"Die Spieler und Heiner waren hektisch"

Von Interview: Felix Götz
Magnus Wislander fand die Spielweise vom DHB-Team zu hektisch
© Getty

Magnus Wislander ist eine Legende. Die Auszeichnung Welthandballer des Jahrhunderts sagt alles. Der heute 46-Jährige spielte zwölf Jahre beim THW Kiel und lief 384 Mal für Schweden auf. Kurzum: Er ist genau der Richtige, um mit SPOX auf die WM in Schweden zurückzublicken. Wislander schwärmt von den Franzosen und spricht über das schwache Abschneiden der deutschen Mannschaft.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Wislander, die WM in Ihrer Heimat Schweden ist schon wieder Geschichte. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Magnus Wislander: Es war ein richtig gutes Turnier, finde ich. Es gab Überraschungen und Enttäuschungen - so wie es eben bei einer WM ist und auch sein soll.

SPOX: Wie haben Ihre Landsleute das Event organisatorisch gemeistert. Sind Sie zufrieden?

Wislander: So wie ich die WM erlebt habe, gab es eigentlich keine größeren Probleme. Ich habe aber mitbekommen, dass es hier und da mit dem Essen, den Zimmern und den Transporten zu den Spielstätten und wieder zurück nicht gepasst hat. Außerdem gab es am Anfang für die Journalisten mit den Computern in der Halle Probleme. Aber das waren alles keine großen Sachen, die Schweden haben das insgesamt gut hinbekommen.

SPOX: Wie war die Atmosphäre in Schweden während des Turniers?

Wislander: An Tagen, an denen Schweden gespielt hat, war die Stimmung sehr, sehr gut. Da waren alle begeistert. Wenn Schweden nicht gespielt hat, dann war es - was auch normal ist - meist etwas ruhiger.

SPOX: Kommen wir zum Sportlichen. Was gab es auf taktischer Ebene Neues zu bestaunen?

Wislander: Es gab durchaus neue Dinge zu sehen. Es wurde beispielsweise ein bisschen offensiver gedeckt. Und zwar auch dann, wenn die Teams mit einer 6:0-Abwehr gespielt haben. Die gegnerischen Rückraumspieler wurden teilweise sehr heftig unter Druck gesetzt. Was außerdem aufgefallen ist: Wenn die Kreisläufer in der Mitte keine Chance hatten, dann sind sie oft nach außen gegangen. Da wurde eigentlich in der Intensität ungewöhnlich viel Druck auf die Außenspieler erzeugt.

SPOX: Ein Trend, der sich Ihrer Meinung nach in Zukunft noch stärker bemerkbar machen wird?

Wislander: Das glaube ich schon. Die Schwächen der Abwehr werden immer mehr im Detail ausgemacht und ausgenutzt. Angriffe werden noch gezielter als bisher beispielsweise auf kleine Abwehrspieler ausgetragen oder eben auf die Außenspieler, die oft nicht so gute Verteidiger sind.

SPOX: Welche Mannschaft hat Ihnen besonders imponiert?

Wislander: Dass die Franzosen mit ihrer super Truppe sehr stark sein würden, haben wir alle vorher schon gewusst. Aber die haben das insgesamt wieder so souverän gemeistert, das hat mich schon sehr beeindruckt. Die Franzosen sind ein würdiger und verdienter Weltmeister.

Die SPOX-Analyse: Frankreich ist Weltmeister

SPOX: Hätten Sie gedacht, dass Frankreich nach den vielen Erfolgen vielleicht diesmal den Hunger verliert?

Wislander: Es wäre zumindest möglich gewesen, dass sie den Hunger verlieren. Aber genau das Gegenteil ist eingetreten. Ich glaube, dass es für Frankreich ein Vorteil ist, dass Nikola Karabatic wieder in der französischen Liga spielt. Zudem ist es auch so, dass Bertrand Gille in Hamburg nicht so extrem viel Spielzeit hat. Dadurch können beide wohl etwas Kräfte sparen, dass sie dann bei solchen Turnieren noch in der Lage sind, sich noch mal zu steigern. Das Gefühl habe ich zumindest. Zudem haben die Franzosen mit William Accambray und Xavier Barachet zwei hungrige Spieler dazubekommen, die sehr gut gespielt haben.

SPOX: Nicht einmal das Fehlen von Daniel Narcisse ist ins Gewicht gefallen.

Wislander: Ab und zu hat man schon gemerkt, dass er fehlt. Zum Beispiel in der Vorrunde gegen Spanien und auch im Finale gegen Dänemark. In den beiden Spielen wurden die Franzosen gefordert, die jungen Spieler haben ab und zu Nerven gezeigt. Was übrigens völlig normal ist. Mit Narcisse und seiner Erfahrung wäre es aber wahrscheinlich nicht einmal wirklich eng geworden.

Statistik zur WM: Die Besten der Besten

SPOX: Im Halbfinale konnte auch Schweden gegen die Franzosen nichts ausrichten. Dennoch haben Ihre Landsmänner ein tolles Turnier gespielt. Wie bewerten Sie deren Leistung?

