Handball - Uwe Schwenker im Interview: "FCB hat bewiesen, dass er nicht nur Fußball kann"

Uwe Schwenker (l.) ist der Präsident der Handball-Bundesliga.
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SPOX: Werfen wir einen Blick auf ihren Ex-Verein THW Kiel. Die Zebras haben es weder im Pokal noch in der Champions League ins Final Four geschafft und stehen in der HBL lediglich auf Rang fünf. Was fehlt den Kielern?

Schwenker: Obwohl ich schon so lange raus bin beim THW, ist der Verein für mich immer noch eine sehr emotionale Angelegenheit. Deshalb möchte ich dazu gar nicht so viel sagen. Die Rahmenbedingungen für den Handball sind in Kiel nach wie vor gut, die Fans stehen hinter dem THW und ich bin mir sicher, dass der Klub auch in Zukunft oben mit dabei sein und eine positive Rolle spielen wird. Dennoch hat der THW schmerzlich zur Kenntnis nehmen müssen, dass andere Klubs erfolgreiche Arbeit geleistet haben und näher an ihn herangerückt sind. Schauen Sie mal, wie eng es auch in der laufenden Saison an der Spitze zugeht. Drei Teams kämpfen kurz vor dem Saisonende noch um den Titel. So eine Spannung würden sich die Fußballfans in Deutschland wünschen. Für uns gehört dieser enge, packende Titelkampf bereits seit einigen Jahren dazu.

SPOX: Wäre es für den THW ein größeres Problem gewesen, wenn Holstein Kiel in die Fußball-Bundesliga aufgestiegen wäre?

Schwenker: Die Region gibt es her, dass beide Vereine erfolgreich nebeneinander existieren können. Egal, ob Holstein Kiel nun in der 2. Liga oder in der Bundesliga spielt. Sie müssen das so sehen: Holstein hat sein Einzugsgebiet in Sachen Fans bis Flensburg, Lübeck und sogar Dänemark. Das hatte der THW nie, weil die Handball-Konkurrenz in der Gegend vor allem durch die SG Flensburg-Handewitt viel größer ist. Also hat der THW immer schon ein eher regionales Publikum angezogen. Aber klar, Holstein hat einen Hype ausgelöst und es ist derzeit in Kiel auch schick, beim Fußball zu sein. So ist der Sponsorenkuchen mittlerweile ein bisschen anders aufgeteilt. Ein größeres Problem ist das für den THW aber nicht.

Uwe Schwenker über die Nachwuchsarbeit im deutschen Handball

SPOX: Wie sind die HBL-Vereine im internationalen Vergleich in der Jugendarbeit aufgestellt?

Schwenker: Mit der Einführung des Jugendzertifikats im Jahr 2007 haben wir ähnlich entscheidend die Weichen gestellt, wie das zuvor im Fußball geschehen ist. Seitdem verfügt die HBL und ihre Klubs über zahlreiche Nachwuchsleistungszentren. Sonst wäre es kaum denkbar, dass unsere Nationalmannschaft mittlerweile über einen so großen Pool geeigneter junger Spieler verfügt. Dieser Pool ist gewachsen, weil sich die deutschen Klubs auf die Fahne geschrieben haben, nachhaltig Talente zu fördern und für den deutschen Handball nachhaltig zu entwickeln. In vielen Fällen hat die Nachwuchsarbeit der Klubs ihre Spieler direkt in das Nationalteam geführt. Die zahlreichen deutschen Spieler, die in der Bundesliga mittlerweile nachkommen und echte Leistungsträger sind, sind ein weiterer Beleg für die gute Arbeit. Allerdings kann es nicht schaden, auch hier über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, um noch besser werden zu können. Dabei denke ich zum Beispiel an das erfolgreiche Modell Frankreichs.

SPOX: Täuscht der Eindruck, dass der Handball ein Problem damit hat, junge Menschen als Zuschauer in die Hallen zu bekommen?

Schwenker: Nein, da bin ich bei Ihnen. Handball gehört zu Deutschland und hat hier eine große Tradition. Wir wissen, das wir eine treue Zielgruppe bedienen. Von den gut 15 Millionen Menschen, die sich für die HBL interessieren, ist der überwiegende Teil männlich, hat einen hohen Bildungsgrad und ist besser verdienend. Immerhin fühlen sich auch über 2,5 Millionen Frauen dem Handball verbunden. Das sind gute Voraussetzungen, auf denen wir uns allerdings nicht ausruhen können. Im Hinblick auf die Ansprache einer jüngeren Zielgruppe müssen wir stärker am Ball sein. Insbesondere der DHB und die Landesverbände sind hier gefragt. Aber auch die HBL und ihre Klubs spielen an ihren Standorten eine wichtige Rolle. Wir alle versprechen uns auch von der WM, die Deutschland und Dänemark gemeinsam austragen werden, einen Schub im Hinblick auf die Ansprache jüngerer Zielgruppen.

SPOX: Es gibt immer so ein wenig einen Wettbewerb in Deutschland, wer nach dem Fußball die Sportart Nummer zwei ist. Eishockey, Basketball oder Handball - welcher Mannschaftssport hat aktuell die Nase vorne?

