"Wir haben Fleischberge verdrückt"

Markus Baur trainiert die U21-Nationalmannschaft des DHB
© getty

Er wurde als Spieler Weltmeister und holte mit der deutschen U21 bei der WM in Brasilien Bronze: Trainer Markus Baur. Im Interview mit SPOX sprach der 44-Jährige über die Erlebnisse in Südamerika, Churrascarias, das DHB-Chaos und die rosige Zukunft des deutschen Handballs.

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SPOX: Herr Baur, Sie sind gerade von der U21-WM in Brasilien zurückgekehrt. Wie verhält es sich denn mit der Begeisterung der Brasilianer für den Handball?

Markus Baur: Wir hatten das Glück, mit den Brasilianern in einer Gruppe zu spielen. Bei deren Partien war die Halle mit 5.000 Zuschauern voll, was zugegebenermaßen auch am freien Eintritt lag. Bei unserem 29:29 gegen die Brasilianer war die Atmosphäre gigantisch. Für unsere Spieler war das schon etwas Besonderes. Sie spielen zwar auch in der Bundesliga vor 5.000 Fans, aber in Brasilien fühlt sich das wie 15.000 an.

SPOX: Kann man also von einem großen Abenteuer sprechen?

Baur: Abenteuerlich war es nicht, das wäre ein bisschen übertrieben. Die Organisation war jedenfalls gut. Sonst sind wir sehr viel in unserer sehr guten Hotelanlage geblieben, wozu man uns auch geraten hatte. Wir sollten nur in größeren Gruppen rausgehen.

SPOX: Weil es in Uberaba gefährlich ist?

Baur: Keine Ahnung, ob es gefährlich war. Wir haben uns aber sicherheitshalber mal an die Tipps der Einheimischen gehalten (lacht).

Andreas Thiel im SPOX-Interview: "Mensch, du Arschloch! Komm, Prost!"

SPOX: Waren Sie und Ihr Team also komplett abgeschottet?

Baur: Naja, das nicht. Wir sind immerhin zwei Mal in eine der traditionellen Churrascarias gegangen, die für gegrilltes Fleisch bekannt sind. Da haben wir ganze Fleischberge verdrückt (lacht). Das Essen war insgesamt sehr gut. Aber wir waren ja nicht als Touristen in Brasilien, sondern hatten nach einer viertägigen Vorbereitung vor Ort neun Spiele in 13 Tagen. Dazu kam noch ein Reisetag. Deshalb blieb nicht so viel Zeit für Land und Leute. Außerdem war das jetzt nicht unbedingt eine Touristenhochburg, wo wir waren.

SPOX: Lassen Sie uns über das Sportliche sprechen. Wie bereitet man sich als Trainer eigentlich im Vorfeld des Turniers auf die Gegner vor? Der internationale Handball ist schließlich nicht ansatzweise für Jedermann so leicht einzusehen wie es im Fußball der Fall ist. Woher bekommt man also Infos zu Uruguay oder Japan?

Baur: Wir beschäftigten uns im Vorfeld vor allem mit unserem ersten Gegner Norwegen. Alle anderen Teams kann man sich dann live vor Ort ansehen. Damit kann man dann schon was anfangen. Das soll jetzt nicht überheblich sein: Aber als wir Uruguay in deren erstem Spiel gesehen haben, wussten wir, dass wir gegen die nicht verlieren können (lacht).

SPOX: Glücklicherweise wurden nicht nur die Urus geschlagen. Ihr Team hat sich mit Bronze belohnt. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Baur: Wir sind alle sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Die Mannschaft hat es wie bei allen Turnieren, an denen wir bisher teilgenommen haben, geschafft, bis ins Halbfinale vorzudringen. Damit kann man gut leben.

SPOX: Vor allem das Spiel um Platz drei war absoluter Wahnsinn...

Baur (lacht): Das erlebt man nicht jeden Tag, gell?

SPOX: Absolut. Nach zweimaliger Verlängerung gelang ein 35:34-Sieg gegen Ägypten. Wie wichtig ist für die Jungs die Erfahrung, so ein Spiel gewonnen zu haben?

Baur: Ein Spiel, in dem es darum geht, wer leer ausgeht und wer doch noch eine Medaille bekommt, auf diese Art und Weise zu gewinnen, wird jeden einzelnen unserer Spieler prägen. Wir waren zwei Mal am Ende, sind zwei Mal zurückgekommen und haben dann quasi mit dem Schlusspfiff das Siegtor erzielt. Das ist einfach toll. Inwiefern man diese Erfahrung irgendwann auch mal bei den Einzelnen merken wird, kann ich aber natürlich nicht voraussehen.

SPOX: Was sagt das Ägypten-Spiel über die Mentalität Ihrer Truppe aus?

Baur: Diese Mentalität hatten die Jungs nicht nur im Spiel um Bronze, sondern im ganzen Turnier und auch schon in den Turnieren davor. Die Konstellation passt einfach. Ich erinnere mich noch an die erste Europameisterschaft, die sie 2012 in Bregenz gewonnen haben. Da lagen sie zwölf Sekunden vor Schluss bei Ballbesitz Schweden mit einem Tor zurück und haben es noch gedreht. So lange die Uhr noch tickt, glauben die Jungs einfach daran, dass sie noch etwas machen können.

SPOX: Eine noch bessere Platzierung verhinderte die 26:28-Niederlage im Halbfinale gegen Dänemark. Warum hat es nicht zum Einzug ins Endspiel gereicht?

Baur: Die Dänen waren in diesem Spiel einfach einen Tick besser. Unser Manko war im Halbfinale ganz klar das Überzahlspiel. Die Dänen machten bei eigener Überzahl sieben Tore, wir nur eins. Das war fahrlässig. Immer wenn wir die Chance hatten, ranzukommen oder auszugleichen, trafen wir nicht. So sind wir immer einem Rückstand hinterhergelaufen.

Seite 1: Baur über Churrascarias, Mentalität und einen Thriller

Seite 2: Baur über den deutschen Nachwuchs und das DHB-Chaos

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