Tod der Willkür, Geburt des Dramas

Nikola Karabatic sieht bei der WM 2007 gegen Tunesien die Rote Karte
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Die Einführung der Shotclock, Playoffs, die radikale Einkürzung des Champions-League-Spielplans oder das Aus des Unentschiedens: Der Handball hat noch viel Potential, um seine Attraktivität zu steigern und gleichzeitig die Belastung seiner Superstars zu verkleinern. Im SPOX-Wunschkonzert gibt es Vorschläge - und dazu teils ganz unterschiedliche Meinungen von Weltmeister Henning Fritz und Welthandballer Daniel Stephan.

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Verkleinerung der HBL und Playoffs

In Städtchen wie Balingen, wo seit Jahren mit begrenzten Mitteln Herausragendes geleistet wird, erntet man mit diesem Vorschlag nicht mehr als ein Kopfschütteln. Verständlich! Aber es hilft ja nichts: Um den Handball auch für nicht Hardcore-Fans attraktiver zu machen, ist eine Verkleinerung der Liga wahrscheinlich der einzige Weg.

Um die Belastung der Spieler zu verkleinern und gleichzeitig mehr Spannung zu erzeugen, schweben mir 14 statt bisher 18 Teams in der höchsten Spielklasse vor. Macht in der Hauptrunde 26 Partien und damit acht weniger als bisher.

Mein frommer Wunsch: Die gleichzeitige Einführung von Playoffs. Das könnte folgendermaßen aussehen. Platz 1 bis 6 sind direkt für das Viertelfinale qualifiziert. Die Mannschaften von Rang 7 bis 10 - in aller Regel ohnehin Teams, die nicht wirklich international gefordert sind - spielen Pre-Playoffs im Modus Best-of-three.

Anschließend geht es in diesem Modus weiter. Blickt man auf die aktuelle Tabelle, hätte man bei normalem Verlauf in dieser Saison ein Best-of-three-Halbfinale zwischen Kiel und Flensburg. Danach vielleicht zwei bis drei Final-Spiele zwischen den Löwen und Kiel. Das wären absolute Kracher, die sich auch der "normale" Sport-Fan zumindest teilweise im TV reinziehen würde.

Und im Tabellenkeller? Die letzten beiden Teams steigen direkt ab, die ersten beiden der nun attraktiveren zweiten Liga entsprechend auf. Platz 11 und 12 aus der HBL spielt mit Rang 3 und 4 aus dem Unterhaus in einer Vierergruppe mit Hin- und Rückspiel die letzten beiden HBL-Teilnehmer für die folgende Saison aus.

Rechnen wir zusammen: Topteams wie Kiel, Flensburg oder die Löwen, für die die Belastung am höchsten ist, würden damit höchstens 35 Spiele pro Saison absolvieren. 35? Hä? Das ist ja womöglich ein Spiel mehr als bisher. Stimmt. Deshalb sind weitere Änderungen notwendig.

Das sagt Daniel Stephan: Von Playoffs halte ich im Handball gar nichts, auch wenn sie reizvoll für Fans und Fernsehen sind. Aber ich bin in diesem Punkt Traditionalist und sehe die Sache aus Sicht des Sportlers. Für mich ist derjenige der verdiente deutsche Meister, der über 34. Spieltage hinweg seine Leistung bringt. Eine Verkleinerung der Liga könnte ich mir zu Gunsten der Spieler trotzdem vorstellen. Allerdings nicht auf 14, sondern auf 16 Mannschaften. Gerade in Deutschland besteht die Gefahr, dass die Topspieler lieber nach Spanien oder Frankreich gehen, wo sie gutes Geld verdienen und gleichzeitig nicht so körperlich beansprucht werden.

Das sagt Henning Fritz: Es geht grundsätzlich darum, unsere Sportart attraktiv zu halten und neue Zuschauer zu gewinnen. Deshalb bin ich schon der Meinung, dass man über Playoffs zumindest nachdenken sollte. Die Highlight-Spiele, die zwangsläufig vermehrt zustande kommen würden, sind das, was auch das Fernsehen interessiert. Darüber hinaus hätten Vereine die Möglichkeit, auch mal während der Saison einen Spieler zu schonen. Genauso sollte man darüber nachdenken, ob eine Verkleinerung der Liga Sinn ergibt, zumal die Belastung für die absoluten Topspieler, die ja jeder sehen möchte, einfach riesig ist. Aber man muss, bevor man etwas ändert, Für und Wider ganz genau abwägen.

