Brand: "Das Unverständnis bleibt bestehen"

Von Florian Regelmann
Heiner Brand steht noch bis 2013 beim DHB unter Vertrag
© Getty
Cookie-Einstellungen

Teil 4: Der Brand'sche Wutanfall und der WM-Ausblick

Olympia 2008 in Peking/Aus in der Vorrunde: Das Turnier nimmt einen extrem bitteren Verlauf. Mit Südkorea, Dänemark, Island, Russland und Deutschland gibt es in der Vorrunden-Gruppe B fünf Mannschaften, die alle fast gleichauf liegen. Deutschland lässt gegen Island (29:33) und Russland (24:24) Punkte liegen, sodass es zu einem Do-or-Die-Spiel gegen Dänemark kommt. Friss oder stirb?

Und in Peking erlebt Deutschland den ganz frühen sportlichen Tod. Nach einem sehr enttäuschenden 21:27 gegen Dänemark ist Olympia ganz früh vorbei. Die Franzosen feiern nach einem 28:23 im Finale gegen die sensationellen Isländer ihre Goldmedaille.

Heiner Brand: "Mein dänischer Kollege hat mir später mal gesagt: 'Heiner, mit der Mannschaft konntet ihr gegen uns nicht gewinnen.' Und er hatte wohl Recht. Das war ein Turnier, bei dem es sich mit den Ausfällen extrem gehäuft hat. Uns hat schlicht und ergreifend die Qualität gefehlt. Selbst wenn wir weitergekommen wären, eine Medaille hätten wir nie schaffen können. So realistisch muss man sein."

WM 2009 in Kroatien/Platz 5: Gleich zum Auftakt lässt Deutschland gegen Russland (26:26) einen Punkt liegen, aber danach spielt die Brand-Truppe eine blitzsaubere Vorrunde. Das Halbfinale scheint machbar. Ein wildes 35:35 gegen Serbien zum Hauptrunden-Auftakt ist ein erstes schlechtes Zeichen, danach folgt eine 24:25-Pleite gegen Norwegen, die für einen TV-Moment des Jahrzehnts sorgt.

Das skandalöse slowenische Referee-Duo Krstic/Ljubic pfeift Christian Schöne bei einem Einwurf mehrere Male zurück - solange bis die Zeit abgelaufen ist. Unfassbar. Unfassbar auch, wie Brand dann mit erhobener Faust auf die Refs zustürmt. Für kurze Zeit hätte man denken können, dass er ihnen jetzt tatsächlich eine verpasst...

Zu allem Überfluss verletzt sich auch noch Mimi Kraus im Spiel schwer. Im letzten Hauptrunden-Spiel verliert man gegen Dänemark (25:27) und verpasst das Halbfinale. Frankreich holt sich durch ein 24:19 gegen Kroatien den Titel.

Heiner Brand: "Zu der Sache mit den Schiedsrichtern kann ich nur sagen, dass mein Unverständnis bis heute bestehen bleibt. Und das bezieht sich nicht nur auf das Norwegen-Spiel, sondern auch auf die Partie gegen Dänemark. Ich will damit aber meine Aktion nicht rechtfertigen, die fand ich damals nicht gut und finde sie auch heute nicht gut. Nur meine Einschätzung der Situationen hat sich kein bisschen geändert. Es war schade, weil wir eine optimale Vorrunde gespielt hatten und nur noch zwei Punkte brauchten, um das Halbfinale klarzumachen. Und dann verlieren wir auf diese Weise gegen Norwegen und Dänemark und Polen wirft gegen Norwegen den Siegtreffer ins leere Tor. Erst damit waren wir ja raus. Bei diesem Turnier ist einiges gegen uns gelaufen."

EM 2010 in Österreich/10. Platz: Nach einer Niederlage gegen Polen (25:27) und einem Remis gegen Slowenien (34:34) steht Deutschland schon in der Vorrunde vor dem Aus, rettet sich dann aber mit einem 30:29 gegen Schweden noch in die Hauptrunde. Das war es dann aber auch, was es positiv zu berichten gibt. 22:24 gegen Frankreich, 20:25 gegen Spanien, ein bezeichnendes 26:26 zum Abschluss gegen Tschechien, Rang 10 in der Endabrechnung.