Schwenker: Ich begrüße es, dass es in Deutschland trotz eines sehr dominanten Fußballs mit der BBL, der DEL und der HBL gleich drei Profiligen gibt, die erfolgreich sind. Den sportlichen Erfolg gönne ich jeder dieser Sportarten von Herzen. Wenn beispielsweise die Eishockey-Nationalmannschaft im Olympia-Finale gegen Russland spielt, dann sitze ich vor dem Bildschirm und drücke den deutschen Eishockey-Cracks die Daumen. Wir tun im Übrigen gut daran, unseren Fokus auf die Parameter zu legen, die wir für unsere Sportart beeinflussen können. Hier hat die HBL wichtige Weichen gestellt. Dazu zählt der Medienvertrag mit den Sendern Sky, ARD und ZDF, der uns bereits in der ersten gemeinsamen Saison sehr hohe Reichweiten gebracht hat. Und natürlich sind die Klubs der HBL nach wie vor international sportlich so erfolgreich wie keine andere Profiliga in Deutschland. Für mich hat auch die inzwischen sehr gute Zusammenarbeit mit dem DHB einen hohen Stellenwert. Wir sind nicht immer einer Meinung, bei den wesentlichen Dingen spielen wir allerdings im selben Team. Im Fokus steht derzeit unsere Gastgeberrolle bei der Heim-WM im Januar 2019.

Uwe Schwenker über den FC Bayern

SPOX: Die BBL hat durch den Einstieg des FC Bayern einen Schub bekommen. Es wurde in der Vergangenheit auch im Handball darüber gesprochen, ob der FCB oder Borussia Dortmund die HBL bereichern könnten. Ist dieses Thema komplett vom Tisch?

Schwenker: Der FC Bayern München hat bewiesen, dass er nicht nur Fußball kann. Großes Kompliment nach München. Natürlich kann ein solches Engagement Positives für die Entwicklung einer Sportart bewirken. Ich bin sicher, das würde auch oder gerade im Handball funktionieren. Gäbe es einen fundierten Vorstoß, würden wir diesen mit unseren Möglichkeiten unterstützen.

SPOX: Aber es gab doch bereits Kontakte zu Vereinen wie Bayern und Dortmund, oder?

Schwenker: Greifbares ist durch solche Gespräche bisher nicht zustande gekommen. In den allermeisten Fällen erfolgten diese Initiativen eher durch Personen aus dem erweiterten Umfeld des Handballs, die quasi vermitteln wollten.

SPOX: Grundsätzlich wäre das Interesse der HBL an Großstädten in der Liga aber da?

Schwenker: Wenn es passt, dann natürlich. Dass der Handball auch in Großstädten erfolgreich ist, beweisen die Füchse Berlin. Ich bin davon überzeugt, dass Spitzenhandball beispielweise auch wieder in Hamburg funktionieren würde. Wir würden das begrüßen. Der Handball Sport Verein Hamburg ist ja gerade in die 2. Liga aufgestiegen. Es liegt an den dortigen Verantwortlichen, ihre bislang so gute, besonnene Arbeit fortzusetzen.

Uwe Schwenker: Prokop? "Alle stehen hinter der Entscheidung"

SPOX: Lassen Sie uns zum Schluss noch über die Nationalmannschaft sprechen. Es gab nach der EM in Kroatien große Diskussionen um Bundestrainer Christian Prokop. Wie schätzen Sie als DHB-Präsidiumsmitglied die Entscheidung pro Prokop mit ein wenig Abstand ein?

Schwenker: Die Verantwortlichen haben sich sehr intensiv mit der Aufarbeitung der Europameisterschaft beschäftigt. Es wurden viele Gespräche geführt, sei es mit dem Bundestrainer oder den Spielern. Dabei haben alle Seiten eine hohe Selbstreflexion an den Tag gelegt, es wurde wirklich alles sehr direkt, offen und transparent angesprochen. Weil diese Aufarbeitung so positiv verlaufen ist, ist die Entscheidung gefallen, mit Christian Prokop weiterzumachen. Diese Entscheidung war nicht einstimmig. Auch in der Bundesliga waren nicht alle einer Meinung. Jetzt stehen aber alle hinter dieser Entscheidung und mit jeglicher Unterstützung hinter dem Bundestrainer. Denn eines ist doch klar: Wir wollen alle eine erfolgreiche Nationalmannschaft haben und eine gute Heim-WM 2019 spielen.

SPOX: Müssen sich aus Ihrer Sicht auch die Medien den Schuh anziehen, nicht immer fair mit Prokop umgegangen zu sein?

Schwenker: Die Intensität, mit der die Medien das Thema begleitet haben, war gewiss für viele überraschend. Allerdings gab es auch immer wieder Anlass, in der Berichterstattung nachzulegen. Dabei wurden das ein oder andere Mal Dinge auch überzogen dargestellt. Das bleibt nicht aus und gehört wohl zum Geschäft. Eine Sache ist aber auch klar: Am Ende des Tages geht es im Leistungssport um Ergebnisse. Wenn die stimmen, stimmen auch die Schlagzeilen.