"Mir sind immer wieder die Tränen gekommen"

Uwe Gensheimer spielte trotz des Todes seines Vaters bei der WM für Deutschland
© getty

Im Sommer 2016 ist Uwe Gensheimer von den Rhein-Neckar Löwen zu Paris Saint-Germain gewechselt. Im Interview mit SPOX spricht der 30-Jährige über sein Leben mit den Superstars des Handballs, die Terrorgefahr und die zurückliegende WM. Zudem äußert sich der Linksaußen zum tragischen Tod seines Vaters.

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SPOX: Herr Gensheimer, Sie sind nun seit rund einem halben Jahr in Paris. Wie läuft es mit der Verständigung?

Uwe Gensheimer: Mein Französisch ist schon ganz gut, ich hatte ja bereits aus der Schule die Grundlagen. Zudem hilft mir der Unterricht mit einer Privatlehrerin. Ich kann mich also verständigen, wenn ich einkaufen oder zum Essen gehe. Wenn die Franzosen aber so richtig loslegen, ist es aus. (lacht) Dann muss ich schon mal darum bitten, dass langsamer gesprochen wird. Im Training ist es aber ohnehin kein Problem. Noka Serdarusic leitet das Training auf Deutsch, für die französischen Spieler wird übersetzt.

SPOX: Wie man hört, schätzen Sie besonders die Einstellung der Franzosen, sich genügend Zeit für gutes Essen zu nehmen?

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Gensheimer: Absolut. Man trifft sich, sitzt gemütlich zusammen, plaudert viel und verbringt einfach eine gute Zeit zusammen. Das gefällt mir sehr gut und ist in Deutschland sicher eher seltener der Fall.

SPOX: Und wie schmecken Froschschenkel und Schnecken?

Gensheimer: Also Schnecken habe ich tatsächlich schon gegessen. Ich sage es mal so: Viel Knoblauch, dann geht's. (lacht)

SPOX: Dann lassen Sie uns über den Sport sprechen. Es heißt immer wieder, PSG sei in Frankreich quasi konkurrenzlos. Die Tabelle bestätigt dies nicht, belegt Nantes doch mit nur einem Minuspunkt mehr Rang zwei. Wie gut ist also die Lidl StarLigue?

Gensheimer: Die Liga ist insgesamt gesehen sicher noch nicht so stark wie die Bundesliga. Und es gibt in anderen Ländern wie Spanien beispielsweise nicht mehr so viele finanzstarke Klubs, wodurch in den vergangenen Jahren viele gute Spieler nach Frankreich gewechselt sind. Deshalb würde ich sagen, dass die französische Liga spielerisch die zweitbeste Liga Europas ist.

SPOX: Inwiefern?

Gensheimer: Was ich bislang beobachtet habe, wird in Frankreich beispielsweise im Rückraum anders als in Deutschland gespielt. In der HBL gibt es mehr Shooter im Rückraum, hier läuft es häufiger auf Eins-zu-Eins-Situationen hinaus.

SPOX: Ein weiteres Argument ist oft, dass die Belastung in Frankreich geringer sei als in Deutschland. Stimmt das?

Gensheimer: Das kann ich bislang nicht bestätigen. Das liegt natürlich auch an der besonderen Saison mit den Olympischen Spielen, wodurch die Pause im Sommer quasi komplett weggefallen ist. Aber auch sonst kann ich keine geringere Belastung feststellen. Ich stehe hier häufig 60 Minuten auf der Platte.

SPOX: Welche Unterschiede gibt es im alltäglichen Leben zwischen einem Profi in Deutschland und in Frankreich?

Gensheimer: Keine Ahnung, ob man pauschal Unterschiede ausmachen kann. Was mir aber in Paris auffällt, ist, dass ich anonymer als zu meiner Zeit bei den Rhein-Neckar Löwen lebe. Ein Nikola Karabatic oder ein Thierry Omeyer werden natürlich häufiger auch auf der Straße erkannt, aber ich bewege mich deutlich anonymer. Wenn wir allerdings als PSG-Spieler zu Auswärtsspielen kommen, stehen wir im Fokus. Die Halle ist dann fast immer voll, jeder will uns unbedingt schlagen.

SPOX: Karabatic, Omeyer, dazu Mikkel Hansen oder Daniel Narcisse: Im PSG-Kader tummeln sich viele der absoluten Superstars des Handballs. Wie funktioniert unter solchen Voraussetzungen das Team-Gebilde?

Gensheimer: Völlig problemlos. Die Spieler, auf die Sie anspielen, haben allesamt genügend Erfahrung und wissen, worauf es ankommt. Da macht keiner sein eigenes Ding, jeder weiß um die Wichtigkeit eines funktionierenden Teams.

SPOX: Also funktioniert PSG auch abseits der Platte wie eine gewöhnliche Mannschaft?

Gensheimer: Ja. Obwohl wir zwei Mal die Woche spielen, trifft man sich auch in der Freizeit relativ regelmäßig. Beispielsweise geht die ganze Truppe mit den Familien zum Brunch, geht abends mal was trinken.

SPOX: Während der WM war in Paris die große Polizeipräsenz deutlich spürbar, die Stadt hat noch immer unter den Folgen der Terroranschläge vom November 2015 zu leiden. Spielt das Thema Sicherheit für Sie und die Familie im Alltag eine Rolle?

Gensheimer: Man sieht sehr viel Polizei in der Stadt, das stimmt. Das Land befindet sich nach wie vor im Ausnahmezustand, das Sicherheitsgefühl soll dadurch erhöht werden. Wir persönlich hatten zum Glück noch keine Situation, in der wir uns unsicher gefühlt hätten. Und ich habe auch den Eindruck, dass sich die Pariser überhaupt nicht unterkriegen lassen - ganz im Gegenteil! Sie gehen aus, sie wollen ihr Leben ganz normal leben. Terror ist ohnehin kein spezielles Paris-Problem, das haben die schlimmen Ereignisse der Vergangenheit - auch in Deutschland - leider gezeigt.

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