promoter Don King, der einst mit "Rumble in the Jungle" und "Thrilla in Manila" die legendärsten Fights der Schwergewichts-Szene organisierte.

Kings Kämpfe waren Shows, bei denen alles stimmte und bereits Wochen vorher die mediale Maschinerie auf Hochtouren lief. Ibragimow und Klitschko hingegen konzentrieren sich in ihren Trainingslagern eher auf ihren Sport als auf das Spektakel.

Beide respektieren und achten sich. Klitschkos Aussage, er glaube nicht, dass der Kampf über die volle Distanz gehe, war im Vorfeld noch der spektakulärste Spruch. Sein 32-jähriger russischer Kontrahent ließ sich lediglich entlocken, dass man im Ring sehen werde, wie der Kampf ende.

Kein Vergleich zu Mayweather und de la Hoya

"Ich werde Ibragimow weder unter- noch überschätzen. Ich nehme ihn einfach sehr ernst und habe großen Respekt vor ihm", formulierte Klitschko moderat. Und Ibragimow gab das Lob artig zurück: "Er ist ein außergewöhnlicher Boxer. Ich will in der Lage sein, mich mit ihm zu messen und ihn zu besiegen."

Schlechte Publicity bedeutet in Amerika zwangsläufig weniger Geld. Während Floyd Mayweather Jr. und Oscar de la Hoya im Mai 2007 mit ihrem WM-Kampf im Superweltergewicht 165 Millionen Dollar umsetzten und so für die größte je erzielte Box-Börse sorgten, rechnen Experten bei Klitschko und Ibragimow nur mit einem Zehntel an Einnahmen.

Gering sind offenbar auch die Erwartungen beim Fernsehsender HBO, denn die Übertragung ist unverschlüsselt. Das Duell der Mittelgewichtler Kelly Pavlik und Jermain Taylor II am vergangenen Samstag in Las Vegas gab's hingegen nur im Pay-per-view. Es war zwar kein Titelkampf, aber es standen zwei Amerikaner im Ring - und das versprach Show, Spektakel und Einschaltquote.