So schlecht war Deutschland noch nie. Es ist das Ergebnis aus Verletzungsproblemen, unglaublicher Formtiefs einiger Schlüsselspieler und einer insgesamt zu blutleeren Vorstellung. Der amtierende Olympiasieger und Weltmeister Frankreich krönt sich durch einen 25:21-Finalsieg gegen Kroatien in Wien auch zum Europameister.

Heiner Brand: "Ich bin niemand, der sich an Platzierungen aufhängt. Mir geht es um die Leistung und die war in Österreich nicht ausreichend. Natürlich gab es einige Punkte, die als Erklärung dienen können. Pascal war nicht dabei, Mimi war nicht fit, Holger war nicht in Form, aber wir haben auch nicht so Handball gespielt, wie ich mir das vorstelle. Vor allem hatten wir viel zu wenig Disziplin im Spielaufbau. Es war die Leistung, die mich nicht zufrieden gestellt hat."

WM 2011 in Schweden/?: Eines ist klar: Deutschland fährt sicher nach als einer der großen Favoriten nach Schweden. Die Vorrunde wird schwer genug. Mit Frankreich, Spanien, Tunesien, Ägypten und Bahrain hat man eine Art Todesgruppe erwischt. Bis auf Bahrain ist kein Sieg hundertprozentig sicher. Gegen Tunesien hat man sich in der Vergangenheit immer schwer getan und praktisch nie hoch gewonnen, auch Ägypten ist mit seinem deutschen Trainer Jörn-Uwe Lommel ein unangenehmer Gegner.

Klar ist aber auch, dass das Spiele sind, die im Endeffekt gewonnen werden müssen. Gelingt das, ist der Hauptrunden-Einzug schon mal sicher. Spanien und selbst Frankreich sind für Deutschland aber auch immer zu schlagen, wenn alles passt. Mit mehr als zwei Minuspunkten darf man aus der Vorrunde auf jeden Fall nicht herauskommen, wenn das Halbfinale angepeilt werden soll.

Das Mindeste, was angepeilt werden muss, ist Rang sieben. Nur der Weltmeister qualifiziert sich direkt für Olympia 2012, weitere sechs Teams dürfen ein Quali-Turnier bestreiten. Dass die Verletzungssorgen so gering sind wie lange nicht, darf positiv stimmen. Wenn es sehr gut läuft, kann es bis ins Halbfinale gehen. Wenn es sehr schlecht läuft, kann es aber auch ein kurzes Turnier werden. Es ist völlig unmöglich vorauszusagen.

Heiner Brand: "Was mir Mut macht ist, dass wir komplett antreten können, ich endlich mal auf allen Positionen Alternativen habe und die Formkurve bei einigen Spielern auch nach oben zeigt. Wir müssen aus dem letzten Turnier lernen und eine größere Disziplin im Angriff an den Tag legen. Wenn wir das beherzigen und einige Fehler weniger machen, können wir einiges erreichen. Selbst die letzte EM hat gezeigt, dass wir nicht weit weg sind. Trotz schlechten Spiels haben wir immer noch aufgeholt und hätten sogar Frankreich noch fast geschlagen."

... über das Ziel?: "Nach Einschätzung der Fachleute gehören wir sicher nicht zu den Favoriten, aber die Anspruchshaltung in Deutschland geht schon in die Richtung. Wir haben die stärkste Liga der Welt, Handball ist in Deutschland 'in', daraus wird eben gerne abgeleitet, dass die Nationalmannschaft auch dementsprechend stark sein muss. Dabei vergisst man gerne, dass es in der Liga Entwicklungen gibt, die eher kontraproduktiv sind. Aber wir gehen optimistisch ins Turnier und glauben, dass wir weit kommen können. Das Ziel ist das Halbfinale."

Teil 1: Die Anfänge

Teil 2: Endlich - Der erste Titel

Teil 3: Weltmeister im eigenen Land - Der Höhepunkt

Der Spielplan der Handball-WM 2011

Artikel und Videos zum Thema