Großangriff im Werder-Stil

Von Felix Götz
Die SG Flensburg-Handewitt stand 2004 und 2007 im Endspiel der Champions League
© Getty

Die Saison ist noch nicht mal zur Hälfte gelaufen, da plant die SG Flensburg-Handewitt bereits die kommende Spielzeit. Der Trainer wurde gewechselt, mit Lars Kaufmann und Holger Glandorf zwei Nationalspieler verpflichtet. Nun soll sich auch die Philosophie des Klubs ändern - Werder Bremen ist das große Vorbild. Das Ziel: Kiel, Hamburg und den Rhein-Neckar Löwen wieder auf die Pelle rücken. Geschäftsführer Holger Kaiser erklärt bei SPOX, wie das gelingen soll.

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Werder Bremen muss in der Vergangenheit vieles richtig gemacht haben. Anders ist es nicht zu erklären, dass der aktuell kriselnde Fußball-Bundesligist weiterhin als Vorbild dient - sogar über die eigene Sportart hinaus. Die SG Flensburg-Handewitt möchte sich nämlich zu einem Verein entwickeln, der in der Lage ist, immer wieder in den Kreis der noch größeren Klubs wie Kiel, Hamburg oder die Rhein-Neckar Löwen einzudringen. Genau so, wie es Werder in der Vergangenheit oft gemacht hat.

"Wir wissen, dass im Fußball Bayern München in zehn Jahren sechs Mal Meister wird. Das ist im Handball vergleichbar. Wir wollen eine Marke werden, die von der sportlichen Strategie her ähnlich wie Werder Bremen ausgerichtet ist und in der Lage ist, für Überraschungen zu sorgen", erklärt SG-Geschäftsführer Holger Kaiser im Gespräch mit SPOX.

Mit Kontinuität zum Erfolg

Ein Wort kommt dem 45-Jährigen dabei immer wieder über die Lippen: Kontinuität. "Vereine, bei denen Kontinuität auf der Führungsebene und im Kader herrscht, haben nachhaltig Erfolg. Das sind Vereine, die mehr erreichen, als auf dem Papier steht. Wie Werder eben", erklärt Kaiser.

Die SG hat viele Erfolge vorzuweisen, die noch nicht allzu lange zurückliegen. In den vergangenen neun Jahren holte der Klub aus Schleswig-Holstein drei Mal den DHB-Pokal, je einmal den Europapokal der Pokalsieger und die deutsche Meisterschaft. Zudem glückte 2004 und 2007 der Einzug ins Champions-League-Finale.

Dennoch sind die Flensburger realistisch und sehen sich als Außenseiter - zumindest im Vergleich zu Kiel, Hamburg und den Rhein-Neckar Löwen. Was nicht bedeutet, dass man keine Chance hat.

Zu den Topklubs aufschließen

"Außenseiter ja, Zurückhaltung nein", lautet deshalb das Motto für die Zukunft. Die Flensburger rüsten sich für den Angriff und artikulieren dies auch ganz deutlich: "Wir wollen kurzfristig zu den Topklubs aufschließen." Eine klare Ansage.

Um dieser auch Taten folgen zu lassen, laufen bereits die Planungen für die neue Saison auf Hochtouren. Mit Holger Glandorf (Lemgo) und Lars Kaufmann (Göppingen) haben sich die Norddeutschen die Dienste zweier aktueller deutscher Nationalspieler für die kommende Saison gesichert. Und auch hier spielt die Kontinuität eine wichtige Rolle. Glandorf hat für drei Jahre unterschrieben, Kaufmann sogar bis 2015.

Nimmt man SG-Kreisläufer Jacob Heinl, der auch schon Erfahrungen bei Bundestrainer Heiner Brand gesammelt hat, dazu, dann hat Flensburg in der nächsten Spielzeit sogar drei deutsche Nationalspieler. Eine Tatsache, die Kaiser mächtig stolz macht: "Das Gesicht der Mannschaft wird sich verändern. Bisher waren wir skandinavisch orientiert, jetzt sind wir deutsch-skandinavisch orientiert. Glandorf und Kaufmann passen optimal in unser Konzept."

