"Will so werden wie Oliver Roggisch"

Von Interview: Bärbel Mees
Patrick Wiencek feierte sein DHB-Team-Debüt am 1.12.09 gegen Weißrussland
© Imago

Im August 2009 sind die deutschen Handball-Junioren in Ägypten zum ersten Mal Weltmeister geworden. SPOX kümmert sich seither verstärkt um den deutschen Handball-Nachwuchs und stellt regelmäßig die besten Junioren vor, die sicher schon bei Bundestrainer Heiner Brand im Notizblock stehen. Diesmal: WM-Kreisläufer Patrick Wiencek.

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Bis zum Ende der Saison ist Kreisläufer Patrick Wiencek noch bei TUSEM Essen. Dann wechselt er zum VfL Gummersbach, wo er für zwei Jahre unterschrieben hat. Bei SPOX spricht der 21-Jährige über sein Vorbild Oliver Roggisch, seinen Spitznamen Bamm-Bamm und warum das gesamte Team in Ägypten beim McDonald's landete.

SPOX: Sie haben beim VfL Gummersbach für zwei Jahre unterschrieben und sollen Robert Gunnarsson ersetzen. Ein schweres Erbe, das Sie antreten?

Patrick Wiencek: Natürlich. Gunnarsson gehört zu den besten Kreisläufern der Welt. Ich glaube, er ist in Gummersbach sogar der Publikumsliebling. So jemanden zu ersetzen ist natürlich sehr schwer.

SPOX: Endlich spielen Sie richtig in der 1. Bundesliga. Was ist das für ein Gefühl?

Wiencek: Es ist sehr schön. Ich habe zwar damals mit TUSEM Essen schon in der 1. Liga gespielt, aber es ist einfach nicht das Gleiche wie mit Gummersbach, da dort ganz andere Spieler sind. Von ihnen kann ich noch sehr viel lernen, deshalb freue ich mich unglaublich auf die Zeit dort.

SPOX: Sie gelten als großes Talent. Setzt Sie das unter Druck?

Wiencek: Eigentlich freue ich mich über dieses Lob. Trotzdem muss man versuchen, das außen vorzulassen, weil man sich sonst viel zu viel damit beschäftigt und ab da wahrscheinlich alles schiefgeht. Meine Devise ist: Keine Gedanken machen und einfach nur Handball spielen.

SPOX: Sie werden aufgrund Ihrer Defensiv-Fähigkeiten als "Koloss von Rhodos", "Fels in der Brandung" oder "Turm in der Schlacht" bezeichnet...

Wiencek: Wenn ein Reporter so etwas schreibt, freue ich mich sehr darüber. Für mich ist so ein Kompliment immer etwas Besonderes.

SPOX: Sie sind Kreisläufer - da geht es ordentlich zur Sache. Wie oft haben Sie blaue Flecken?

Wiencek: (lacht) Ehrlich gesagt: Ich zähle sie schon gar nicht mehr. Mein Körper ist voller blauer Flecke. Aber ich habe mich schon daran gewöhnt, dass ich im Spiel eigentlich immer eins drauf kriege. Da achte ich schon gar nicht mehr darauf.

SPOX: Muss man aus einem besonderen Holz geschnitzt sein, um Kreisläufer zu werden?

Wienceck: Man darf natürlich kein Weichei sein. Wer wegen jeder Kleinigkeit auf dem Boden liegen bleibt und weint oder jammert, wird es schwer haben. Als Kreisläufer braucht man eine dicke Haut.

SPOX: Woran müssen Sie noch arbeiten?

Wiencek: Ich muss körperlich noch zulegen, mir mehr Muskeln antrainieren. Und auch konditionell könnte ich mich noch verbessern und öfter laufen gehen.

SPOX: Merken Sie im Spiel, dass es Ihnen daran fehlt?

Wiencek: Das nicht, aber es gibt immer Luft nach oben. Kondition und Kraft sind die Ansatzpunkte. Aber natürlich muss ich auch meine Wurftechnik noch etwas verbessern.

SPOX: Holen Sie sich ab und an Rat von älteren Spielern?

Wiencek: Eine Vertrauensperson ist mein Ex-Trainer Kristof Schargy. Ihm habe ich viel zu verdanken. Er hat meine Anfänge miterlebt und oft mir mit Einzeltraining gemacht. Das hat mir sehr geholfen. Ihn rufe ich öfter mal an und frage um Rat.

SPOX: Haben Sie unter den Spielern ein Vorbild?

Wiencek: Auf jeden Fall Oliver Roggisch. Ich habe ihn schon bewundert, als ich noch klein war und ihn lediglich aus dem Fernsehen kannte. Wenn Deutschland gespielt hat, saß ich immer vor dem Bildschirm.

SPOX: Was schätzen Sie an ihm?