Wislander: Das war die große Überraschung im Turnier. Die Abwehr hat sehr gut funktioniert, die Torhüter waren stark. Schweden hat, anders als in den vergangenen Jahren, mit Biss und Willen gespielt.

SPOX: Dabei sah es nach der sensationellen Niederlage in der Vorrunde gegen Argentinien gar nicht gut aus. Hatten Sie da Angst?

Wislander: Selbstverständlich. Nach diesem Spiel hatte ich einen Kloß im Hals. Das war ein richtig schlechtes Spiel von Schweden. Wobei man auch ehrlich sein und sagen muss, dass Argentinien taktisch in dieser Partie eine hervorragende Leistung gezeigt hat.

SPOX: Dennoch ging aus schwedischer Sicht alles gut aus. Hand aufs Herz: Hätten Sie der Mannschaft den Einzug ins Halbfinale zugetraut?

Wislander: Ich war mit ganzem Herzen dabei und habe gehofft, dass es so kommen würde. Mein Gehirn hat aber etwas anderes gesagt. Ich muss zugeben, dass ich es nicht erwartet habe.

SPOX: Schweden hat eine junge Mannschaft. War diese WM nur ein Ausreißer nach oben, oder geht es mit der schwedischen Nationalmannschaft jetzt insgesamt wieder bergauf?

Wislander: Ich hoffe es, aber sicher kann man nicht sein. Was mich optimistisch macht, ist die Tatsache, dass die Spieler, die zum Erfolg maßgeblich beigetragen haben, zu einem Großteil tatsächlich noch sehr jung sind. Es hapert noch ein bisschen am Kreis und wir brauchen noch einen Mittelmann, der sich gegen die stärksten Gegner durchsetzen kann.

SPOX: Schweden hat überrascht, aber auch Dänemark. Oder haben Sie die Dänen im Finale erwartet?

Wislander: Im Nachhinein ist es natürlich leicht zu sagen, dass man das erwartet hat. Aber mir war schon klar, dass die Dänen sehr stark sind, und ich habe ihnen von Beginn an große Chancen auf das Halbfinale eingeräumt. Sie haben mit Mikkel Hansen einen der besten Spieler der Welt, das darf man nicht vergessen. Mit solchen Typen hast du Erfolg.

SPOX: Zudem wurden die Dänen frenetisch von ihren zahlreichen Fans unterstützt.

Wislander: Absolut. Die Dänen haben zu Hause gespielt.

SPOX: Eine der Enttäuschungen in diesem Turnier waren die Kroaten. Was lief bei denen schief?

Wislander: Die Kroaten haben Probleme im Rückraum gehabt, besonders im rechten Rückraum. Da haben sie nicht das Niveau der letzten Jahre halten können. Zudem hat Torhüter Mirko Alilovic kein gutes Turnier gespielt. Es ist bei einer WM in der Spitze ganz einfach: Wenn es nicht auf ausnahmslos allen Positionen einigermaßen funktioniert, dann hast du keine Chance.

SPOX: Von einer Enttäuschung zu einer noch größeren Enttäuschung. Warum war das DHB-Team so schlecht?

Wislander: Ehrlich gesagt weiß ich es nicht so genau. Fakt ist, dass die Auslosung mit Spanien und Frankreich in der Vorrundengruppe alles andere als optimal war. Nach den Niederlagen gegen diese beiden Teams war die Luft so ein wenig raus. Was mich überrascht hat, war die hektische Spielweise der Deutschen. Auch Heiner Brand hat auf mich etwas hektisch gewirkt.

SPOX: Fehlt da nicht der Führungsspieler, der genau diese Hektik raus nimmt?

Wislander: So kann man das sagen. Es gibt mit Holger Glandorf, Michael Kraus und Pascal Hens ja sehr gute Rückraumspieler. Aber einer, der das Spiel steuert, fehlt.

SPOX: In Deutschland wird derzeit heftig diskutiert, ob Heiner Brand noch der richtige Bundestrainer ist. Glauben Sie, dass es Zeit für einen Wechsel wäre?

Wislander: Das ist eine schwere Frage. Die WM war jetzt schlecht, und schon wird der Trainer in Frage gestellt. So ist das Geschäft. Heiner macht den Job jetzt schon sehr lange, er hat bisher gute Arbeit geleistet und sich einen Namen in der ganzen Welt gemacht. Ob es besser werden würde, wenn er aufhören würde - da bin ich mir nicht sicher.

SPOX: Es gibt immer wieder die Diskussion, dass zu wenig deutsche Spieler bei Topteams auf Schlüsselpositionen spielen würden. Was halten Sie davon?

Wislander: Ich habe die Diskussion mitbekommen und vielleicht ist es auch so, dass zu wenige einheimische Spieler auf diesen Positionen spielen. Aber dieses Problem hat man doch mehr oder weniger in allen Ländern. Es kommt nicht nur darauf an, bei welchen Vereinen man wie lange spielt. Schauen sie sich die Schweden an: Wir haben mit Dalibor Doder einen Mittespieler, der in der zweiten Bundesliga spielt. Eines muss man aber sagen: Heiner hat es natürlich schwer. Er hat eine begrenzte Auswahl, das ist keine Frage.

WM in Schweden: Alle Ergebnisse

Artikel und Videos zum Thema