"Playoffs wären ein guter Weg"

Von Interview: Florian Schimak
Die Rhein-Neckar Löwen gewannen 2013 mit dem EHF-Pokal den ersten Titel der Vereinsgeschichte
© getty

Vor einem Jahr standen die Rhein-Neckar Löwen vor dem Ruin, ehe sie mit Rang drei in der Liga und dem ersten Titel der Vereinsgeschichte sportlich groß auftrumpften. Im SPOX-Interview spricht Geschäftsführer Thorsten Storm über die Herausforderung Beinahe-Insolvenz, gewachsenen Teamgeist und die vielen auslaufenden Verträge 2014. Zudem verrät Storm, wie er dem Handball in Deutschland zu mehr Attraktivität verhelfen möchte.

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SPOX: Herr Storm, nach dem Triumph im EHF-Pokal und Platz drei in der Bundesliga, welche Ziele stecken sich die Rhein-Neckar Löwen für die Saison 2013/2014?

Thorsten Storm: Ich hoffe, dass wir den Saisonstart ohne Alexander Petersson, Oliver Roggisch und Zarko Sesum gut überstehen. Aber das wird nicht leicht werden. Und dann würde ich mich gegen eine weitere tolle Saison wie im vergangenen Jahr nicht wehren. Wir wollen wieder oben angreifen.

SPOX: Nach dem Beinahe-Ruin im letzten Jahr erhielten Sie die Lizenz in diesem Jahr ohne Auflagen: Haben sich die Löwen finanziell vollständig erholt?

Storm: So etwas geht nicht von heute auf morgen. Hier bei uns heißt niemand "Merlin der Zauberer". Wir gehen Schritt für Schritt voran und hoffen, dass sich unsere Basis auf immer mehr Pfeiler stellen lässt. Aber dafür muss natürlich auch der Handball insgesamt in Deutschland und Europa mal wieder für positivere Schlagzeilen sorgen als zuletzt.

SPOX: Nach Jahren der großen Investitionen folgte im vergangenen Jahr der gezwungene Umbruch. Trotzdem konnten Spieler wie Niklas Landin und Oliver Roggisch gehalten werden. Wie geht das?

Storm: Niklas Landin hat bei uns einen laufenden Vertrag und wurde schon sehr früh verpflichtet. Er fühlt sich zudem sehr wohl bei den Löwen und er ist schon jetzt ein sehr wichtiger Spieler. Und Oliver Roggisch möchte sowieso für immer ein Löwe bleiben. Er will nicht mehr für einen anderen Klub spielen. Das war also alles nicht so schwierig.

SPOX: Bis 2012 waren die Löwen - zumindest verbal - der große Herausforderer vom THW Kiel. Warum schaffte man es in der Zeit nicht, mit dem THW gleichzuziehen - trotz der immensen Investitionen?

Storm: Der THW Kiel hatte in den vergangenen Jahren die absolut beste Mannschaft und deshalb haben sie auch diese vielen Titel gewonnen. Egal, wie viele Investitionen andere Klubs gemacht haben. Kiel war einfach besser.

SPOX: Sie starteten mit 22:0 Punkten grandios in die letzte Saison, nach der EM-Pause lief es aber nicht mehr so rund. Was war los?

Storm: Verletzungen von Schlüsselspielern wie Uwe Gensheimer, Alexander Petersson, Kim Ekdahl du Rietz oder Goran Stojanovic konnte ein so dünn besetzter Kader wie unserer nicht kompensieren. Da sind wir wieder bei Kiel, das auf fast jeder Position doppelt mit Weltklassespielern besetzt war. Gerade im Rückraum. Uns dagegen haben die Verletzungen gestoppt.

SPOX: Die Verträge von Uwe Gensheimer, Zarko Sesum und Patrick Groetzki laufen 2014 aus. Werden Sie so schnell wie möglich mit ihnen verlängern?

Storm: Bei uns laufen nach der Saison sehr viele Verträge aus, aber generell möchten wir die Mannschaft so zusammenhalten. Das gilt auch für diese drei Spieler. Aber wir haben eine andere Zeit im Handball. Die ganz fetten Jahre nach dem deutschen WM-Sieg sind vorbei. Die Budgets sind reduziert worden, weil das Geld oft gar nicht eingespielt wird.

SPOX: Uwe Gensheimer ist ja ein Mannheimer Bub. Haben Sie trotzdem Angst, dass er den Verein in Richtung Norden verlassen könnte?

Storm: Wir sind mit Uwe aktuell in Gesprächen. Uwe ist das Gesicht der Löwen und wohl der beste Linksaußen der Welt. Das, was er für diesen Verein bedeutet, wird unabhängig von den sportlichen Leistungen nirgendwo anders nochmal so sein. Ich hoffe, wir können Uwe halten.

