"Das hat uns alle geschockt"

Clara Woltering absolvierte bereits 158 Länderspiele für Deutschland
© getty

Am Samstag startet die deutsche Nationalmannschaft mit der Partie gegen Australien in die Frauen-WM. Im Interview mit SPOX spricht Kapitänin Clara Woltering über eine schlimme Verletzung, die Chancen des Teams von Bundestrainer Heine Jensen und ihr Leben als Vollprofi in Montenegro.

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SPOX: Frau Woltering, mit den beiden Siegen gegen Schweden ist die Generalprobe für die WM in Serbien geglückt. Wie wichtig sind die Erfolge für das Selbstvertrauen?

Clara Woltering: Natürlich ist es immer gut, wenn die letzten Ergebnisse vor einem Turnier positiv ausfallen - vor allem gegen einen guten Gegner wie Schweden. Doppelt positiv ist, dass wir noch nicht ideal gespielt und trotzdem gewonnen haben. Wir haben Fehler gemacht, die wir noch abstellen können und müssen.

SPOX: Welche Fehler meinen Sie konkret?

Woltering: Wir hatten noch Abstimmungsprobleme in der Abwehr, auch das Rückzugsverhalten war nicht ideal. Da bin ich aber zuversichtlich, dass wir das in den Griff bekommen. Im Angriff haben wir es ganz gut gemacht, auch wenn die Chancenverwertung noch ausbaufähig ist.

SPOX: Bitter ist die schwere Verletzung von Kerstin Wohlbold, die sich das Kreuzband gerissen hat. Wie hat die Mannschaft diese Hiobsbotschaft aufgenommen, und wie schwer ist dieser Ausfall zu kompensieren?

Woltering: Das hat uns natürlich alle erst einmal geschockt. Es tut uns für Kerstin leid, und auch für uns als Mannschaft ist das bitter. Schließlich hat Kerstin ihre Position als Spielmacherin gut ausgefüllt. Aber wir können jetzt nichts mehr dran ändern, da müssen wir durch. Andere Spielerinnen müssen nun in die Bresche springen, und die ganze Mannschaft muss noch enger zusammenrücken.

SPOX: Das Überstehen der Vorrunde gilt als Minimalziel, dazu muss mindestens Platz vier her. Die Gegner sind Australien, Tschechien, Rumänien, Tunesien und Ungarn. Welchen Gegner gilt es zu schlagen, gegen wen wird es schwierig?

Woltering: Australien ist zwar eine Unbekannte, aber diesen Gegner müssen wir zum Auftakt natürlich schlagen. Gegen Tunesien haben wir schon mal gespielt, das war unangenehm. Tschechien, Rumänien und Ungarn sind harte Brocken, da wird es sehr, sehr schwierig. Wichtig ist aber zunächst, dass wir unser Spiel durchbringen. Gelingt das nicht, kann es schnell in die Hose gehen.

SPOX: Träumt man als Spielerin nicht trotzdem von einer Medaille?

Woltering: Träumen darf man immer. Wir werden aber - so abgedroschen sich das anhört - von Spiel zu Spiel denken. Es ist doch so: Nach der Vorrunde geht es sofort in die K.o.-Phase. Da kann es schnell weit nach vorne, aber auch schnell nach Hause gehen. Von der Leistungsdichte her sind die Mannschaften bei einer Weltmeisterschaft ziemlich zusammengerückt, es entscheiden oft nur Kleinigkeiten.

SPOX: Wie man große Titel gewinnt, wissen Sie. 2012 haben Sie mit Ihrem Klub ZRK Buducnost Podgorica die Champions League gewonnen. Das Highlight Ihrer bisherigen Karriere?

Woltering: Das war wirklich das Highlight, ein Knaller, der Wahnsinn. Man kann sich nicht vorstellen, wie es dort abgegangen ist. Die Begeisterung war unglaublich. Von diesem Erlebnis zehre ich noch heute.

SPOX: Wie lebt es sich eigentlich so als Handballspielerin in Montenegro?

Woltering: Der größte Unterschied zu Deutschland ist, dass ich in Montenegro Vollprofi sein kann. Handball hat in Montenegro einen sehr hohen Stellenwert. Entsprechend stolz sind die Menschen, wenn große Erfolge errungen werden. Diesen Stolz bekommt man tagtäglich mit.

SPOX: Auch in Form von Druck?

Woltering: Na klar ist da ein anderer Druck, gerade wenn wir Champions League spielen.

SPOX: Trotzdem fühlen Sie sich wohl?

Woltering: Ich fühle mich dort sogar sehr wohl, sportlich und privat.

SPOX: Sie sind 2011 von Bayer Leverkusen nach Montenegro gewechselt. Wie lange bleiben Sie noch?

Woltering: Ich unterschreibe klassischer Weise immer Ein-Jahres-Verträge. Im Sommer läuft mein Vertrag wieder aus. Wie es dann weitergeht, wird man sehen. Bisher ist da noch keine Entscheidung gefallen.

SPOX: Nach der Karriere werden Sie aber auf jeden Fall ins Münsterland zurückkehren, wo Ihre Eltern einen Hof betreiben. Sie als diplomierte Agrarbetriebswirtin möchten den Betrieb irgendwann übernehmen, oder?

Woltering: Genau, diesen Plan gibt es definitiv. So wird meine Zukunft nach dem Handball aussehen.

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