Experten kritisieren Antidoping-System

SID

Berlin - Führende deutsche Experten haben heftige Kritik am Kontrollsystem und am Umgang der deutschen Radsport-Teams mit dem Anti-Doping-Kampf geübt.

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Medizinprofessor Fritz Sörgel kritisierte in der "Süddeutschen Zeitung" den fragwürdigen Umgang mit dem "mysteriösen Fall" des WM-Dritten Stefan Schumacher und bezeichnete es als "völlig inakzeptabel", dass der Radstar aus Nürtingen seine schwankenden Blutwerte mit Blutbildern erklären ließ, die er selbst in Auftrag gegeben hatte.

Zugleich griff der EPO-Forscher den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) scharf an.

"Man hat dort keine Experten, die überhaupt die UCI-Regeln kennen. Offensichtlich hat man sich jetzt in so viele Widersprüche verstrickt, dass man glaubt, besser beraten zu sein, indem man erstmal schweigt", sagte Sörgel, der vormals der Antidoping-Kommission des BDR angehörte, die sich unter Protest über ihre Arbeitsbedingungen im August selbst wieder auflöste.

"Chaos beim BDR"

Sörgel spricht sogar vom "Chaos beim BDR" in Bezug auf die Behauptung des Verbandes, dass es sich im Fall Schumacher um "keinerlei Manipulation" handele. Athlet und Verband hatten die erhöhten Werte mit einer Durchfall-Erkrankung begründet.

Sörgel: "Fest steht, dass bei erhöhten Werten Schutzsperren eintreten. Also zum Beispiel auch bei einem Hämatokrit von 51 Prozent."

Frommert zieht sich zurück

Christian Frommert erklärte auf eigenen Wunsch seinen Rückzug aus dem Kuratorium der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA. Der Leiter Sponsoringkommunikation der Deutschen Telekom gehörte dem Gremium seit August 2006 an.

"Die Deutsche Telekom wird auch weiterhin Förderer der NADA bleiben und die Arbeit, die enorm an Bedeutung gewonnen hat und weiter gewinnen wird, unterstützen", sagte Frommert, der nach eigenen Worten mit seinem Rückzug die Unabhängigkeit der NADA stärken und jede mögliche Verbindung zum T-Mobile-Team ausschließen möchte.

Die Deutsche Telekom AG ist in diesem Jahr mit einer Summe von 450.000 Euro größter Förderer der NADA aus der Wirtschaft.

T-Mobile am Pranger

Zur gleichen Zeit äußerte Achim Schmidt, Radsportdozent an der Deutschen Sporthochschule Köln, heftige Kritik am Anti-Doping-Kampf des T-Mobile-Rennstalls. "Wenn man nach einem Jahr Bilanz zieht, muss man klar sagen, dass das vollmundig angekündigte Konzept des sauberen Radsports nicht eingehalten werden konnte. Es stehen mit Gontschar, Bernucci und Sinkewitz drei Dopingfälle zu Buche", sagte er in einem Interview mit "sport.ARD.de".

Zudem habe T-Mobile mit dem Amerikaner George Hincapie einen wegen seiner engen Freundschaft zu Lance Armstrong nicht unumstrittenen Fahrer verpflichtet.

Die Ansicht der Verantwortlichen von T-Mobile, dass die positiven Dopingfälle des Jahres auf die verstärkten Kontrollen zurückzuführen seien, kann der Kölner Experte nicht nachvollziehen.

"Ich kann das nicht so positiv sehen. Das Konzept des Teams, das ja vor einem knappen Jahr in großem Rahmen vorgestellt wurde, sah nicht nur strengere interne Kontrollen vor. Ein wichtiger Punkt war auch die Vermittlung der neuen Werte an die Fahrer. Man hatte sich im Vorfeld von Altlasten getrennt und hatte den Anspruch, den verbliebenen Fahrern auch eine neue Moral mit auf den Weg zu geben. Das hat nicht funktioniert, wie die drei Dopingfälle beweisen."

Aldag-Rücktritt gefordert 

Schmidt fordert daher die Ablösung von Teamleiter Rolf Aldag.

"Für mich war Rolf Aldag schon nach seinem Geständnis nicht mehr haltbar. Es war ja offensichtlich, dass diese Geständnisse nur zu Stande kamen, weil der Druck von außen zu groß wurde. Hier wurde versucht, die eigene Haut zu retten. Nach der aktuellen Saison ist er für mich noch weniger in der Position haltbar, weil T-Mobile eben so eklatant seine Ziele im Anti-Doping-Kampf verfehlt hat."