"Ich will nicht lügen, ich höre PUR"

Michael Roth ist seit 2010 Trainer in Melsungen
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SPOX: Sie haben die positive Entwicklung Melsungens angesprochen, die nach einem gesunden Prozess aussieht.

Roth: Vor fünf Jahren spielten wir noch gegen den Abstieg. Seither haben wir uns eigentlich kontinuierlich verbessert, das stimmt. Wir sind zuletzt zwei Mal hintereinander Sechster geworden, schafften im EHF-Pokal den Sprung ins Viertelfinale. Wir standen zwei Mal in den vergangenen drei Jahren im Pokal-Final-Four in Hamburg. Wir haben also nachgewiesen, dass wir auf hohem Niveau Handball spielen können.

SPOX: Was ist der Schlüssel für den konstanten Fortschritt?

Roth: Vor allem viel Arbeit. Wir veränderten in den vergangenen Jahren viel in die richtige Richtung, trafen gute Entscheidungen. Es wurden die richtigen Spieler verpflichtet, wir setzen möglichst auf allen Positionen im Verein auf Kontinuität. Mit Axel Geerken haben wir einen Topmanager, außerdem arbeitet mit Axel Renner im Klub ein hauptamtlicher Sportkoordinator im Jugendbereich. Wir spielen in der A-Jugend-Bundesliga. Das passt einfach alles zusammen.

SPOX: Kontinuität ist ein gutes Stichwort. Ihr Vertrag läuft bis 2020 und damit wirklich außergewöhnlich lange. Gibt es nicht die Ambition, irgendwann einen der ganz großen Vereine zu trainieren?

Roth: Wie gesagt: Wir haben eine sehr gute Basis hier, gute Strukturen, die Arbeit macht wirklich großen Spaß. Der Verein ist von meiner Arbeit überzeugt. Warum sonst hätte ich bis 2020 verlängern sollen? Die Frage stellt sich also nicht. Wir wollen hier bis 2020 möglichst den nächsten Schritt machen und irgendwann auch mal in der Champions League spielen. Wenn auch ein gezielter Angriff auf die ganz großen Teams etwas vermessen wäre: Die MT entwickelt sich immer mehr zur Marke.

SPOX: Ein Großangriff auf die ganz Großen in Europa fällt mittlerweile selbst Kiel schwer. In Paris, Barcelona und Veszprem wird immer mehr Geld in die Hand genommen. Müssen sich die deutschen Klubs in Zukunft in der Champions League weiter hinten anstellen?

Roth: Die deutschen Klubs müssen sich dem Wettbewerb mit ihren finanziellen Mitteln stellen. Bei PSG, wo Scheichmillionen einfach so fließen, sieht es anders aus. Aber die besten Spieler zu kaufen bedeutet noch lange nicht, dass das auch zu Erfolg führt. Für die HBL-Klubs geht es darum, das vorhandene Geld gut einzusetzen. Jeder deutsche Klub ist gut beraten, in diesen Sphären nicht mitzubieten. So etwas wie PSG kann nämlich eine kurzfristige Modeerscheinung sein. Wenn die Scheichs keine Lust mehr haben, bricht alles zusammen. Nach wie vor ist es aber so, dass sich Mannschaften wie Kiel, Flensburg oder die Rhein-Neckar Löwen nicht verstecken müssen. Ein wesentlicher Nachteil für deutsche Teams ist im internationalen Wettbewerb aber die große Belastung in der HBL. Hier musst du in jedem Spiel alles abrufen, in Ungarn, Frankreich oder Spanien ist das sicher nicht der Fall.

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SPOX: Sie können also die Forderung nachvollziehen, die HBL auf 16 Teams zu verkleinern? Alfred Gislason und Stefan Kretzschmar haben diesen Vorschlag kürzlich wieder geäußert.

Roth: Man redet ja seit Jahren von der höheren Belastung in Deutschland. Wenn man etwas verändern möchte, gibt es nur die Möglichkeit, die Liga zu verkleinern. Ich bin auch für eine Verkleinerung der Liga, würde dafür aber gerne andere Spiele sehen.

SPOX: Welche denn?

Roth: Ich bin ein absoluter Verfechter von Playoffs. Man muss sich da mal an anderen Sportarten orientieren. Basketball, Eishockey, Volleyball - überall gibt es Playoffs. Nur im Handball nicht. Dabei sind Playoffs einfach attraktiv. Ich bin für eine Verkleinerung der Liga auf 16 Teams, die ersten Acht kommen in die Playoffs, in denen dann jede Runde Best-of-Three gespielt wird. 1990 gab es das schon mal, das war super interessant. Dadurch hätten auch Mannschaften wie Göppingen oder eben Melsungen die Chance, mal zu überraschen. Aber nicht nur für die Klubs wären Playoffs toll. Man würde gleichzeitig das Interesse der Zuschauer und der Medien erhöhen. Playoffs würden dem Handball einfach gut tun.

SPOX: Gut tut dem Handball zweifellos auch die MT, die sich auffällig stark im sozialen Bereich einbringt, zuletzt auch beim Thema Flüchtlinge. Woher kommt dieser Antrieb im Verein?

Roth: Ich finde es normal, dass man beim Thema Flüchtlinge Hilfe leistet. Das ist doch kaum der Rede wert. Unser Verein engagiert sich ja - wie Sie schon sagten - nicht erst seit der Flüchtlingsthematik in sozialen und karitativen Bereichen. Die MT versteht sich als Mitglied der Gesellschaft und übernimmt deshalb auf unterschiedlichsten Feldern Verantwortung.

SPOX: Wo zum Beispiel noch?

Roth: Die Jugendarbeit wurde hier früher eher stiefmütterlich behandelt, da haben wir verstärkt den Fokus drauf gelegt und klare Verbesserungen erwirkt. Das ist für mich ebenfalls ein sozialer Auftrag, den ein HBL-Klub dringend annehmen muss. Gerade im Sport ist eine gute Jugendarbeit unabdingbar, finde ich. Und wir betreuen hier in der Region mittlerweile 300 Jugendliche.

Seite 1: Roth über PUR, Krebs und Lockerheit

Seite 2: Roth über die MT-Entwicklung und Playoffs

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