"Warum war da die Polizei?"

Stefan Lövgren (r.) feierte mit dem THW Kiel zahlreiche Erfolge
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SPOX: Auch die Vergabe der nachträglichen Startplätze sorgte für Wirbel. Das DHB-Team schaffte die Qualifikation nicht, ist aufgrund der Wildcard aber dabei. Das löste selbst in Deutschland Diskussionen aus. Wie wurde die Entscheidung pro Deutschland im Ausland, in Schweden, aufgenommen?

Lövgren: Wir, ihr Deutschen selbst und viele andere sehen das sehr kritisch. Das ist nichts gegen Deutschland, sondern gegen die Kriterien. Der IHF fehlt es in diesem Punkt an Transparenz. Warum genau wer zur WM fährt und warum nicht, wenn es Situationen gibt, wie es sie in den vergangenen Monaten gegeben hat. Das gilt nicht nur für den Fall Deutschland, sondern auch für Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Island. Nochmal: Der DHB oder Island tragen nicht die Schuld. Aber wir brauchen in solchen Fragen von Seiten der IHF in Zukunft mehr Transparenz und klare Kriterien.

SPOX: Weil es dem Handball an sich schadet?

Lövgren: Ja, so sehe ich das. Man muss von Anfang an wissen, wie es aussieht, wenn irgendeine Mannschaft aus irgendeinem Grund nicht mehr teilnehmen kann, will oder soll. Da muss im Vorfeld ganz klar geregelt sein, wer dann nachrückt. Es kann ja nicht sein, dass es Spekulationen gibt, ob nun große Mannschaften mit großen Fernsehverträgen oder einer großen Population dazukommen. Das ist nicht im Sinne des Sports.

SPOX: Nun ist die deutsche Mannschaft nun mal dabei. Was trauen Sie ihr zu?

Lövgren: Deutschland gehört zu den Mannschaften, die sicherlich nicht die Favoritenrolle tragen. Für den DHB geht es um die Plätze dahinter, sie müssen sich beweisen. Es gibt einen neuen Bundestrainer, der neue Impulse setzen wird. Ich glaube, dass Deutschland eine gute WM abliefern wird.

Dagur Sigurdsson im SPOX-Interview

SPOX: Gibt es einen deutschen Spieler, den Sie besonders schätzen?

Lövgren: Nein, das eigentlich nicht. Aber als Team könnte Deutschland funktionieren. Ich bin wirklich sehr gespannt, welche Änderungen Dagur reinbringt.

SPOX: Sie sprechen Dagur Sigurdsson an. Bevor er Bundestrainer wurde, soll auch Schwedens Nationalcoach Staffan Olsson ein Kandidat für den Posten beim DHB gewesen sein. Wie eng war der Kontakt?

Lövgren: Das müssen Sie Staffan und den DHB fragen. Ich kann nur sagen, dass ich auch davon gelesen und gehört habe. Aber es gibt so viele Gerüchte in unserer Branche. Der DHB hat mit Dagur eine gute Wahl getroffen, damit ist die Diskussion für mich beendet.

SPOX: Kommen wir zur schwedischen Mannschaft. Es gab magere Jahre, beispielsweise wurde die WM 2007 in Deutschland verpasst. Woran lag das?

Lövgren: Das tat weh. Es haben damals viele große Spieler innerhalb kurzer Zeit aufgehört. Und es gab eine Zeit, in der wir sehr viele richtig gute Spieler hatten. Das Problem: Viele kamen aus einer ähnlichen Generation. Im Nachhinein wäre es besser gewesen, man hätte schon zu der Zeit junge Spieler intensiver eingebaut, dann wäre der Übergang vielleicht glatter gelaufen. Der Weg für junge Spieler nach oben war nicht leicht.

SPOX: Nun sieht es wieder besser aus. Mit Island, Frankreich, Tschechien, Algerien und Ägypten befindet sich Schweden allerdings in einer Todesgruppe.

Lövgren: Ich weiß nicht, ob man diesen Ausdruck nehmen muss. Aber natürlich sind es schwierige Gegner. Trotzdem nützt es nichts, jetzt zu jammern. Wir müssen es nehmen, wie es ist, und sehen, dass wir da durch kommen.

WM 2015: Alle Gruppen im Überblick

SPOX: Mit welcher Zielsetzung gehen Sie die WM an?

Lövgren: Zunächst geht es nur darum, das Achtelfinale zu erreichen. Dann muss man sehen, auf wen man trifft. Die andere Gruppe, gegen die wir im Achtelfinale spielen würden, ist nämlich ebenfalls ziemlich schwierig mit Dänemark, Polen, Russland und Deutschland.

SPOX: Dennoch werden sich die Fans in Schweden kaum mit dem Achtelfinale zufrieden geben, oder?

Lövgren: Trotzdem halte ich es angesichts der Konstellation nicht für sinnvoll, weiter als bis zum Achtelfinale zu denken. Die Mannschaft - wir haben darüber gesprochen - sieht es genauso. Sollten wir weiterkommen und es ist klar, wie es weitergeht, kann man sich neue Ziele setzen. Die werden bei uns aber immer realistisch sein.

SPOX: Viel dürfte zwischen den Pfosten entschieden werden. Erreichen Mattias Andersson und Johan Sjöstrand Bestform, wäre das ein Pfund.

Lövgren: Das sehe ich genauso. Es gibt im Handball so einen Satz, der so banal klingt und immer wieder gesagt wird. Ich möchte ihn eigentlich gar nicht sagen, weil er irgendwie nach einer Phrase klingt. Aber er ist nun mal zu 100 Prozent wahr.

SPOX: Ohne einen herausragenden Torhüter gewinnst du im Spitzen-Handball nichts.

Lövgren (lacht): Den meinte ich.

SPOX: Wobei gute Torhüter nicht nur Schweden hat.

Lövgren: Das stimmt natürlich. Bei der WM haben mehrere Mannschaften herausragende Torhüter. Wir haben gleich zwei auf einem sehr hohen Niveau, in dieser Situation fühlen wir uns sehr wohl.

SPOX: Nur Andersson und Sjöstrand werden es nicht richten können. Von welchen Feldspielern erwartet Schweden große Taten?

Lövgren: Natürlich von Kim Andersson, der nach seiner langen, verletzungsbedingten Pause wieder zurück im Nationalteam ist. Wir brauchen aber auch ein oder zwei andere Spieler, die den Durchbruch schaffen oder überraschend gut spielen. Beim letzten großen Turnier war das unser Kreisläufer Andreas Nilsson, der eine herausragende Leistung gebracht hat.

SPOX: Wer ist der Topfavorit auf den Titel?

Lövgren: Den einen Topfavoriten gibt es aus meiner Sicht nicht. Frankreich, Dänemark und Spanien sehe ich auf ähnlichem Niveau in der Spitzengruppe. Warten wir einfach mal ab.

Seite 1: Lövgren über ein wildes Derby, Kiel und Menschenrechte

Seite 2: Lövgren über den DHB, Sigurdsson und Schweden

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