Spuckattacken vom Pizzabäcker

Von Interview: Alexander Mey
van almsick, franziska
© Imago

München - Was macht eigentlich Franziska van Almsick? Schwimmen tut sie nicht mehr, zumindest nicht mehr professionell. Doch was ist aus dem einstigen Liebling der Massen geworden?

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SPOX.com hat sich mit der Mutter von Söhnchen Don Hugo unterhalten und einiges über die neue Franzi erfahren. Oder hätten Sie gewusst, dass sie mittlerweile wasserscheu geworden ist und in ihrer neuen Heimat Heidelberg Pizza unter falschem Namen bestellt, nur um sich vor Spuckattacken zu schützen?

Worum geht es im Interview noch? Um van Almsicks Leben als Frührentnerin, die Gefahr eines Auftritts im Dschungelcamp und natürlich um Sport. Schließlich stehen die Olympischen Spiele in Peking vor der Tür.

SPOX: Unter welchem Namen haben Sie das letzte Mal Pizza bestellt?

Franziska van Almsick: Das zu verraten wäre ja doof, denn dann müsste ich mir einen neuen suchen.

SPOX: Haben Sie nicht mehrere zur Auswahl?

Van Almsick: Naja, die üblichen Namen wie Müller, Meier und Schulze werden immer gerne genommen. Es ist nur blöd, wenn dann auf dem Klingelschild ein anderer Name steht. Dann sind Ausreden gefragt. Und man muss natürlich oft den Pizza-Service wechseln, weil der den Trick irgendwann mitbekommt.

SPOX: Das ganze hat aber auch einen ernsten Hintergrund, nämlich, dass Sie als Promi nicht gleich von jedem erkannt werden möchten.

Van Almsick: Es gibt immer Leute, die ganz entzückt sind, wenn sie einen sehen und mit Komplimenten um sich schmeißen. Dann gibt es aber auch Leute, die mich nicht mögen. Normalerweise habe ich damit kein Problem, aber wenn ich bestimmten Situationen aus dem Weg gehen möchte, sind Pseudonyme hilfreich. Ich muss es nicht haben, dass der Pizzabäcker mir auf die Pizza spuckt, nur weil er mich nicht leiden kann.

SPOX: Wie ist das Leben in Heidelberg? Sie haben mal gesagt, es sei dort wie im Urlaub.

Van Almsick: Das Leben ist sehr schön. Wenn man von Berlin nach Heidelberg kommt, dann muss es sich nach Urlaub anfühlen.

SPOX: Wieso?

Van Almsick: Es ist einfach so beschaulich hier. Ich sehe Berge, das hatte ich in Berlin überhaupt nicht. Außerdem ist es als Prominenter in einer Kleinstadt sehr schön. Die Leute gewöhnen sich an einen. Ich kann unbehelligt zum Bäcker gehen.

SPOX: Ein perfekter Ort für ein Frührentner-Leben.

Van Almsick: Ganz so ist es ja nun nicht. Ich habe mein Büro hier und bin dabei, einige Projekte anzuschieben. Ich berichte für die ARD von den Olympischen Spielen, vielleicht kann ich sogar wieder für die Presse schreiben, was ich zuvor schon gemacht habe. Dazu kommen einige Charity-Projekte. Es geht wieder los, ich verlasse wieder häufiger mein beschauliches Heidelberg.

SPOX: Weil Ihnen zu Hause die Decke auf den Kopf fällt?

Van Almsick: Es ist schon so, dass man als Sportler etwas braucht, woran man sich messen kann. Im Alltagsleben als Mutter mit Kind ist es schwierig, sich Herausforderungen zu suchen. Es ist schon schön, wenn man einen Job und etwas zu tun hat.

SPOX: Ist das Leben nach dem Hochleistungssport langweilig?

Van Almsick: Zumindest ist es eine Umstellung. Es gibt so viele Dinge im Alltag, die man als Leistungssportler gar nicht gemacht hat. Die muss man erst einmal lernen, weil man als Sportler immer wie in einem Wattebausch gelebt hat. Das Leben an sich ist interessanter geworden.

SPOX: Was machen sie jetzt, das sie früher nie machen mussten?

Van Almsick: Das geht los bei der stinknormalen Steuererklärung. Sein eigenes Leben zu managen, ist ein Fulltime-Job.