Flensburg wollte Carlen halten

Ein Konzept, dass mittlerweile und auch möglichst lange Trainer Ljubomir Vranjes vorgeben soll. Der Schwede, der zuletzt Sportdirektor und Co-Trainer in Personalunion bei der SG war und für den es die erste Station als Cheftrainer ist, hat den Posten vom Anfang November entlassenen Per Carlen übernommen.

Wobei Kaiser klarstellt, dass man auch mit Carlen die neue Strategie verfolgt hätte: "Es gab über ein halbes Jahr ein Hin und Her um die Zukunft von Carlen. Wir wollten ihn über diese Saison hinaus halten und haben lange verhandelt. Am Ende hat Per uns dann mitgeteilt, dass er seinen bis 2011 laufenden Vertrag nicht verlängern wird. Dann haben wir uns zusammengesetzt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir dem neuen Trainer sofort die Chance geben wollen, die Weichen für die Zukunft zu stellen."

Kurioserweise hat Carlen seine Ablösung offenbar mitgetragen, die ständigen Gerüchte um einen gemeinsamen Wechsel des 50-Jährigen mit Sohnemann Oscar, der Flensburg ziemlich sicher am Saisonende verlassen wird, zum HSV sollen bei der Entscheidung keine Rolle gespielt haben.

"Überhaupt nicht. Man muss unsere Situation verstehen. Der Trainer geht und sein Nachfolger ist schon bei jedem Training mit dabei. Das ist eine schwierige Situation für alle Beteiligten. Der Vorschlag Per zu beurlauben kam nicht nur von uns, sondern auch in Absprache mit Per", so Kaiser.

Vranjes - der akribische Taktiker

Vranjes indes scheint genau der richtige Mann für die Zukunft zu sein, zumal er die Gegebenheiten in Flensburg genau kennt - von 2006 bis 2009 war er SG-Spieler. "Er war als Aktiver schon sehr kreativ. Es ist gibt sicherlich wenige, die so viel Handball-Sachverstand haben wie er. Ein akribischer Taktiker ist er auch. Man konnte jetzt schon in den ersten Spielen seinen Stempel sehen. Er kann die gute Arbeit von Carlen fortsetzen, mit seiner eigenen Note", meint Kaiser.

Als ein Übergang der Experimente will Kaiser die laufende Saison aber ausdrücklich nicht verstanden wissen. Auch jetzt braucht die SG Ergebnisse: "Wir sind fast sicher im Achtelfinale der Champions League, sind noch im DHB-Pokal dabei. Wir haben auch in der Liga Chancen auf Platz vier. Abgeschenkt wird nichts."

"Die Situation war problematisch"

Aktuell belegt Flensburg in der Liga Rang sechs, ab dem nächsten Jahr soll es dann Schritt für Schritt bergauf gehen. Es gilt immer dann zuzuschlagen, wenn sich die Großen Schwächen erlauben. Erstaunlich, dass die Mittel dazu da sind. Zumindest wenn man bedenkt, dass den Klub vor gut einem Jahr noch gehörige finanzielle Schwierigkeiten plagten.

"Wir hatten damals eine Situation, die problematisch war", gibt Kaiser, der auch bereits für Magdeburg gearbeitet hat, unumwunden zu. Damals waren es die Spieler, die auf Gehalt verzichtet und die Lage dadurch enorm entspannt haben.

Probleme, die es in Zukunft nicht wieder geben soll: "Jetzt sind wir dabei uns zu festigen. Auch mit der Verpflichtung von Spielern, mit denen man sich neue Ziele setzen kann." Hohe Ziele, versteht sich. Wie Werder Bremen - lässt man die aktuelle Saison des Vereins von der Weser einmal außen vor.

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