"Begeistern mehr als jede Rockband"

Von Interview: Felix Götz
Filip Jicha spielte bisher 113 Mal für die tschechische Nationalmannschaft
© Imago

Es geht wieder los! Am Sonntag startet der deutsche Meister und Champions-League-Sieger THW Kiel gegen Aufsteiger TSG Friesenheim (15 Uhr im LIVESCORE) in die neue Bundesliga-Saison. Einer steht dann wieder besonders im Fokus - Filip Jicha. Der Rückraumspieler wurde in der vergangenen Spielzeit zum Spieler der Saison gewählt. Mit SPOX spricht Jicha über Tiger Woods, den Mythos THW Kiel und die zwei Gesichter von Trainer Alfred Gislason.

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SPOX: Herr Jicha, die Handball-Saison steht vor der Tür. Stehen Driver und Putter schon wieder in der Ecke?

Filip Jicha: So ähnlich ist es. Ich bin begeisterter Golfer und sportlich gesehen fasziniert mich Tiger Woods. Jetzt steht aber natürlich wieder Handball im Vordergrund.

SPOX: Was gefällt Ihnen an Tiger Woods?

Jicha: Es ist für mich sehr spannend zu sehen, wie er mit dem Druck, der auf seiner Person lastet, umgehen kann. Das würde ich allerdings nur für einen Tag selbst ausprobieren wollen. Alle schauen auf ihn und bewerten dann was er macht. Entweder er macht alles richtig, oder er macht alles falsch. Derzeit scheint er alles falsch zu machen. (lacht)

SPOX-Favoritencheck: Same procedure as every year...

SPOX: Obwohl Sie nun wieder weniger Zeit für Golf haben, ist es doch sicher ein großes Vergnügen für den THW Kiel zu spielen. Können Sie uns den Mythos THW Kiel erklären?

Jicha: In der Sparkassen-Arena herrscht eine Atmosphäre, die nicht zu beschreiben ist. Ich sage es einmal so: Die Mannschaft und die Fans, wir begeistern uns gegenseitig. In Kiel kann man viele Veranstaltungen machen. Will man aber die Menschen hier wirklich begeistern, dann muss man Handball spielen. So etwas gibt es nirgendwo anders.

SPOX: Also kann nicht einmal ein super Konzert dem THW das Wasser reichen?

Jicha: (lacht) Wir können mehr Begeisterung auslösen als jede Rockband - glaube ich zumindest.

SPOX: Zuletzt haben Sie persönlich das sicher geschafft. Sie wurden zum Spieler der Saison gewählt. Und zwar von Ihren Gegnern, den Trainern und Kapitänen der Bundesligisten. Was bedeutet Ihnen das?

Jicha: Das ist natürlich eine schöne Auszeichnung. Dass die Gegenspieler mich zum besten Spieler gewählt haben, macht mich stolz. Aber: Irgendwie ist es auch bedeutungslos - zumindest jetzt. Ich kann mir davon nichts kaufen, muss mich in der kommenden Saison neu beweisen. Es geht wieder von null los.

SPOX: Hätte Ihnen die Auszeichnung auch dann etwas bedeutet, wenn die vergangene Saison für den THW Kiel nicht so erfolgreich mit Titeln geendet hätte?

Jicha: Nein, dann ganz klar nicht. Diese eine Woche, die wir erlebt haben, als wir die Champions League und die Meisterschaft gewonnen haben, war unglaublich. Die Stimmung in der Mannschaft und in der ganzen Stadt war phantastisch. Das zu erleben, ist das Größte, was man als Handballer erreichen kann.

SPOX: Welchen Anteil hat Trainer Alfred Gislason an den Triumphen? Ist er eigentlich wirklich so knorrig, wie er in der Öffentlichkeit oft wirkt?

Jicha: Er hat zwei Gesichter. Auf der einen Seite ist er sehr locker und spricht sehr viel mit uns Spielern. Auf der anderen Seite kann er plötzlich ganz streng und unangenehm werden. Wenn es sein muss, dann dauert das bis zu drei Wochen. (lacht) Aber genau das zeichnet einen guten Trainer aus. Alfred weiß genau, was die Mannschaft gerade braucht und hat deshalb natürlich sehr großen Anteil an unserem Erfolg.

SPOX: Die Erfolge waren auch deshalb so besonders, weil sie so nicht zu erwarten waren. Der THW befand sich im Umbruch, Stefan Lövgren und Nikola Karabatic waren weg. Viele Experten haben Kiel für schwächer gehalten. War es eine Genugtuung, es den Kritikern gezeigt zu haben?

Jicha: Die Behauptung, dass wir schwächer seien, kam von den Medien und teilweise auch von anderen Vereinen. Wir THW-Spieler haben das nicht so gesehen. Wir hatten und haben auch nach den Abgängen tolle Spieler, die schon vorher viele Erfolge hatten. Wir sind ein starkes Team und deshalb nicht von einzelnen Spielern abhängig.