SPOX: Wie viel hat die Franziska von heute noch mit der Franzi von früher zu tun?

Van Almsick: Ich glaube sehr viel. Ich hatte nie ein Image und habe mich niemals anders gegeben als ich bin. Das hat sich bis heute nicht geändert. Ich bin vielleicht einfach etwas gelassener und ruhiger geworden. Früher war ich ein Wirbelwind und wollte mit dem Kopf durch die Wand. Das gewöhnt man sich mit knapp 30 ab. Mit einer Familie im Rücken sind viele andere Dinge einfach nicht mehr so wichtig wie früher.

SPOX: Ziehen Sie jeden Morgen immer noch ihre Bahnen im Schwimmbecken?

Van Almsick: Lustiger Weise gar nicht. Ich warte noch auf den Tag, an dem ich wirklich Lust verspüre. Außer im Urlaub, wenn ich das Wasser direkt vor meiner Nase habe, prügle ich mich nicht darum, schwimmen gehen zu können. Dann doch lieber plantschen mit dem Sohn.

SPOX: Was ist Ihnen von Ihrer Karriere geblieben, sowohl positiv als auch negativ?

Van Almsick: Ohne den Sport wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin. Positives und Negatives haben mich geprägt. Ich hatte wahnsinnigen Erfolg und habe den auch genossen. Aber sich nach all den Rückschlägen immer wieder aufgerafft zu haben, ist heute fast noch wertvoller. So etwas können nicht viele von sich behaupten. Das hat mir sehr viel Selbstvertrauen gegeben und hilft mir für mein heutiges Leben ungemein.

SPOX: Haben Sie die Rückschläge davor bewahrt abzuheben?

Van Almsick: Definitiv. Das habe ich gleich nach den letzten Olympischen Spielen gesagt, als ich wieder nicht Gold gewonnen hatte. Ich bin die Unvollendete und kann sehr gut damit leben. Niederlagen wie diese haben mich demütiger gemacht. Man muss nicht alles erreichen und kann trotzdem ein tolles Leben haben.

SPOX: Sehen Sie sich gerne im Fernsehen?

Van Almsick: Man bekommt viele Anfragen und trifft auch Leute, die von einem erwarten, dass man ab und zu im Fernsehen auftritt. Manchmal mache ich das ganz gerne, und ich bin froh, dass ich mich nicht verkaufen muss.

SPOX: Hat das Grenzen oder laufen wir Gefahr, Sie irgendwann mal im Dschungelcamp zu sehen?

Van Almsick: Ich mache nicht jeden Scheiß mit. Es gibt zwar Dinge wie eine Minigolf-Show vor ein paar Jahren, die ich gerne aus meiner Vita streiche würde. Aber Dschungelcamp wäre das Allerletzte, das ich machen würde.

SPOX: Lassen Sie uns über Sport reden. Was erwarten Sie von den DSV-Schwimmern bei Olympia in Peking?

Van Almsick: Die Erwartungen sind sehr groß. Wir haben mit Britta Steffen eine Weltrekordhalterin, wir haben Paul Biedermann bei den Männern. Das sind junge Leute, die sich sicher viel vorgenommen haben. Ich bin persönlich sehr gespannt, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Olympische Spiele immer ganz eigene Gesetze haben. Da kannst du als Favorit hinfahren und gewinnst trotzdem nur eine Holzmedaille. Das ist sehr eigenartig. Wenige Favoriten halten diesem Druck stand, es ganz besonders gut machen zu wollen. Meistens verbockt man es dann. Dennoch denke ich, dass wir sehr gute Medaillenchancen haben. Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn nach 1996 endlich mal wieder jemand Gold für Deutschland holen könnte.

SPOX: In der Vergangenheit haben Sie die Arbeit im Verband gerne einmal lautstark kritisiert.

Van Almsick: Ja. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann tue ich das auch. Ich lasse mir von niemandem den Mund verbieten. Ich denke aber, dass ich bei meiner Kritik immer sehr fair war und nie einfach nur grundlos gemotzt habe. Im Moment gibt es für mich aber keinen Grund zur Kritik. Jahrelang hat der Verband die Entwicklung verschlafen und ist auf der Stelle getreten. Jetzt sieht es danach aus, als ginge es voran. Ich drücke auf jeden Fall die Daumen.