Stephan: "Es reicht einfach nicht"

Von Interview: Felix Götz
Daniel Stephan (l.) ist mit dem DHB-Team unzufrieden
© Getty

Die DHB-Auswahl hat bei der EM in Serbien nicht nur das Halbfinale, sondern auch die Qualifikation für Olympia verpasst. Der 183-malige Nationalspieler Daniel Stephan hat ein Qualitätsproblem ausgemacht. Bei SPOX spricht der Welthandballer von 1998 über seine Unzufriedenheit mit den Leistungen der deutschen Mannschaft. Der 38-Jährige verteidigt den Bundestrainer, hält eine Quotenregelung in der HBL für nicht realisierbar und hofft auf Heiner Brand.

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SPOX: Herr Stephan, wie fällt Ihr EM-Fazit aus deutscher Sicht aus?

Daniel Stephan: Wir sind von den Spielleistungen her hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Wir haben die große Chance, ins Halbfinale einzuziehen, nicht genutzt. Das ist deshalb so enttäuschend, weil es vermutlich noch nie so leicht war. Insgesamt muss man sagen, dass wir da stehen, wo wir hingehören. Es reicht einfach nicht.

Alle DHB-Träume sind geplatzt

SPOX: Die Erwartungshaltung war vor dem Turnier nicht gerade hoch, nach der Pleite gegen Tschechien hat ohnehin kaum noch jemand an ein erfolgreiches Abschneiden geglaubt. Muss man also nicht doch sagen, dass die Vorstellung im Großen und Ganzen ordentlich war?

Stephan: Nein, das würde ich nicht so sagen. Die Jungs haben ohne Zweifel gekämpft, aber man darf die Spielweise nicht vergessen. Wir haben zum Beispiel gegen Tschechien, gegen Mazedonien und auch gegen Serbien nicht gut gespielt. Nur gegen Schweden war es gut. Dass wir überhaupt mit vier Punkten in die Hauptrunde gegangen sind, ist sensationell, aber das spiegelt nicht die Leistung wider, da war auch viel Glück dabei. Ich kann mit der Leistung nicht zufrieden sein.

SPOX: Es gab bei den deutschen Spielern positive und negative Überraschungen. An wen denken sie da?

Stephan: Sicher ist, dass es nicht das Turnier von Pascal Hens war. Ich kann das gut nachempfinden, weil es mir bei der EM 2000 in Kroatien ähnlich ging. Das Hauptproblem war, dass dem Rückraum die Durchschlagskraft gefehlt hat. Gut waren dagegen unsere Außenspieler, bei den Torhütern sehe ich ohnehin keine Schwierigkeiten. Am Kreis sind wir nicht erstklassig besetzt, wobei Christoph Theuerkauf seine Aufgabe sehr ordentlich gelöst hat.

SPOX: Fakt ist: Olympia in London steigt ohne die deutschen Handballer. Welche Auswirkungen wird das haben?

Stephan: Die deutsche Nationalmannschaft hat bei Olympischen Spielen eigentlich immer viel Aufmerksamkeit bekommen, was natürlich auch zu einem Prestigegewinn führt. Das fehlt uns jetzt. Zudem werden gewisse Förderungen vom Sportbund gekürzt.

SPOX: Trotzem hat der DHB bereits klargestellt, dass Bundestrainer Martin Heuberger nicht zur Diskussion steht. Eine richtige Entscheidung?

Stephan: Auf jeden Fall. Man muss ihm etwas Zeit geben. Er hat bei der EM teilweise mutige Entscheidungen getroffen, die auch Früchte getragen haben. Also: Über Martin Heuberger kann man nichts Negatives sagen.

SPOX: Welche Konsequenzen ergeben sich aus der aktuellen Situation? Berlin-Manager Bob Hanning hat vor der EM einen Umbruch gefordert. Wie sehen Sie das?

Stephan: Ein totaler Umbruch geht nicht, weil uns dafür die Alternativen fehlen. Wir können nicht zehn Leute austauschen. Richtig ist sicherlich, dass man das Team punktuell verändern muss. Damit hat Heuberger übrigens schon bei der EM angefangen, in dem er den international unerfahrenen Kreisläufer Patrick Wiencek mitgenommen hat.

SPOX: Der DHB feiert seit Jahren mit dem Nachwuchs große Erfolge, dennoch schaffen nur wenige Spieler den Sprung nach oben. Wo liegt denn generell das Problem?

Stephan: Der DHB macht eine gute Jugendarbeit, unsere Talente sind nicht schlechter als zum Beispiel die der Franzosen. Das Problem ist - das alte Lied - die Anschlussförderung. Bei den Franzosen bekommen die Jungs unglaublich viel Spielzeit in der ersten Liga, bei uns deutlich weniger.

SPOX: Was auch daran liegt, dass die HBL deutlich stärker ist als die französische Liga.

Stephan: Das hat natürlich damit zu tun, richtig. Und es ist ja nicht schlecht, dass die HBL so stark ist. Trotzdem bleiben unsere Nachwuchsspieler deshalb oft in ihrer Entwicklung stehen. Da müssen wir eine Lösung finden.

SPOX: DHB-Präsident Ulrich Strombach hat mal wieder eine Quotenregelung für deutsche Spieler in der HBL gefordert. Ein guter Ansatz?

Stephan: Meiner Meinung nach wäre es vom Prinzip her wünschenswert. Aber: Es ist nicht realisierbar. Das hat rechtliche und organisatorische Gründe.

SPOX: Würde eine Quotenregelung überhaupt Sinn machen? Am Ende würden die jungen deutschen Spieler womöglich nur auf den hinteren Positionen auf der Bank sitzen.

Stephan: Da haben sie Recht, eine gute Regelung wäre unheimlich kompliziert. Es gab mal die Überlegung, dass zwei deutsche Spieler immer auf dem Feld stehen müssen. Aber ob das umsetzbar wäre? Ich glaube nicht. Vielleicht sollte man sich von dem Gedanken lösen, wir sollten uns etwas anderes einfallen lassen.

SPOX: Haben Sie einen Vorschlag?

Stephan: Ich habe kein Patentrezept, sonst hätte ich es längst hinausposaunt (lacht). Aber ein kleiner Ansatz wäre es, die Jugendnationalmannschaften noch mehr und noch gezielter zu fördern. Zum Beispiel indem man sie regelmäßig gegen Männerteams, etwa aus der HBL, spielen lässt. Ich hoffe auf DHB-Manager Heiner Brand. Ich weiß, dass er neue Wege einschlagen wird und bereits entsprechende Konzepte entwickelt.

SPOX: Schön und gut. Wenn es aber kein gutes Zusammenspiel zwischen HBL und DHB gibt, wird Heiner Brand nicht viel ändern können.

Stephan: Es wird jetzt höchste Zeit, dass es alle verstehen: Wir sitzen in einem Boot. Die Zusammenarbeit von HBL und DHB muss sich verbessern. Wir haben eine attraktive Liga, das Flaggschiff des deutschen Handballs ist und bleibt aber die Nationalmannschaft. Also: Die HBL braucht den DHB, der DHB braucht die HBL. Wir brauchen Lösungen.

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