Neuer Modus in der Champions League

Sorry, liebe EHF. Aber ich persönlich halte den derzeitigen Modus in der Königsklasse mit für das Beknackteste, was ich im Leistungssport bisher gesehen habe. Es gibt eine Zweiklassengesellschaft mit zwei Achtergruppen bestehend aus der Creme de la Creme des europäischen Handballs und zwei Sechsergruppen, in denen sich die zweite Garde tummelt.

Wem bitte nützen in der Vorrunde Partien zwischen Kiel, Flensburg, Paris und Veszprem, wenn ohnehin sonnenklar ist, dass alle vier locker weiterkommen werden? Schließlich ziehen in jeder Gruppe sechs der acht Teams in die nächste Runde ein. Lediglich der Gruppensieg hat einen gewissen Wert, weil die Tabellenersten direkt ins Viertelfinale kommen, während Rang 2 bis 6 ein Achtelfinale bestreiten.

Die Gruppenzweiten spielen gegen die übrig gebliebenen "Zweitligisten", in den anderen vier Achtelfinals wird jeweils überkreuz gespielt. Die Dritten spielen gegen einen Sechsten, die Vierten gegen einen Fünften der anderen Gruppe. Es geht also ausschließlich darum, mit einer unglaublichen Menge an Spielen Geld zu verdienen. Der sportliche Wert vieler Partien geht gegen Null.

Schluss damit! Ich bin für 32 Teilnehmer, die sich in acht Vierergruppen messen. Die ersten beiden Teams kommen weiter, das Achtel- und das Viertelfinale werden mit Hin- und Rückspiel ausgetragen, dann steigt das Final Four. Somit müsste ein Team maximal 12 CL-Spiele bestreiten statt der aktuell mindestens 18, eher sogar 20 Partien. Was für eine Erleichterung!

Und wo wir schon dabei sind: Von mir aus könnte der sportlich völlig wertlose Super Globe (Klub-Weltmeisterschaft) in Katar komplett gestrichen werden. Allerdings können sich die Klubs beim Turnier in der Wüste dank des satten Preisgeldes ein goldenes Näschen verdienen.

Das sagt Daniel Stephan: Der aktuelle Modus ist Wahnsinn, total aufgebläht, nicht zeitgemäß. Man muss schleunigst versuchen, den Spielplan zu entzerren. Die Problematik ist: Vereine aus Ländern, die keine starke Liga haben, wollen im Gegensatz zu den HBL-Klubs möglichst viele Champions-League-Spiele bestreiten. Man muss einen Kompromiss finden. Die Idee mit den 32 Teams in Vierergruppen, Hin- und Rückspiel in Achtel- und Viertelfinale und dann das Final Four wäre sicherlich eine gute Lösung.

Das sagt Henning Fritz: Grundsätzlich richtig, aber praktisch nicht umsetzbar. Da hat Deutschland nicht genug Einfluss, um sich gegen die anderen Verbände durchsetzen zu können. Klubs wie Paris oder Barcelona wollen so viele Spiele haben. Für die ist die aktuelle Konstellation ideal, für die deutschen Mannschaften katastrophal. Das Argument, dass die Topleute ja entsprechend viel Geld verdienen und deshalb auch so viel spielen müssten, finde ich nicht schlüssig. Ein Spieler kann auch dann nicht noch mehr Spiele absolvieren, wenn man ihm eine Millionen Euro mehr gibt. Die Gefahr, dass der sportliche Wert der Partien leidet, ist groß. Die Gefahr, die Topleute zu verbrennen ebenfalls. Und wir wollen die doch bei einer EM und WM dabei haben.

Seite 1: Playoffs und radikale CL-Einkürzung

Seite 2: Shotclock und das Ende des Remis

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