"Regeln? Eigentliches Problem nicht gelöst"

Dr. Rolf Brack begann seine Trainerkarriere 1983 beim TSV Zuffenhausen
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SPOX: Beim Thema Zeitspiel wurde in den vergangenen Jahren immer wieder das Einführen einer Shotclock diskutiert. Wäre das womöglich die Lösung?

Brack: Es wird immer behauptet, dass das zu einer extremen Foulorientierung führen würde. Das glaube auch ich. Stopfoul, Stopfoul, Stopfoul - dann ist die Zeit rum. So würde es wohl laufen. Im Basketball geht das, weil man nach dem fünften Foul weg vom Fenster ist. Man müsste meiner Meinung nach dann im Handball eine ähnliche Regelung treffen. Dann wären wir immer näher dran an der Sportart, die uns international ohnehin den Rang meilenweit abgelaufen hat.

SPOX: Wie fällt also Ihr Fazit zu den wichtigsten neuen Regeln aus?

Brack: Das Grundproblem im Handball ist, dass wir in den vergangenen 25 Jahren teils alle zwei bis vier Jahre so gravierende Regeländerungen hatten, dass teilweise der Zuschauer gar nicht mehr mitkommt. Es wird mitunter für den Betrachter unglaublich kompliziert. Und man darf nicht vergessen: Eine Ursache für die Attraktivität eines Spiels ist seine Einfachheit, siehe Fußball. Das Gegenbeispiel ist vielleicht Hockey. Ich würde eher konservativer sein wollen. Weniger ändern, es möglichst einfach machen.

SPOX: Sie bilden seit vielen Jahren Trainer aus, weshalb wir unbedingt auch noch über die deutschen Trainer sprechen müssen. Weder das DHB-Team, noch die drei HBL-Topklubs Kiel, Flensburg und Löwen werden von einem Deutschen gecoacht. Heißt das, dass es derzeit keinen deutschen Coach gibt, der dafür geeignet ist?

Brack: Es gibt sehr viele gute deutsche Trainer in der zweiten und dritten Liga. Ein Problem ist: Der Trainerberuf ist nach wie vor für viele nicht das erstrebenswerte Ziel. Normalerweise ist es so, dass ein guter Trainer davon profitiert, wenn er einen sportwissenschaftlichen Hintergrund hat. Oft ist das an ein Lehramtsstudium gekoppelt. Da hat man dann eine sehr gute Anstellung, neben der Bezahlung ist das auch aufgrund der Ferien attraktiv. Die Bereitschaft, alle drei bis fünf Jahre den Standort zu wechseln, hält sich verständlicherweise in Grenzen.

SPOX: Also gibt es derzeit niemanden, dem Sie Großes zutrauen?

Brack: Doch. Jens Bürkle würde ich da nennen, der aktuell die TSV Hannover-Burgdorf trainiert. Er ist 35 Jahre alt und schon nach kurzer Zeit haben die Recken seinen Vertrag verlängert. Bennet Wiegert ist sogar erst 34 und Trainer beim SC Magdeburg. Das sind Leute, die mit Feuereifer, Herz und Seele dem Trainerberuf nachgehen. Und zwar nicht, weil sie keine Alternativen haben, sondern weil sie auf diese Karriere setzen. Jan Gorr vom HSC 2000 Coburg gehört da auch dazu. Er ist schon mit Hüttenberg und jetzt mit Coburg aufgestiegen. Aber diese Leute sind im Vergleich zu einem Alfred Gislason natürlich noch Greenhorns.

SPOX: Sie trauen es dem Trio aber zu, sich so zu entwickeln, um eines Tages einen der absoluten Topklubs zu coachen?

Brack: Auf jeden Fall. Die genannten Trainer bringen alle fachlichen Voraussetzungen mit. Gerade bei Bürkle könnte es nur eine Frage der Zeit sein, bis mal ein absoluter Topklub anfragt.

SPOX: Im Dezember 2013 endete Ihre neunjährige Amtszeit in Balingen, dieses Jahr endete auch Ihr Engagement als Schweizer Nationalcoach. Sieht Ihre Lebensplanung eine Rückkehr auf die Bank vor?

Brack: Ich war ja quasi immer Hobbytrainer, weil mein Hauptberuf der des Privatdozenten an der Universität Stuttgart war oder ist. Das hat den großen Vorteil, dass ich eine gewisse Unabhängigkeit hatte, mich nicht verbiegen musste. Es war nie mein Ziel, durch die Lande zu ziehen. Mittlerweile habe ich auch drei Enkelkinder und habe es eigentlich nicht vor, auf die große Bundesliga-Bühne zurückzukehren. Wobei man niemals nie sagen soll. Die regionalen Optionen stellen sich aber aus verschiedenen Gründen nicht. Bei manchen Klubs sind neue Trainer da, bei anderen stehen sie noch längerfristig unter Vertrag.

SPOX: Trotzdem haben Sie genug zu tun. Neben der Trainerausbildung sind Sie auch noch Berater beim Zweitligisten DJK Rimpar Wölfe.

Brack: Genau. Das Engagement in Rimpar besteht, da ich selten vor Ort bin, aus sehr vielen Videoanalysen, sehr vielen Telefonaten und daraus resultiert eben die Unterstützung des Trainers. Ich versuche gleichzeitig meine jahrelange Erfahrung im Verein einzubringen. Bis 2020 wollen wir unter die Top 20 in Deutschland kommen.

SPOX: Das würde dann ja quasi den Aufstieg in die HBL bedeuten. Apropos: Wer wird 2016/2017 Meister?

Brack: Es wird auf Kiel, Flensburg oder die Löwen hinauslaufen. Was ich nicht verstehe ist, warum Kiel nicht so oft als Topfavorit auf den Titel genannt wird. Niklas Landin und Andreas Wolff bilden für mich das weltbeste Torwartgespann. Selbst die Verpflichtung von Christian Zeitz ergibt für mich Sinn. Was ich vom jungen Nikola Bilyk gehört habe, hat mich sehr überzeugt. Dann gibt es noch Lukas Nilsson, der im schwedischen Nationalteam einen guten Eindruck gemacht hat. Domagoj Duvnjak darf halt nicht viel passieren, das wäre ein schwerer Schlag. Insgesamt sind die Kieler aber deutlich breiter als im vergangenen Jahr aufgestellt.

SPOX: Was ist mit dem Titelverteidiger, den Löwen?

Brack: Sie haben im vergangenen Jahr den Durchbruch geschafft, auch vom Glauben an sich selbst her. Sie glauben jetzt daran, den großen Wurf vielleicht erneut zu schaffen. Die Löwen haben mit Andy Schmid den perfektesten Spielmacher, der im letzten Jahr in der entscheidenden Phase im Titelkampf seine überragenden Qualitäten abgerufen hat. Mein Tipp ist ein enger Zweikampf zwischen Kiel und den Löwen und am Ende steht der THW ganz oben. Flensburg wird Dritter.

Die HBL-Saison 2016/2017