"Verblödet und geblendet"

Von Interview: Daniel Börlein
Sdunek, Michalczewski, Tiger
© Getty

München - Unter Fritz Sdunek hätte Dariusz Michalczewski beinahe den legendären Rekord von Rocky Marciano von 49 Siegen in Folge gebrochen. 2003 verlor der Tiger dann allerdings ausgerechnet in seinem 49. Fight gegen den Mexikaner Julio Cesar Gonzalez.

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Rund anderthalb Jahre später folgte eine weitere Niederlage im WM-Kampf gegen den Franzosen Fabrice Tiozzo. Sdunek rang seinem Schützling daraufhin das Versprechen ab, Schluss mit dem Boxen zu machen.

Im Mai kehrt der Tiger nun gegen Graciano Rocchigiani in den Ring zurück und hätte Sdunek gerne in seiner Ecke. Der zeigt sich bei SPOX.com allerdings alles andere als begeistert von den Comebackplänen.

SPOX: Dariusz Michalczewski hat sein Versprechen gebrochen, das er Ihnen 2005 gegeben hat, wonach er nicht mehr in den Ring steigen wird. Was sagen Sie dazu, dass er nun sein Comeback gibt?

Fritz Sdunek: Das ist seine Sache. Ich bin davon natürlich nicht erfreut.

SPOX: Sie wirken enttäuscht.

Sdunek: Ja, das bin ich. Aber wenn man heutzutage mit so etwas Geld verdienen kann, dann werden die Jungs eben immer wieder weich. Ich finde das fürs Boxen natürlich nicht besonders gut, aber die Jungs brauchen das scheinbar ja. Wahrscheinlich brauchen sie auch das Drumherum.

SPOX: Sie meinen Aufmerksamkeit und Geld?

Sdunek: Ja, natürlich. Maske hat es doch vorgemacht. Wenn man mit so einem Theater so eine hohe Reichweite erzielen und so viel Geld verdienen kann, macht es das für die Leute natürlich immer wieder interessant. Wie viel die Kämpfer kassieren, weiß ich nicht. Aber umsonst wird da nichts gemacht.

SPOX: Der Tiger hätte Sie gerne in seiner Ecke gehabt. Warum wollen Sie nicht?

Sdunek: Ich bin einfach gegen solche Comeback-Kämpfe. Er hat mich jetzt angerufen und wir haben uns darüber unterhalten. Es ist ja auch noch nicht alles hundertprozentig in Sack und Tüten.

SPOX: Inwiefern?

Sdunek: Beide Kämpfer müssen erstmal den Ärztecheck durchstehen.

SPOX: Sehen Sie bei solchen Comeback-Fights eine Gefahr für die Gesundheit?

Sdunek: So ist es. Die kehren zurück und wollen den Jungen beweisen: "Ich kann es noch immer so wie früher". Aber so ist es eben nicht mehr und dann können auch richtige Schäden entstehen. So ungefährlich ist Boxen ja nun wirklich nicht. Und beide wurden ja mit Niederlagen in Rente geschickt und nun kehren sie zurück.

SPOX: Woran liegt es, dass viele ehemalige Kämpfer wieder zurückkommen?

Sdunek: Weil die Leute so bescheuert sind und sich das angucken. Ob es das Promiboxen war, oder die Comebacks von Schulz und Maske. Bei Schulz ging das ja komplett daneben. Bei Maske ging es zum Glück gut. Er hat sich da noch mal in eine tolle Form gebracht. Mit dieser Leistung hat er sich bei vielen ein Denkmal gesetzt. Aber nur bei denen, die keine Ahnung haben. Denn in Wirklichkeit war das ja gar kein toller Kampf.

SPOX: Welchen sportlichen Stellenwert haben denn solche Kämpfe?

Sdunek: Sportlich haben sie gar keinen Stellenwert. Da steckt nichts dahinter.

SPOX: Wird das "richtige" Boxen dadurch mit Füßen getreten?

Sdunek: Man sieht ja, dass die Leute drauf stehen. Die Medien berichten über so etwas mehr als über aktuelle Weltmeisterschaften. Das enttäuscht mich. Das zeigt, wie blöd man auf so etwas reagiert.

SPOX: Für Sie als Trainer ist das wohl sehr frustrierend. Haben Sie deshalb schon ans Aufhören gedacht?

Sdunek: Daran denke ich nicht. Aber es ist schon frustrierend, wie die Leute durch so etwas immer mehr verblödet und geblendet werden.

SPOX: Werden Sie sich den Kampf ansehen?

Sdunek: Das weiß ich noch nicht. Man muss sehen, wie sich alles entwickelt, ob ich Zeit habe. Am Fernseher werde ich ihn mir wohl schon ansehen.

SPOX: Wie lautet Ihre Prognose für den Kampf?

Sdunek: Das lässt sich jetzt noch nicht absehen. Es ist noch lange hin bis zum Kampf. Ich werde mit beiden sicherlich noch Kontakt haben und mir dann ein eigenes Bild machen können.

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