Wiencek: Seine Aggressivität in der Abwehr, seine Kampfbereitschaft und seine Motivation, wie er seine Mitspieler mitreißt. Das ist einfach nur Klasse. Es ist sicher schwer, so zu werden wie er. Aber wenn ich das schaffen würde, würde ich mich extrem freuen.

SPOX: Sie wirken trotz Ihres Erfolgs sehr bescheiden. Woher kommt das? Wer hält Sie am Boden?

Wiencek: Ich habe hier in TUSEM viele Freunde unter meinen Mannschaftskollegen gefunden. Die sind alle sehr bodenständig und ich bin keiner, der abhebt. Ich weiß, was ich hatte und wo ich war, deshalb freue ich mich einfach, dass ich soweit gekommen bin und versuche, das Beste aus mir herauszuholen.

SPOX: Auch Ihre beiden Brüder David und Dennis spielen erfolgreich Handball. Gibt es da Futterneid und Konkurrenzkampf?

Wiencek: Nein, gar nicht. Wir freuen uns immer für einander. Ihr Ziel ist es ebenfalls, irgendwann mit Handball Geld zu verdienen und das gönne ich ihnen natürlich.

SPOX: Wie wäre es, zusammen in einer Mannschaft zu spielen?

Wiencek: Das wäre auch eine schöne Sache. Allerdings habe ich mir darüber bisher keine Gedanken gemacht. Aber da Sie fragen: besser zusammen als gegeneinander.

SPOX: Im November hat Heiner Brand Sie als Zweitligaspieler für die Nationalmannschaft nominiert. Wie haben Sie davon erfahren?

Wiencek: Mich hat damals ein Freund angerufen und meinte "Glückwunsch". Ich wusste gar nicht, wovon er spricht. Er sagte dann, ich wäre für das DHB-Länderspiel nominiert. Da habe ich mir nur gedacht: "Das kann nicht sein." Aber ich bin dann gleich ins Internet und habe meinen Namen auf der Kaderliste entdeckt. Und in meinen E-Mails war die Einladung für die Nationalmannschaft.

SPOX: Was ging Ihnen in diesem Moment durch den Kopf?

Wiencek: Ich war total baff. Ich war auf Null und habe gezittert. Zuerst wollte ich das gar nicht glauben. Es hat ein paar Stunden gedauert, bis ich realisiert hatte, dass ich eingeladen bin. Erst dann habe ich mich gefreut.

SPOX: Wie nervös waren Sie vor Ihrem ersten Länderspiel gegen Weißrussland?

Wiencek: Total nervös. Ich hatte keinen klaren Kopf mehr. Ich dachte mir die ganze Zeit nur: "Boah, jetzt spiele ich mit Oliver Roggisch, Torsten Jansen und Jogi Bitter." Das erste Länderspiel ist ein Gefühl, dass ich nie mehr vergessen werde. Einfach nur geil.

SPOX: Länderspielerfahrung hatten Sie davor ja schon. Mit der U 21 haben Sie bei der WM in Ägypten den Titel geholt.

Wiencek: Da ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen. Zuerst war ich nicht sicher, ob ich überhaupt mitfliege, aber dann hat sich ein Spieler verletzt und deshalb durfte ich mit. Das war der Wahnsinn.

SPOX: Das Team wollte damals für den verstorbenen Sebastian Faißt den Titel holen, der auf dem Spielfeld zusammenbrach und starb. Wie sehr hat Sie das bewegt?

Wiencek: Ich kannte ihn nicht persönlich, aber man hat viel über die Medien erfahren. Es nimmt einen natürlich sehr mit, wenn jemand mit 21 auf dem Spielfeld stirbt. Danach macht man sich zwar seine Gedanken, aber man darf das nicht zu nah an sich heranlassen.

SPOX: Sie waren im Finale bester Torschütze, haben acht Treffer erzielt. Bedeutet Ihnen diese Leistung etwas?

Wiencek: Hauptsache, die Mannschaft gewinnt. Für mich ist der Teamerfolg immer wichtiger, deshalb achte ich nicht auf Tore. Aber wenn ich sehe, dass mir acht Tore gelungen sind, dann ist das natürlich eine schöne Sache.

SPOX: In Ägypten hat sich das ganze Team nur von McDonald's ernährt. Wie kam das?

Wiencek: (lacht) Wir haben versucht, europäisch zu kochen, aber es hat uns überhaupt nicht geschmeckt. Nach einer Woche ging uns das Essen dann so auf den Geist, dass wir zu McDonald's gegangen sind. Oder wir haben uns beliefern lassen, damit es nicht so auffällt.

SPOX: Ihr Spitzname ist Bamm-Bamm. Wer hat ihn wann erfunden?

Wiencek: Ich weiß es nicht mehr genau, aber es war bei den Junioren. Dort habe ich beim Training offenbar mehrere Leute über den Haufen gerannt. Das in Verbindung mit meinen blonden Haaren hat mir irgendwann meinen Spitznamen eingebracht. Aber eine andere Frisur kommt für mich nicht in Frage.

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