SPOX: Welche Auswirkungen hat der Ruin von Atletico Madrid auf die HBL und speziell die Löwen? Kommt ein Hochkaräter nach Mannheim?

Storm: Nein, aus Madrid kommt niemand zu uns. Vielleicht wird Christian Dissinger nach seiner zweiten Kreuzband-Operation bei uns Trainingsgast sein. Er ist ein großes deutsches Talent, das zudem aus dieser Region stammt.

SPOX: Hand aufs Herz: Wie nah standen die Rhein-Neckar Löwen 2012 vor einer ähnlichen Situation wie Atletico jetzt?

Storm: Ich kann nicht beurteilen, wo Atletico in den zurückliegenden Jahren gestanden hat. Was in Spanien passiert, überrascht mich nicht, denn dort wurde nie in die Struktur der Liga, nie in Marketing, Vertriebsaktivitäten und die Administration investiert. Immer nur in Spieler. So kann sich nichts entwickeln und daher war das Sterben der Liga Asobal absehbar. Die spanische Liga gibt es eigentlich nicht mehr. Barcelona hat einen Etat von zehn Millionen Euro und das zweite Team hat dann 1,5 Millionen. Das ist kein Wettbewerb.

SPOX: Kann solch ein Super-GAU auch in der HBL passieren? Man stelle sich vor, Flensburg oder der HSV würden ihr Team abmelden...

Storm: Das wird nicht passieren, aber wir müssen im Handball insgesamt näher zusammenrücken und einiges besser machen. Ansonsten werden Niveau und Interesse sinken.

SPOX: Die nächste EM wird ohne das DHB-Team stattfinden. Befindet sich der deutsche Handball in einer tiefen Krise?

Storm: Deutschland ist aufgrund der Tradition, des größten Handballverbandes und der stärksten Liga der größte "Markt" im Welthandball. In dieser Liga spielen die besten Spieler, daher ist es schwer, sich als junger Spieler durchzusetzen. Egal, ob ich Kroate, Däne oder deutscher Abstammung bin. Das hat aber für mich wenig mit der Entwicklung deutscher Spieler zu tun.

SPOX: Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern, damit die Nationalmannschaft wieder erfolgreicher wird?

Storm: Vielleicht müssen junge deutsche Talente auch den ungemütlicheren und beschwerlichen Weg über eine schwächere Liga im Ausland gehen, wie zuletzt Christian Dissinger oder unser Nachwuchs-Torhüter Jonas Maier in der Schweiz. Du musst einen großen Willen haben und bereit sein, alles für deinen Erfolg zu geben und einen Trainer finden, der dich weiterentwickelt. Und du bist noch nicht in einer ersten Sieben in einem Bundesligateam angekommen, nur weil du Junioren-Weltmeister bist. Das war bei Uwe Gensheimer oder Patrick Groetzki auch nicht anders. Sie haben es aber bei uns geschafft.

SPOX: Wäre eine Quotenregelung für ausländische oder Nachwuchsspieler eine Lösung?

Storm: Du kannst das Niveau der Liga durch eine Quotierung nicht künstlich senken. Man kann aber die Kader auf 16 Spieler ausweiten und vier Plätze im Kader für Nachwuchsspieler bereithalten. Das wäre ein guter Schritt für den Nachwuchsbereich und hilft dem Zweitspielrecht mit Zweitligisten.

SPOX: Seit langem fordern Sie, den Handball-Sport attraktiver zu machen. Was sind Ihre Pläne?

Storm: Man darf sich nicht auf dem Namen "stärkste Liga der Welt" ausruhen oder darauf verlassen, den größten Verband zu haben. Denn Stillstand bedeutet Rückschritt. Ich hoffe, dass der DHB und die HBL enger zusammenrücken und anfangen, zusammen zu arbeiten. Es geht nur gemeinsam, und ich hoffe auf einen Neubeginn unter Bernhard Bauer zusammen mit Bob Hanning. Wir haben nach wie vor die besten Voraussetzungen nach dem Fußball in Deutschland, aber wir müssen uns dafür viel besser gemeinsam in Medien und gegenüber Sponsoren präsentieren. Aber die Uhr tickt und andere schlafen nicht.

SPOX: Sie schlagen vor, den Handball-Meister in Playoffs zu ermitteln.

Storm: Playoffs wären ein guter Weg, sich im TV besser zu präsentieren und den Handball interessanter zu machen. Ich glaube daran.

HBL: Der Spielplan 2013/2014