SPOX: Sie sprechen den Teamgeist an. In der vergangenen Saison war Hamburg personell für manche sogar besser besetzt als der THW. Als es aber um die Wurst ging, war Kiel da, dem HSV versagten die Nerven. Warum?

Jicha: Es ist doch so: Du kannst 25 super Handballer haben, aber auf dem Spielfeld werden immer nur sieben stehen. Und es kommt nur darauf an, wie diese sieben Spieler, die gerade auf dem Feld stehen, zusammenspielen. Das haben wir gut hinbekommen.

SPOX: Woher hat der THW diese Siegermentalität?

Jicha: Wir gehen in jede Partie mit viel Respekt vor dem Gegner. Wir wissen, dass wir Spiele nur dann gewinnen, wenn wir alle hart kämpfen. Dabei ist es egal, gegen wen wir antreten. Außenstehende denken immer, dass Kiel manche Gegner mit links besiegt. Diese Einstellung haben wir als Mannschaft aber nicht. Wir wissen, dass jeder Sieg harte Arbeit voraussetzt. Dass wir mit dieser Einstellung fast immer auf den Platz gehen, war in den vergangenen Jahren unser wichtigster Vorteil.

SPOX: Also hat der THW im mentalen Bereich den unmittelbaren Konkurrenten etwas voraus?

Jicha: Zumindest häufig. Dass man alle Gegner sehr ernst nehmen muss, ist keine Phrase. Wir leben das. Tun wir das nicht, dann geht es schnell schief. Das hat man in der vergangenen Saison gesehen, als wir in Balingen verloren haben.

SPOX: Kann man als echtes Team auch den verletzungsbedingten Ausfall von Daniel Narcisse wegstecken, der sich das Kreuzband gerissen hat?

Jicha: Zunächst einmal ist das sehr bitter. Es macht einfach Spaß, Daniel beim Handballspielen zuzusehen. Er ist ohne Frage ein wichtiger Teil unserer Mannschaft. Allerdings halte ich nichts von dem Spruch: Spieler XY ist unersetzbar. Jeder Spieler ist ersetzbar. Wir haben in der Vergangenheit oft bewiesen, dass man als Team viele Dinge kompensieren kann.

SPOX: Auch in dieser Vorbereitung hat der THW das bewiesen - mit starken Leistungen. Sieht man einmal von der 26:27-Pleite im Supercup gegen Hamburg ab, dann müssen Sie zufrieden sein, oder?

Jicha: Die Vorbereitung war sehr anstrengend. Und ich muss ehrlich sagen, dass es mir noch nicht so viel Spaß macht, weil die Kraft einfach noch ein wenig fehlt. Wie gut es aber handballerisch bei uns schon läuft, ist für mich auch überraschend. Allerdings darf man sich davon nicht blenden lassen. Wenn die Bundesliga und die Champions League läuft, dann interessiert die Vorbereitung niemanden mehr.

SPOX: Wenn man Meister und Champions-League-Sieger ist, dann gibt es nur eine Steigerung - das Triple. Ist das das große Ziel?

Jicha: Moment! Niemand beim THW sagt vor der Saison, dass wir das Triple holen. Wir denken von Spiel zu Spiel, nur so kann man erfolgreich sein. Diese Denkweise ist in Kiel fest verankert. Wir wollen natürlich möglichst jedes Spiel gewinnen. Das geht aber nur Schritt für Schritt.

Die SPOX-Kolumne von Oliver Roggisch

SPOX: Welche Teams werden dem THW in der Bundesliga das Leben schwer machen?

Jicha: Auf jeden Fall der HSV. Die haben in der letzten Saison wirklich einen klasse Handball gespielt. Außerdem habe ich die Rhein-Neckar Löwen auf der Rechnung. Die Löwen werden sich weiter stabilisieren und ein sehr unangenehmer Gegner sein. Und mit Flensburg ist auch zu rechnen.

SPOX: Und am Ende steht Kiel wieder ganz oben?

Jicha: Das hoffe ich. Aber dafür müssen wir in jeder einzelnen Partie harte Arbeit abliefern.

SPOX: Was ist in der Champions League drin?

Jicha: Viele Mannschaften haben sich gut verstärkt. Wenn du im Viertelfinale ein schlechtes Los erwischst, dann kann dort Endstation sein. Kommt man ins Final Four, dann beginnt eigentlich ein völlig neues Turnier, bei dem es auf Kleinigkeiten ankommt und alles passieren kann.

SPOX: Sie sind einer der besten Handballer der Welt und spielen beim wohl besten Klub der Welt. Ihr Vertrag läuft noch bis 2014. Für immer THW?

Jicha: Vier Jahre sind für mich eine Ewigkeit. Ich möchte die Zeit bis dahin einfach genießen. Und dann wollen wir mal sehen, wie ich mich fühle.

Die Kader im Überblick