Der Dompteur im Raubtierkäfig

Andreas Michelmann wurde in Hannover zum neuen DHB-Präsidenten gewählt
© getty

Der neue DHB-Präsident Andreas Michelmann hat zum Amtsantritt eine Ohrfeige kassiert. Die Lage im DHB bleibt angespannt, das Misstrauen der Opposition ist groß. Gelingt dem Oberbürgermeister dennoch der Turnaround?

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Der Applaus der Anwesenden fiel verhalten aus, die Freude des neugewählten DHB-Präsidenten ebenfalls. "Nach dem, was sich vorher abgezeichnet hatte, bin ich froh über das Ergebnis. Ich freue mich, dass wir nach den Wochen und Monaten der Auseinandersetzungen miteinander die Ziele anstreben können, die wir uns vorgenommen haben", sagte Andreas Michelmann - und verzog dabei keine Miene.

Für ausgelassene Feierstimmung gab es auch wirklich keinen Anlass. Das beim außerordentlichen Bundestag in Hannover erreichte Ergebnis konnte dem amtierenden Oberbürgermeister von Aschersleben nämlich nur offiziell gefallen. Genau genommen war es ein Ausdruck der Abneigung einiger, eine Ohrfeige zum Amtsantritt.

73 von 119 Delegierten stimmten pro Michelmann, 46 dagegen. Zum Vergleich: Michelmanns zurückgetretener Vorgänger Bernhard Bauer war 2013 einstimmig gewählt worden. Hans Artschwager, Landesverbands-Boss von Württemberg und so etwas wie der Oppositionsführer, vergaß nicht, sein "tiefgreifendes Misstrauen in das Präsidium" noch beim Bundestag zu erwähnen.

Immerhin erklärte Artschwager gleichzeitig seine Bereitschaft, sich eines Besseren belehren zu lassen.

Krach nur eine Frage der Zeit?

Dennoch ist die Gefahr, dass der nächste Krach innerhalb des DHB nur eine Frage der Zeit sein könnte, real. Fehler sind für Michelmann jedenfalls zu Beginn seiner Amtszeit genauso verboten wie für einen Dompteur im Raubtierkäfig.

Glücklicherweise ist er im Hauptberuf Politiker. Gegenwind sollte er als solcher gut aushalten können. Die Gefahr, der neue Boss könnte sich gleich wieder vom Acker machen, wenn es unangenehm wird, besteht demnach nicht.

"Es ist eine Grundregel: In Veränderungsprozessen kommt immer erst einmal die Abwärtsrichtung, damit es von dort aus wieder nach oben gehen kann. Ich hoffe, dass wir dieses Tal durchschritten haben", erklärte der 55-Jährige.

Ob die Konstellation mit den Lagern um Michelmann und Bob Hanning auf der einen Seite und zahlreichen Landesverbänden mit Unterstützung von Handball-Legenden wie Heiner Brand auf der anderen gut geht, muss trotzdem bezweifelt werden. Optimal sind die Voraussetzungen für den deutschen Handball jedenfalls nicht.

Michelmann muss die Wunden schließen

Und das in einer Zeit, in der wichtige Weichen gestellt werden müssen. Viele im deutschen Handball haben es noch immer nicht begriffen: Aber ihre Sportart hat sich in den vergangenen Jahren nicht wirklich positiv entwickelt.

Zwar ist der DHB noch immer der größte Handball-Verband der Erde, der Mitgliederschwund hält aber an. Fatalerweise besonders im Jugendbereich. Mit Ausnahme der beiden Jahre nach dem WM-Sieg von 2007 sind die Zahlen bereits seit 2001 rückläufig. Um die 60.000 Mitglieder sollen in den letzten Jahren weggefallen sein.

Zudem stehen zwei Großprojekte ins Haus. Die Frauen-WM 2017 und die Männer-WM 2019 steigen im eigenen Land und wollen entsprechend vorbereitet werden. Was 2017 betrifft, ist der DHB dem Vernehmen nach dank der jüngsten Führungskrise bereits jetzt im Rückstand.

Eine Marionette Hannings?

Trotzdem geht es für Michelmann zunächst darum, als Schlichter aufzutreten. Er muss die Wunden, die durch die monatelange Selbstzerfleischung im deutschen Handball entstanden sind, schließen. Ein denkbar kompliziertes Unterfangen.

Schließlich müssen sich alle ernst genommen fühlen, während Michelmann gleichzeitig eine Richtung, ein Konzept vorgeben muss. Der von manchen gewonnene Eindruck, er sei lediglich eine Marionette Hannings, darf dabei keinesfalls untermauert werden.

Seiner Ankündigung, eng mit den Landes- und Ligaverbänden, seinen Präsidiumskollegen und getreu dem DHB-Motto "Auf geht's! Gemeinsam für Handballdeutschland" handeln zu wollen, müssen Taten folgen.

Besonnenheit ist Trumpf

Im Sinne des deutschen Handballs bleibt Michelmann nur zu wünschen, möglichst schnell in seine neue Rolle schlüpfen zu können, um auch bisherige Kritiker zu überzeugen. Dass er dies nicht wie Bauer mit zumindest am Ende seiner Amtszeit zu großen Emotionen, sondern mit Besonnenheit tun will, kann nicht schaden.

Und vielleicht läuft es für den bis 2017 gewählten DHB-Boss ja ähnlich wie als OB von Aschersleben. Sein Amt trat er 1994 mit 39 Prozent an. Heute sind es 76 Prozent. Und Michelmann befindet sich in seiner vierten Amtszeit.

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